Wie gelingt Mission in Deutschland? Drei Perspektiven aus der weltweiten Mission, die für Ortsgemeinden relevant und inspirierend sind.
Von Matthias Ehmann (Professor für Missionswissenschaft und Interkulturelle Theologie)
Als Gemeinden sind wir auf einer Mission. Wir haben nicht nur eine Mission, vielleicht eines dieser Mission-Statements, das irgendwann auf ein Stück Papier oder eine PowerPoint geschrieben und dann vergessen wurde. Wir sind gemeinsam auf einer Mission. Missionarisches Zeugnis und Dienst sind nicht nur ein Arbeitszweig der Gemeinde für ein paar Spezialisten, Weltenbummler oder junge Erwachsene mit Sehnsucht nach etwas Auslandserfahrung.
Wir sind als Gemeinde auf einer Mission unterwegs. Und das gilt für unseren ganz banalen Gemeindealltag vor Ort genauso wie für die weltweite Mission an uns teilweise sehr fremden Orten. Wir sind gemeinsam unterwegs, diesem Jesus aus Nazareth hinterher. Wir suchen das anbrechende Reich Gottes, geben Zeugnis davon und leben in unserem Dienst eben diese angebrochene Wirklichkeit.
Im europäischen Christentum hat sich dabei in vielen Köpfen eine Zweiteilung festgesetzt: Da gibt es das christliche Europa – vielleicht etwas weiter gedacht auch die Amerikas, Australien und Neuseeland – und die anderen Länder der Welt. Das eine ist christlich, da streitet man sich höchstens über die richtige Theologie, und der Rest ist Missionsgebiet. Wahrscheinlich war diese Weltsicht zu keiner Zeit sachgemäß und zielführend, heute ist sie es ganz sicher nicht.
Ortsgemeinden können von weltweiter Mission lernen
Im Zeitalter der Globalisierung, der weltweiten Migration und des digitalen Austauschs zwischen allen Kontinenten lassen sich die Grenzen gar nicht mehr so genau ziehen. Und wir sollten das auf unserer Mission auch nicht anstreben, sondern gemeinsam unterwegs sein, diesem Jesus hinterher. Dabei kann weltweite Mission von lokalen Gemeinden lernen und umgekehrt gibt es auch für Ortsgemeinden wertvolle Impulse aus der weltweiten Mission.
Zentral in der Verkündigung Jesu ist die Botschaft vom anbrechenden Reiches Gottes. In Jesus ist Gott selbst Mensch geworden, in ihm bricht die Königsherrschaft Gottes an. Sie ist schon da, ganz real, wirklich, echt, umfassend. Und doch ist sie noch nicht sichtbar, noch nicht greifbar und noch nicht vollendet. Jesus nimmt seine Nachfolgerinnen und Nachfolger mit. Er predigt zu ihnen. Er erklärt ihnen, was das bedeutet: „Reich Gottes“.
Es bewegt ihn und er handelt, ganz praktisch.
Er zeigt es in seinem Leben, in seinem Umgang mit uns Menschen. Und Jesus dient den Menschen, er sieht den Schmerz und das Leid da, wo Gottes Herrschaft noch nicht durchgebrochen ist. Und das lässt ihn nicht kalt. Es bewegt ihn und er handelt, ganz praktisch. Er macht Hungernde satt, heilt Kranke und führt Verstoßene zurück in die Gemeinschaft.
All das gehört zu Gottes Handeln in der Welt, zu seiner Mission. Jesus nimmt uns, seine Jünger, mit auf diese Mission. Dabei geht Gott den wesentlichen Schritt voran, den wir nicht gehen konnten. Er stirbt für die Schuld dieser Welt, für uns, aus Liebe. Er steht von den Toten auf. Das können wir nicht nachahmen, das können auch wir Jünger nur staunend ansehen und uns von ihm in diese Wirklichkeit mit hineinnehmen lassen.
