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Samuel Harfst: „Es gab noch nie so viele Höhen und Tiefen“

Er ist Chor-Kind, Straßenmusiker und leidenschaftlicher Gitarrist: Samuel Harfst. Im Interview spricht er über sein jüngstes Album, innere Sturmstillung und einen Weltrekord, der es nicht ins Guinnessbuch geschafft hat.

Samuel, du hast 2010 mit deiner Straßenband bei einem 24-stündigen Dauerkonzert einen Weltrekord aufgestellt. Warum wurde das nicht im Guinnessbuch der Rekorde festgehalten?

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Wir haben damals tatsächlich den Weltrekord aufgestellt – das wurde auch per Video dokumentiert. Bei der Übertragung der Videos ist dann etwas schiefgelaufen. Wir hätten für die Aufnahme ins Guinnessbuch die Videokassetten mit den 24 Stunden-Aufnahmen einschicken müssen. Jemand hat die Aufnahmen leider verloren. Ich habe mich damals so geärgert, mittlerweile nicht mehr so sehr. Wir hätten ein Verfahren machen können, weil wir ja Zeugen hatten. Wir waren aber auch sehr viel unterwegs – dabei ist das leider untergegangen.

Hast du noch deine Gitarre von damals und spielst du noch immer damit?

Die hatte ich bis vor kurzem tatsächlich noch. Ich war schon zwei, dreimal an dem Punkt, wo ich gedacht habe, dass ich eine neue brauche. Ich war sogar wieder beim Gitarrenbauer – man hängt dann doch an so einer Gitarre. Aber kurz darauf wurde sie beim Einbruch in unser Studio gestohlen. Ich habe aber gelernt, dass Gott solche Situationen auch zum Guten nutzt und habe mir jetzt eine Gitarre gekauft, die viel besser zu meinen Bühnenauftritten und der Technik passt, mit der ich gerade unterwegs bin.

Was ist der größte Unterschied zwischen deinem jüngsten Album „Im Namen der Liebe“ und dem ersten Album? Dazwischen liegen immerhin 17 Jahre.

Ich glaube, dass ich jetzt ein bisschen mehr weiß, was wichtig ist und was nicht. Ich merke mit jedem Album mehr, dass das, was vor dem Mikrofon passiert, wichtiger ist als irgendwelche technischen Sachen. Es ist natürlich schön, gutes Equipment zu haben. Aber man kann sich am Anfang leicht verfranzen. Irgendwann war es fast schon ernüchternd, als ich gemerkt habe: Details, die sehr viel Arbeit gekostet haben, nehmen die meisten Leute gar nicht wahr.

Eigentlich habe ich nur gelernt, live für Leute zu singen. Aber es macht mir immer mehr Spaß, Musik im Studio zu machen. Als Straßenmusiker habe ich viel Live-Erfahrung gehabt. Deshalb war für mich am Anfang schon seltsam, so ein Mikrofon anzusingen. Im Studio macht es mir eigentlich erst seit zwei, drei Alben richtig viel Spaß. Im Laufe der Zeit habe ich gelernt zu singen – in dem Wissen, dass Leute es hören, auch wenn sie nicht im Raum sind.

Würdest du der Aussage zustimmen, dass dein Album „Im Namen der Liebe“ ein Liebesbrief an Gott und deine Lieblingsmenschen ist?

Ja, gerade in dem Wissen, dass wirklich Gott die Liebe ist. Jeder verbindet etwas mit Liebe, aber das ist für mich die allerschönste Definition. Wir haben uns im Entstehungsprozess bei jedem Lied die Fragen gestellt: Was bewegt uns jetzt? Was sind wünschenswerte Gefühle, die man formulieren möchte? Trotzdem haben wir immer auch geschaut, was uns Kraft gibt in schweren Zeiten – die hatten wir auch. Es gab wirklich noch nie so viele Höhen und Tiefen innerhalb einer Produktion. Ich glaube, das spiegelt auch das Album wider.

Hast du da ein konkretes Erlebnis, an das du sofort denken musst, wenn du „Höhen und Tiefen“ sagst?

Ja, auf jeden Fall. Das Verrückteste war die Songwriting-Session für den Song „Still den Sturm in mir“ – mitten in der Pandemie. Die haben wir fast abgebrochen. Ich war dort gemeinsam mit einem meiner besten Freunde, Tobias Hundt. Wir saßen da und haben gemerkt, wie uns diese Ungewissheit fertig macht. Wir wussten nicht, wann und unter welchen Umständen wir wieder Musik machen können. Wir haben miteinander über die Situation geredet und dann gab es wirklich diesen Moment, dass es in uns still wurde. Das war krass. Es war wie eine innere Sturmstillung.

In Australien, wo ich studiert habe, gab es einen Felsvorsprung am Strand. Dort sind von unten die Wellen immer gegen den Felsen geklatscht und es gab eine Stelle, an der sie hochgespritzt sind. Das war unglaublich laut und pompös. Man hat gemerkt, dass diese Wassermassen gigantisch waren, aber den Felsen hat das gar nicht interessiert. Das war dieses Bild, was wir hatten – obwohl der „äußere Sturm“ da war. Wir hätten fast die Zeile verwendet: „Der Fels lacht“.

Die Person, die mir am meisten schadet, bin ich selbst.

Samuel Harfst
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„Ich stelle mir selbst ein Bein, ich habe die besten Freunde, doch ich bin mein größter Feind.“ Was meinst du damit?

