Das fünfte Buch der Psalmen ist ein kraftvoller Ausdruck von Lobpreis und Dankbarkeit – parallel zu Rachegedanken und Verbitterung.
Mit Psalmworten beten viele Christen gerne. Wer allerdings Psalm 137 zu seiner Grundlage macht, etwa in einer Gebetsgemeinschaft – der würde vermutlich unmittelbar im Anschluss zu einem Gespräch mit Pastor oder Kirchenvorstand geladen werden. Aber was würde man ihm erklären? Vielleicht, wie man „politisch korrekt“ betet? Es scheint manchmal, als wären negative Gefühle wie Enttäuschung, Hass oder Zweifel in der Gemeinde tabu. Höchstens im Rückblick wagt man, davon zu berichten.
Politisch unkorrekte Gebete
Natürlich gibt es unpassende Momente. Aber: Wäre es nicht auch für uns manchmal angebracht, gemeinsam im Gebet vor Gott zu ringen, vor Gott zu klagen – so wie in Psalm 137? Damals hatten die Babylonier das Reich Juda völlig vernichtet, und die Edomiter als Helfershelfer des Bösen hatten auch noch die Flüchtenden ausgeliefert. Wer sollte da nicht an Rache denken? Wohlgemerkt, es geht in diesem Psalm nicht darum, dass tatsächlich Kinder getötet werden! Sondern hier finden sich Menschen gemeinsam vor Gott ein, um ihren Schmerz über das erlittene Unheil vor ihm auszuschütten. Zu Gott dürfen wir kommen, wie wir sind. Auch unsere dunklen Gefühle sind bei ihm gut aufgehoben.
Den Schmerz vor Gott bringen
Bei Gott werden wir allerdings nicht bleiben, wie wir sind. Das machen die nun folgenden Psalmen deutlich. Wir befinden uns im fünften Psalmbuch, Psalm 107 bis 150. Es geht darin um die Heimkehr aus dem Exil und den neuen Anfang mit Gott. In sich besteht das Psalmbuch aus drei Blöcken (siehe Kasten). Jeder Block beginnt mit dem Refrain: „Dankt dem Herrn, denn er ist gut, und seine Gnade währt ewig.“ Den Abschluss des Blocks bilden jeweils Psalmen, die das Wort Halleluja („Lobt den Herrn“) enthalten. Eingeschlossen in diesen rahmenden Lobpreis sind im ersten Block drei Davidspsalmen, die das künftige Königtum des Davidsohnes vorbereiten. Im zweiten Block findet sich der lange Psalm 119 über das Wort Gottes und die Gruppe der Wallfahrtspsalmen 120–134. Der dritte Block besteht wieder aus einer Gruppe von Davidspsalmen, denen unser Psalm 137 vorangestellt ist.
Sollte ich nicht hassen?
Wie führen nun die Psalmen 138 bis 145 die Gedanken von Psalm 137 weiter? Die rahmenden Psalmen 138 und 145 richten den Blick auf Gott: Er ist der Herr der Herren. Selbst die Feinde werden einmal seine Herrschaft anerkennen (Philipper 2,9-11). Gott achtet auf den Erniedrigten und hilft ihm auf. In Psalm 139 lässt sich dann der Betende selbst durchleuchten. Gerne gelesen wird vor allem der erste Teil des Psalms: „Herr, du erforschst mich und kennst mich.“ Doch den Höhepunkt bildet eigentlich der zweite Teil: „Herr, erforsche und erkenne mich.“ Mit der Frage „Sollte ich nicht hassen, die dich hassen?“ öffnet der Beter das Innerste seines Herzens vor Gott und bittet ihn, seine dunklen Gefühle zu durchleuchten: „Sieh, ob ich auf bösem Wege bin, und leite mich auf ewigem Wege.“
Bei Gott Ruhe finden
Wohin also mit unseren Rachegedanken? Wir dürfen sie vor Gott klagen, ohne Wenn und Aber (137). Wir dürfen Ruhe finden bei dem Gott, der über alles regiert (138; 145). Wir sollen dann aber auch uns und unsere dunklen Gefühle von ihm kritisch durchleuchten lassen (139). Und ihn konkret um Hilfe für unsere Situation bitten (140 bis 144).
Dies ist der letzte Teil einer dreiteiligen Reihe über die Psalmen.
Hier geht es zum Teil 1: Ist die Reihenfolge der Psalmen ein Zufall? (Psalmen 1 – 89)
Hier geht zum Teil 2: Psalmen 90-106: Was in der Krise trägt
Julius Steinberg hat Theologie in Gießen und in Leuven studiert und war Prediger einer Landeskirchlichen Gemeinschaft. Seit 2007 ist er Professor für Altes Testament an der Theologischen Hochschule Ewersbach.
Dieser Artikel ist in der Zeitschrift Faszination Bibel erschienen. Faszination Bibel wird vom SCM Bundes-Verlag herausgegeben, zu dem auch Jesus.de gehört.
….ich denke das man in den Psalmen Trost, Hoffnung und auch sich selbst als Mensch entdecken kann.
Wir sind nur Menschen, mehr nicht.
Und Fehler machen wir Alle….
Gott vergibt und liebt uns/mich trotzdem so wie ich bin.
Ich bin sein Kind.
Also komme ich so, wie ich bin.
Mit Allem was mich bewegt.
Auch mit Drängen, auch mit einer Anklage vielleicht….mit Trauer, Wut…Einsamkeit, Verzweiflung…Freude…allem was ich bin.