Ganzheitliche Mission
Und dennoch, wir sind von Gott in seine Mission gesandt. Nach Tod und Auferstehung, nach diesem wesentlichen Schritt Gottes, werden seine Nachfolgerinnen und Nachfolger nicht bedeutungslos. Er sucht sie, er sammelt und tröstet sie und sendet sie auf seine Mission. Dazu gehören das Zeugnis von diesem Christus und der Dienst für die Verwundeten in dieser Welt. Man kann das mit einem schönen Label versehen: ganzheitlich, Wort-und-Tat-Mission, biblisch oder christusgemäß. Es bleibt die Mission Gottes, in die Jesus seine Jünger mit hineinnimmt.
Auf diesem Weg gibt es sicher keine einfachen Konzepte von der Stange und immer wieder neue Herausforderungen, die nach flexiblen, dienenden und Jesus-orientierten Antworten verlangen. Drei Perspektiven aus der weltweiten Mission könnten dabei aus meiner Sicht für Ortsgemeinden in Deutschland in den nächsten Jahren besonders relevant und inspirierend sein.
Erstverkündigung: Deutschland ist entchristlicht
Vor wenigen Wochen war ich mit einer Gruppe Studierender aus dem Masterstudiengang der Theologischen Hochschule Ewersbach zusammen mit der FeG Inland-Mission unterwegs. Wir haben ein neues Seminar konzipiert und erstmalig ausprobiert und dabei neben einem Theorieteil auch konkrete Gemeindegründungen vor Ort angeschaut und von ihnen gelernt.
Neben inspirierenden Begegnungen, guter Gemeinschaft und wertvollen inhaltlichen Impulsen zu konkreten Schritten der Gemeindegründung ist mir ein Kernelement erneut deutlich geworden: Wir evangelisieren und gründen Gemeinden in einem mehr und mehr entchristlichten Kontext. Was unsere Geschwister in den ostdeutschen Gemeinden schon lange erlebt haben, spüren wir nun fast flächendeckend in ganz Deutschland: Wir verkündigen das Evangelium von Jesus Christus und dem anbrechenden Gottesreich vielen Menschen zum ersten Mal.
Es ist nicht mehr so – wie etwa in der Zeit der großen Aufbrüche der Zeltevangelisation der Nachkriegszeit –, dass die meisten Menschen die Inhalte des Neuen Testaments durchaus kennen, dass sie wissen, wer Jesus ist und die Frage im Raum steht: „Folgst du mir nach?“ Im Gespräch mit unseren heutigen Gemeindegründerinnen und -gründern wurde immer wieder deutlich: Wir sind häufig in der Situation der Erstverkündigung – so wie man das viele Jahre nur aus klassischen Missionsländern kannte.
Neues muss entstehen
Ortsgemeinden, die einfach nur ein etwas profilierteres Angebot bieten und so Menschen aus anderen kirchlichen Kontexten anziehen – klassisches Transferwachstum – wird es zwar weiter geben, aber der Nährboden für dieses Gemeindekonzept löst sich mehr und mehr auf. Die Großkirchen sind – so zumindest die Analyse vieler ihrer Vertreterinnen und Vertreter – an einem Kipppunkt angekommen.
Vor einigen Wochen gab es einen Strategiekongress mit dem sprechenden Titel „Auflösung“. Kirchliche Strukturen lösen sich buchstäblich auf. Etwas Neues muss entstehen, um das angebrochene Reich Gottes in Zeugnis und Dienst zu verkünden – vielen zum ersten Mal. Wir sollten das ohne jegliche Häme oder Rechthaberei gemeinsam und geschwisterlich mit den Verbliebenen in den kleiner werdenden Großkirchen angehen.
Mission im Kontext entwickeln
Wenn jemand als Missionarin oder Missionar in ein anderes Land geht, dann ist uns völlig klar, dass diese Person sich ganz grundsätzlich auf eine andere Sprache, eine andere Kultur und auch neue Ausdrucksformen für den christlichen Glauben einstellen muss. Missionarinnen und Missionare bereiten sich auf ihre Ausreise vor, sie lernen in den ersten Jahren die neue Sprache und Kultur zu verstehen und sich sicher darin zu bewegen.
Und vor allem machen sie sich häufig sehr bewusst Gedanken darüber, wie das Zeugnis von Jesus Christus und der Dienst für die Nächsten in der jeweiligen Kultur aussehen könnte. Es ist klar, dass wir Bibeln in andere Sprachen übersetzen, die Gottesdienste so gestalten, dass sie zur jeweiligen Kultur passen und unseren Glauben so vermitteln, dass er verstanden, angenommen und gelebt werden kann.