Ich glaube, dass ich mir oft selbst im Weg stehe. Die Person, die mir am meisten schadet, bin ich selbst, weil ich Chancen nicht nutze. Wenn ich in Aktion bin, dann bin ich sehr sicher. Deswegen denken viele Leute: Der Samu, der weiß genau, was er will. Es gibt aber auch immer wieder Phasen, in denen ich mich total sabotiere. Deswegen ist es nicht übertrieben, wenn ich sage: Der Einzige, der Samuel Harfst besiegen kann, ist Samuel Harfst. Leicht ist es, anderen die Schuld zu geben, wenn etwas schiefläuft. Ich glaube, wenn man seine Siebensachen zusammen hat, ist man nur schwer aufzuhalten.

Du formulierst in einem Song den Satz: „Du bist Land in Sicht“. Welche Situation hast du damit aufgegriffen?

Das war beim Schreiben tatsächlich auch einer der Momente, in denen dieses Gefühl der Ungewissheit spürbar war. Man konnte zwar auf der einen Seite verstehen, warum es zu dieser Zeit keine Konzerte gab, aber ich dachte immer: Gib mir einen Hard Fact, mit dem ich arbeiten kann – einen Funken Hoffnung.

In dem Moment hat es sich wirklich so angefühlt: Land in Sicht. Wer das auch schon mal auf dem Meer erlebt hat, der kann das nachempfinden – selbst wenn man nur ein bisschen abgetrieben ist. Es war noch nicht Festland, aber allein schon diese Gewissheit hat mir Frieden gegeben, dass es wieder gut werden kann. Meine persönliche Geschichte ist gar nicht so wichtig bei den Liedern. Da gibt es immer drei Storys. Die Erste ist die, die ich vor dem Schreiben des Textes erlebt habe. Die zweite Story ist das Lied, das ich geschrieben habe. Die dritte ist die, die sich im Hörer vollzieht – sie ist eigentlich die entscheidende.

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In deinen Songs ist Gott der Freund, der dich auf einem langen Weg begleitet hat …

Die Lieder sind der Versuch, das zu beschreiben. Mein Onkel hat das mal schön gesagt: „Lass mich mal ein bisschen reden, bis ich weiß, was ich sagen will.“ Ich würde das unterschreiben. Lass mich mal ein bisschen schreiben, bis ich weiß, wie es mir gerade geht. Es gibt diesen Zustand, in dem sich die Lippen lösen und man wirklich von Herzen spricht. So schreibe ich am allerliebsten. Ich lasse erstmal alles raus und schaue später, welcher Text in das Lied kommt.

Möchtest du in Zukunft Ausflüge in andere Musikrichtungen machen?

Mir macht es total viel Spaß, mit anderen Musikern zusammenzuarbeiten. Ich bin ein Chor-Kind …

… du hast vor deiner Zeit als Straßenmusiker im Kinderchor bei Margret Birkenfeld gesungen.

Genau! Es war eine prägende Zeit, weil ich dort meine ersten musikalischen Auftritte hatte, auch die ersten Studio-Erfahrungen. Ich habe später erstaunt bemerkt, dass sie von der Chorleiterin zur Kollegin geworden ist, aber der Respekt ist nie gegangen. Sie war eine Mentorin und ein riesiges Vorbild für mich. Musikalisch hatte sie neben meiner Familie die prägendste Rolle. Sie hat mich später nochmal ermutigt, Noten zu lernen. Kurz vor ihrem Tod habe ich sie dann noch einmal gesehen. Ich fand es beeindruckend, wie viel von dem, was sie ausgemacht hat, noch da war.

Zurück zur Musikrichtung: Ich habe schon gemerkt, dass mir die Akustik-Gitarre einfach liegt und sehr viel Spaß macht. Es ist nicht geplant, dass ich einen ganz neuen Musikstil mache, aber zusammen mit Künstlern aus anderen Genres schreibe ich gern zusammen und nehme auch Musik mit ihnen auf.

Ich höre gern ältere Lieder.

Samuel Harfst

Hörst du gern andere Genres?

Super gern. Es gibt kein Genre, indem ich keine guten Lieder kenne, und ich mag einfach gute Musik. Sie bringt mich immer wieder zum Staunen. Ich höre auch gern ältere Lieder – zum Beispiel von Louis Armstrong und Ella Fitzgerald. Das ist einfach so unglaublich, dass die sich getroffen und zusammen Musik gemacht haben. Das ist einfach zeitlos, so unglaublich gut.

Hast du ein weiteres Album in Planung? Oder ein Thema auf dem Herzen?

Ich schreibe nicht, um Alben zu machen. Deswegen entstehen schon neue Lieder, bevor ein neues Album herauskommt. Ich habe aber ein paar Themen, die mir sehr auf der Seele brennen. Und wir finalisieren gerade das nächste Album, das im Dezember dieses Jahres erscheinen soll. Und vielleicht wird es auch nochmal ein Buch geben, aber noch ist da noch nichts Konkretes. Ich befinde mich gerade in der Phase, die ich auch sehr genieße, wo man einfach drauflos schreibt und noch alles möglich ist.

Und dann bin ich jetzt im Oktober zusammen mit Samuel Koch wieder mit den Konzertlesungen an sechs Orten in Deutschland und der Schweiz unterwegs. Im November und Dezember folgen dann die Weihnachtskonzerte, die in Kooperation mit „Weihnachten im Schuhkarton“ veranstaltet werden. Ich freue mich sehr, nach vielen Monaten, wo der Fokus auf dem Schreiben lag, wieder live unterwegs zu sein.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Tim Bergen. Er ist Volontär bei Jesus.de und dem Männermagazin MOVO.

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