Gott darf ich Alles sagen…Alles.
Er erträgt das…und trägt das für mich.
Irgendwann muss ich dann wieder in Frieden mit mir selber kommen, aber ich habe einen Papa Gott der sich um Alles kümmert.
In den Psalmen ist Alles vorhanden….sowie als auch….
Ich denke auch Gott kämpft für mich…er ist für mich!
Niemals gegen mich…er ist Gott! Gott allein!
Kein Mensch!
Menschen urteilen, verurteilen, lehnen ab….aber Gott kennt und durch und durch!
Weil ER unser Schöpfer ist!
Er wendet Alles zum Guten!
Doch unsere tiefsten Sehnsüchte, Bedürfnisse…auch Wut und Zorn sollten wir mit Ihm teilen!
So wie David es tat…schön das wir daran teilhaben dürfen durch das Wort Gottes.
Es zeigt, dass auch David so in Kämpfen stand wie wir größtenteils.
Es spiegelt unsere Situation wieder…für Jeden individuell!
Gott zeigt den Ausweg…im Wort Gottes….
ganz klar, kann ich mit all meinen Gedanken zu Gott gehen….und Sie ihm Vertrauensvoll in seine Hände legen….und darauf hoffen, dass ER mir hilft Frieden zu finden.
Meike
Auch die Psalmen haben Menschen aufgeschrieben
Die Psalmen sind wie alles in der Bibel nicht vom Himmel gefallen. Wir sind bisweilen zornig und Zorn, Hass und Häme – vielleicht dann noch nicht ausgesprochen – kann ich vor Gott bringen. Niemand muss in der Bibel etwas anderes sehen als was sie ist, für uns aus gutem Grund eine Heilige Schrift, aber dennoch nicht perfekt abgrenzbar an vielen Stellen von menschlicher Meinung. Gott ist nicht widersprüchlich. Denn die 10 Gebote beinhalten auch das definitive Verbot des Tötens. Dass in der Bibel steht und suggeriert wird, die Kriege der Israeliten seien die Kriege Gottes, dürfte dann auch deutlich menschliche Meinung sein (es ist wirklich „religiöse Propaganda) Neben unterschiedlicher Literatur besteht unsere Heilige Schrift aus der Überlieferung von Glaubens- und Gotteserfahrung, zunächst mündlich überliefert und später verschriftlicht. So könnten viele von uns Christen ihre eigene persönliche Bibel schreiben, aber sie wäre auch mit falschen Schlüssen und eigener Meinung versehen, also durchaus nicht ohne Irrtum. Dies alles reduziert die Bibel im Gesamtzusammenhang n i c h t zu einem winzigen Rest von noch verbleibender Wahrheit. Gott spricht durch die Schrift, auch in ganz persönlichen Bezügen, wenn wir möchten zu jedem/jeder von uns. Wichtig scheinen mir aber zwei Voraussetzunge zu sein: Die Bibel darf man nicht nur, man muss sie auslegen (sonst muss jeder mit ihren Widersprüchen leben). Und zweitens wird seit Martin Luther in heute konfessionsübergreifender Einigkeit die Heilige Schrift an Person und Werk Jesu Christi ausgelegt. Was kann man mit dem Bösen tun, auch und vorallem in eigenen Leben? Kluge und fromme Menschen sind sich einig, dass jeder von uns seinen eigenen Schatten besitzt, also eine manchmal dunkle Seite.. Über den Schatten zu springen ist weder sprichwörtlich, noch tatsächlich möglich. Im Licht aber der Liebe Gottes werden diese Schatten hinter uns lang und länger. Was man tun kann ist, sich mit dem Schatten zu versöhnen, d. h. ihn in die eigene Persönlichkeit zu integrieren. Wir sind und bleiben Sünder, weil der uns geschenkte Freie Wille theoretisch jeden Fehltritt und alle Untaten grundsätzlich ermöglicht. Akzeptieren heißt, mit ihm zu leben, und zwar aus der Vergebung, bei Bedarf jeden Tag, auch und vorallem mit dem Mitmenschen. Dann haben wir die bösen Verse und Texte auch in den Psalmen auf den Punkt gebracht. Im Gebet gibt es keine Tabuzonen, weil Gott sowieso alles weiß. Und als eine allesumfassende Wirklichkeit ist Gott in allen Dingen und alle Dinge in Gott. Er ist also auch in der Bibel, auch wenn Menschen die Psalmen gedichtet und die Überlieferungen des Glaubens durch ihre eigene Brille sehen. Gott will dass wir die Bibel auslegen. Es ist auch legitim, dass keine Überzeugung des Glaubens unlogisch und gegen die Vernunft gerichtet ist. Denn was wir nicht verstehen können, beispielsweise wie die Auferstehung funktioniert, werden wir erst im Himmel erfahren. Dabei sehen wir alle Wahrheit hier auf Erden wie in einem dunklen Spiegel und erst in Gottes Neuer Welt sehen wir klar.
“ – der würde vermutlich unmittelbar im Anschluss zu einem Gespräch mit Pastor oder Kirchenvorstand geladen werden.“
Das ist ein interessantes Bild von Gemeinde, das die da in Ewersbach haben …
Lieber Ulrich Wößner: Ich war 38 Jahre lang Kirchenvorsteher. Wir haben sicherlich viele Fehler gemacht wie alle Menschen und Gremien auf der Welt. Aber wir hatten nie den Anspruch und waren es auch nicht – nämlich die Inquisition.