Wir verstehen uns nicht mehr
Davon können Ortsgemeinden in Deutschland lernen. Vielleicht haben Sie das auch schon erlebt: Sie sitzen in einem Bus, einem Café oder einer Arztpraxis und hören dort wildfremden Menschen beim Gespräch zu. Klar, sie verstehen die Worte – zumindest die meisten, – aber die Welt, die diese beschreiben, bleibt ihnen bei manchen Menschen komplett fremd. Obwohl wir offensichtlich in der gleichen Stadt leben, trennen uns doch manchmal Welten.
Wir leben in unterschiedlichen Generationen und Lebenswelten. Aber fast alle christlichen Gemeinden in Deutschland erreichen ähnliche Generationen und Lebenswelten. Sie sprechen, wenn man so will, dieselbe Sprache. Große Teile unserer Gesellschaften werden von unserer Gemeindekultur kaum verstanden und sie wiederum verstehen unser Treiben in Gemeinden auch nicht.
Es ist notwendig, […] die Sprache dieser Menschen zu lernen.
Es ist notwendig, dass wir uns als Missionarinnen und Missionare – zu nichts anderem sind wir als Christinnen und Christen berufen – aufmachen, die Sprache dieser Menschen zu lernen. Wir müssen uns ganz bewusst fragen, wie wir den Glauben so leben können, dass diese Menschen ihn verstehen.
Manchmal wird das auf persönlicher Ebene durch das Engagement einzelner aus Gemeinden möglich sein, häufig werden wir dafür auch neu gegründete Gemeinden mit einem spezifischen Profil benötigen. Lasst uns neue Gemeinden für neue Kontexte gründen und unsere bestehenden Gemeinden immer wieder neu auf ihren Stadtteil und ihr Dorf ausrichten.
Über den Tellerrand blicken
In der Wahrnehmung der meisten Deutschen ist das Christentum in einer schweren Krise. Im Wesentlichen teile ich diese Einschätzung und das schmerzt mich. Rückzug, Abbruch und Umbruch prägen das Bild und in gar nicht so kleinen Teilen auch die Realität christlicher Glaubensgemeinschaften in Deutschland.
Ich darf seit einiger Zeit das Fach Missionswissenschaft und Interkulturelle Theologie an der Theologischen Hochschule Ewersbach unterrichten und befasse mich so fast jeden Tag mit der weltweiten Kirche. Und dieser Blick über den eigenen Tellerrand hinaus tut unglaublich gut. Er motiviert mich und schenkt mir immer wieder einen neuen Blick und neue Hoffnung.
Verunsichert und entmutigt
Ja, in Deutschland ist das Christentum in der Krise. Erst vor einigen Wochen hat der Bertelsmann-Religionsmonitor erneut festgestellt, wie dramatisch der Traditionsabbruch des christlichen Glaubens in Deutschland ist. Zwar wachsen einige kleinere Freikirchen – aber auch die meisten von ihnen haben in der Zeit der Corona-Pandemie den Kontakt zu vielen Mitgliedern verloren. Und ja, auch mich verunsichert das manchmal und auch ich komme hin und wieder etwas entmutigt aus einem ökumenischen Arbeitskreis, wenn die Kolleginnen und Kollegen dort mit Bedauern erzählen, welche Ortsgemeinden sie nun aus Mangel an Personal und Gottesdienstbesuchern zusammenlegen.
Umso froher bin ich, wenn ich lese und im Austausch mit internationalen Kolleginnen und Kollegen erlebe, dass das nicht die umfassende Gegenwart des Christentums ist. Wir erleben in der weltweiten Mission, dass viele Menschen zum Glauben kommen, Gemeinden entstehen und wachsen und einzelne soziale Gruppen und ganze Gesellschaften durch den christlichen Glauben verändert werden.
Die Saat geht auf
Das Reich Gottes blitzt an diesen Stellen zeichenhaft auf. Und das sind nicht nur einzelne Stories, das sind belastbare Zahlen. Das Christentum weltweit wächst. Hat man früher vom 19. Jahrhundert als dem großen Jahrhundert protestantischer Weltmission gesprochen, spricht man auf Grundlage der vorliegenden Zahlen vom 20. Jahrhundert als dem unerwartet christlichen Jahrhundert. Die Saat ist aufgegangen und geht noch immer auf.
Und wir dürfen Teil davon sein, indem wir treu, kreativ und hoffnungsvoll unseren Auftrag leben. Wenn wir Menschen zum ersten Mal in ihrem Leben von diesem Zimmermann aus Nazareth erzählen. Wenn wir kontext- und kultursensibel nach verständlichen Formen für unseren Glauben suchen und dabei hoffnungsvoll auf sein Reich schauen, das er vollendet. Als weltweite Gemeinde, auch in Deutschland, in deiner Stadt oder deinem Dorf. Die Zusage Jesu aus dem Johannesevangelium gilt seit 2000 Jahren. Sie gilt auch uns: „Wie der Vater mich gesandt hat, so sende ich euch!“ (Johannes 20,21; NLB).
Matthias Ehmann ist Professor für Missionswissenschaft und Interkulturelle Theologie an der Theologischen Hochschule Ewersbach.
Dieser Artikel ist in der Zeitschrift Christsein Heute erschienen. Christsein Heute erscheint im SCM Bundes-Verlag, zu dem auch Jesus.de gehört.
Mir scheint, die Kommentare sind wichtigere Beiträge, als der Bericht über die Mission selbst.
Bedenken wir, warum sich viele Menschen von den Kirchen abwenden. Die Kommentare deuten deutlich darauf hin. Die Theologen klagen , dass die Menschen sich abwenden. Für mich muss die Frage lauten,: Was machen wir als Kirchen, Theologen, damit die Menschen sich von uns abwenden?
Es gibt viele suchende Menschen, die über die theologischen Widersprüche und Uneinigkeiten, die verkündet werden, sich kopfschüttelnd abwenden, weil sie darin keine Hilfe für ihr Glaubensbestreben finden.
Jede Theologie, jede Kirche nimmt das Wort Glauben in den Mund. Die Unterschiede und Widersprüche werden ignoriert. Welcher Kirche, welcher Theologie soll man Glauben schenken? Dabei gibt es den Weg, der ein eindeutiges und richtiges Glaubensverständnis klar nachvollziehbar macht.
Meine traurige Vermutung dass es den Kirchen und Theologien unter anderem um Machtanspruch geht.
Wenig missionarische Kirchen sitzen in einer Realitätsfalle
Was zumindest die großen (Noch-)Volkskirchen davon zwangsläufig abhält eine wirkliche missionarische Gestalt anzunehmen, lässt sich mit ganz einfachen Sätzen beschreiben: Wir sind als Kirche/n zu kopflastig. Damit meine ich den notwendigen Wasserkopf zur Durchführung der Bürokratie, wenn man der größte Arbeitgeber in Deutschland ist: Also auch vielfach Träger von Krankenhäusern, Kindertagesstätten oder anderen wichtigen sozialen Unternehmungen. Niemand bei Verstand kann deshalb fordern die Bürokratie einzuschränken, denn sie ist das Regelwerk nach dem alles leider funktionieren muss. Im Ergebnis führt dies dazu – zumindest auf der Ebene der Gemeinden oder Großgemeinden – dass die Menschen vor Ort (Kirchenvorstände, Pfarrgemeinderäte etc.) sich mit allem beschäftigen müssen, aber kaum mit einer wirklich kreativen Weiterverbreitung der guten Botschaft von Jesus. Dies ist durchaus jedem und jeder bewusst, aber die Realität liegt dabei leider näher als die Vision. Eigentlich gehört die Gemeinde Jesu an die Hecken und Zäune der Welt, also auch dorthin wo Menschen leben, arbeiten und ihre Probleme haben. Aus einer Komm-Struktur muss eine Geh-Hin-Struktur werden. Ich liebe meine Evangelische Kirche, auch mit ihren Schwächen, Defiziten, mit ihrer notwendigen
Bürokratie und als Arbeitgeber für viele Menschen. Und auch alle ihre Arbeit. Aber sie sitzt wie alle Großkirchen in einer Realitätsfalle. Und niemand mit Verstand würde sich selbst als „“Firma““ abschaffen wollen, dies würden ihr auch alle anderen übel nehmen. Also jetzt sofort eine arme Kirche zu fordern wäre fast eine Gemeinheit. Aber man kann, gehorchend der Not wegen Einsparungen, zumindest die Kernkompetenzen festigen. In den Großkirchen benötigen wir alle ausreichend Theologinnen und Theologen. Dazu alle Menschen die eine inhaltliche Arbeit leisten: Pädagogen, Kantor*innen, Organist*innen und ehrenamtliche Prädikanten für die Wortverkündigung. Aber auch Diakone, bzw. eine professionelle Diakonie. Hier in der Pfalz entstanden in einer Mittelstadt aus 5 Kirchen nach Kriegsende derzeit 15 Kirchen, die überwiegend viel zu wenig Zulauf haben, in den Gottesdiensten. Dies alles kosten sehr viel Geld. Ein Langstreckenläufer kann auch nicht mit großem Gepäck einen Marathonlauf durchführen. Er muss Lasten abwerfen. Es geht also um die Diskussion, wenn schon die finanziellen Sorgen überhand nehmen, was sehr wichtig ist aufrecht zu erhalten und was langfristig wegfallen muss.. Ein Problem wird die Subsidiarität darstellen. Dies ist der Umstand, dass der Staat immer Freie Träger bevorzugen muss. Übernimmt er selbst Aufgaben vollständig, wie das Vorhalten von Kindertagesstätten, kostet ihn dies wesentlich mehr als wenn Kirchen dies tun und noch manchen Euro zubuttern. Zwar werden die Kirchen nur wirklich glaubwürdiger, wenn sie auch die Bergpredigt und das Liebesgebot Jesu ernster nehmen und exemplarisch vorleben. Aber damit kann man immer beginnen. Kirche muss sich m.E. immer reformieren. Geistlicher Hausputz ist stets erforderlich. Dabei ist ein tragendes Element dieser Reformation allerdings, dem Heiligen Geist Raum einzuräumen. Dies ist auch möglich mit genau überlegten Schritten und muss nicht mit der Brechstange passieren. Und wenn wir dort Freiraum schaffen, dann geht das auch mit den Hecken und Zäunen, und öffentlichen Taufen im Sommer an wunderschönen Seen. Ich glaube auch nicht, dass Jesus heute Oberkirchenrat oder Kirchenpräsident geworden wäre. Ehe dann doch Landpfarrer, ein Kümmerer, und viele die es partnerschaftlich mit ihm anpacken das Reich Gottes voran zu bringen. Vielleicht hätte er auch den Vatikan ermuntert, das unselige Pflichtzölibat aufzuheben. Denn wer möchte noch Priester sein, wenn er offiziell keine Partnerin haben darf. Auch der Arbeitsplatz am Altar muss attraktiv gestaltet sein.
„Viele verbergen sich hinter einem Schutzschild von Atheismus und Zynismus. Dabei sind sie in ihrem Inneren auf der Suche nach der Wahrheit.“ Ist das tatsächlich so? Früher habe ich oft Predigten gehört, in denen mir gesagt wurde: „Diese [ungläubigen] Menschen sind innerlich leer. Sie sind unglücklich, sehnen sich nach Erfüllung“. So nach dem Motto: Wir müssen ihnen nur lange genug sagen, dass sie unglücklich sind – dann merken sie es auch.
Heute, viele Jahre und persönliche Gespräche später, ist mein persönliches Fazit: Das stimmt nicht. Bei manchen schon, bei vielen aber auch nicht. Ich habe genügend Menschen kennengelernt, die ohne Glauben oder Religion glücklich sind. Sie „sehnen“ sich nicht nach dem Evangelium. Was uns zum Punkt bringt. Sie kennen es nicht, sehen aber auch keinerlei Veranlassung, es kennenzulernen. Im Gleichnis des verlorenen Sohnes: Sie sind in der Fremde geboren, waren nie zuhause und vermissen es auch nicht. Deshalb Zustimmung: Viel Weisheit ist nötig. Und „Mist zu Dünger“. Habe oft genug erlebt, dass es beim „Mist“ blieb.
Haben Sie sich einmal angesehen, wie sehr Heils- und Sinnnversprechen boomen, Mark? Wie viele, angeblich abgeklärte, Menschen nach dem kleinsten Strohhalm greifen, um ihre innere Leere zu überwinden? Haben Sie einmal beobachtet, wie gut Esoterikmessen besucht, wie viele Amulette und „Glücksbringer“ offen gezeigt werden? Warum wohl gibt es so viele Geistheiler und Schamanen? Wieso geben so viele Leute einen Großteil ihres Vermögens für fragwürdige „alternative Heilmethoden“ aus?
Bei uns in der Nähe gibt es seit einigen Jahren ein buddhistisches Kloster. Die Mönche, die nach eigener Aussage über den Dingen stehen, verwenden einen Gutteil ihrer Zeit darauf eine Art „geistliche Blitzabkleiter“ gegen „versehentliche Sünden“, wie z.B. Respektlosigkeit gegenüber einem Ranghöheren, der zufällig auf der zehn Kilometer entfernten Autobahn vorbei fährt, zu errichten. Wanderer, die den an dem Kloster vorbei führenden Weg passierten, berichten von Hasstiraden, wenn sie sich auf Anfrage eines Mönchs als Mitarbeiter einer kirchlichen Einrichtung zu erkennen geben.
Und wie schon beschrieben: Die Argumente vieler Zyniker weisen darauf hin, dass sie mit ihrer Sinnsuche noch lange nicht am Ziel sind. Und der missionarische Eifer, mit dem manche Atheisten und Agnostiker Christen zu „bekehren“ versuchen, stünde uns oftmals auch gut zu Gesicht!
Zuerst die – für mich – gute Nachricht: So lange das Evangelium noch nicht alle hier Lebenden erreicht hat, habe ich keine Angst um die Zukunft der Mission. Ebensowenig wie um die, durch die hohen Austrittszahlen stark gebeutelte Gemeinde. Dies bedeutet aber nicht, dass wir uns beruhigt zurück lehnen können.
Schon in den 1980ern hatte ich den Eindruck, dass manche Veranstaltungen, wie etwa Zeltevangelisationen, an der eigentlichen Zielgruppe vorbei gingen. Zu sehr war man gewohnt, dass die Besucher wenigstens elementare Glaubensgrundlagen kannten. Und wenn man die Besucher betrachtete, so fand man viele, die selten einen Gottesdienst ausließen. Leute, deren Aufgabe es eigentlich gewesen wäre, Menschen, die Jesus nicht kannten, mitzubringen. Auch die Predigten wirkten für mich vornehmlich auf eben diese Gruppe der ohnehin Gläubigen ausgerichtet.
In den 1990ern kam dann die Gruppe der Esoteriker und New-Ageler hinzu, die zu dieser Zeit die Kirche als eine Art Missionsfeld für sich entdeckten. Ein befreundeter Pfarrer berichtete noch vor wenigen Jahren, wie ihn regelmäßig eine Frau besuchte, die ihn dazu bewegen wollte, das „positive Kraftfeld“ welches angeblich an einem Punkt im Kirchengebäude zu finden war, für ihre Schamanen- und Druidenfreunde frei zugänglich zu machen und die vor dem Altar esoterische Rituale durchführen wollte.
Und heute? Viele verbergen sich hinter einem Schutzschild von Atheismus und Zynismus. Dabei sind sie in ihrem Inneren auf der Suche nach der Wahrheit. Manche ewig wiederkehrenden Formulierungen und Phrasen deuten auf Verletzungen, die ihnen, zu einem großen Teil von „uns Frommen“!, zugefügt wurden. Deshalb ein uneingeschränktes JA! Mission ist auch bei uns möglich. Und sie ist notwendig! Beten wir um Weisheit, damit im Alltag richtig umzugehen! Und vertrauen wir gleichzeitig darauf dass Jesus, wie es mal jemand treffend formulierte, auch „unseren Mist zu Dünger“ macht!