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Thérèse von Lisieux: Glaubensvorbild trotz Glaubensverlust

Die Nonne Thérèse von Lisieux gilt als große Kirchenlehrerin, obwohl sie nur 24 Jahre alt wurde. „Allein die Liebe zählt“ war ihr Wahlspruch, doch eine schwere Krankheit stellte ihren Glauben auf die Probe.

Von Sabine Zöllner

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Wer ist Thérèse de Lisieux? Eine Kirchenlehrerin, Heilige, Reformerin der Mystik? Oder ein Mädchen, das kaum je über den Horizont des Klosters hinaussah und mit nur 24 Jahren an Tuberkulose starb? Sie hinterließ keine theologische Abhandlung und wird doch heute noch weltweit für ihre Erkenntnisse verehrt. Sie gilt als ein Glaubensvorbild, und sagte doch von sich auf dem Totenbett, dass sie den Glauben verloren hätte. Viele Christen finden Trost in ihren Gedichten und Gebeten, doch sie selbst sah sich als Schwester der Atheisten.

Thérèse der Lisieux ist für mich eine Frau der Gegensätze und vielleicht gerade deshalb ein Vorbild. Die kleine Thérèse wird sie oft genannt, um sie nicht mit der großen Teresa (von Ávila) zu verwechseln. Sie hätte diese Bezeichnung bestimmt gemocht. Denn sie selbst wollte einfach ein Kind Jesu sein – mehr nicht.

Mit 15 Jahren ins Kloster

Sie wird als jüngstes von neun Kindern geboren und verliert schon mit vier Jahren ihre Mutter. Die Familie zieht darauf nach Lisieux, wo auch ein Kloster der Karmeliterinnen ist. Thérèse erbittet sich die Sondererlaubnis, schon mit 15 Jahren eintreten zu dürfen und folgt damit ihren zwei älteren Schwestern Pauline und Marie. Hier lebt sie mit etwa 25 Frauen ein strenges Klosterleben, das von idealisierter Armut und wohl auch von Machtkämpfen geprägt ist, bei denen sie zwischen den Stühlen sitzt.

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In dieser Atmosphäre kommt die junge Novizin immer wieder an ihre Grenzen. Sie strebt nach Vollkommenheit, aber ihre Bemühungen kommen ihr zu gering vor. Sie ist überzeugt, dass Gott nur Wünsche in die Herzen gibt, die er auch erfüllen kann, also muss auch für schwache und kleine Menschen wie sie eine Möglichkeit bestehen, zur Heiligkeit zu gelangen!

Ihr Weg zur Heiligkeit

Für reiche Menschen gibt es Aufzüge – sechs Jahre vor ihrer Geburt wurden sie erstmalig in Europa auf der Pariser Weltausstellung präsentiert. Etwas, das sie nach „oben“ befördert, muss es doch auch für sie geben! Sie sucht in der Bibel und findet ihren „Aufzug“: „Auf der Hüfte werdet ihr getragen, auf Knien geschaukelt. Wie einen seine Mutter tröstet, so tröste ich euch“ (Jesaja 66,12-13). Wenn sie sich nur von Jesus tragen ließe, dann würde er sie zur Heiligkeit emporheben.

Thérèse will sich in den kleinen Dingen des Alltags von Gottes Liebe leiten lassen, nur von ihr alles erwarten. „Ohne die Hilfe Gottes Gutes zu tun, ist genauso unmöglich, wie bei Nacht die Sonne scheinen zu lassen.“ Sie beginnt sich über ihre Verfehlungen und Schwächen zu freuen, weil sie ihr zeigen, dass sie nur durch Jesus lieben kann. Als eine ältere Schwester sie tadelt, entgegnet sie lapidar, dass sie noch viel mehr Fehler hätte.

„Allein die Liebe zählt“ wird ihr Wahlspruch. Sie erträgt mit Geduld Kränkungen, Sticheleien und Demütigungen. Dazu zieht sie sich ins Gebet zurück, wo sie wie ein kleines Kind ihrem Vater die Bitten und Sehnsüchte vorträgt. „Wie groß ist die Macht des Gebets“, schreibt sie, „man könnte es eine Königin nennen, die zu jeder Zeit freien Zutritt zum König hat und alles, worum sie bittet, erhalten kann.“

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Harte Probe

Im April 1896 beginnt für Thérèse eine sehr schmerzhafte Krankheitszeit und ihr Glaube wird auf eine harte Probe gestellt. Die tiefe Freude, die sie zuvor immer wieder – auch gerade im Leid – von Gott geschenkt bekam, verlischt. Doch sie hält an Gott fest: „Lieber lässt er mich in der Finsternis, als dass er mir ein falsches Licht gäbe, das nicht er wäre.“ Hingabe bedeutet für sie, Gott zu erlauben alles machen zu dürfen; sie will trotzdem vertrauen.

Wie für ihre Zeit und Frömmigkeit üblich, hat Therese lange das Leiden idealisiert als etwas, das den Glauben stärkt und die Seele läutert, sogar eine Möglichkeit Freude zu finden. Schon bei ihrer Kommunion wünschte sie sich daher, Gott möge „alle weltlichen Tröstungen für mich in Bitternis“ verwandeln.

„Es ist sehr leicht, schöne Dinge über das Leiden zu schreiben. Aber Schreiben bedeutet nichts, gar nichts. Man muss es selbst durchmachen, um Bescheid zu wissen.“

Thérèse von Lisieux

In diesem letzten Lebensabschnitt fällt nun alles Romantische vom Leiden ab: „Es ist sehr leicht, schöne Dinge über das Leiden zu schreiben. Aber Schreiben bedeutet nichts, gar nichts. Man muss es selbst durchmachen, um Bescheid zu wissen.“ Jetzt, wo sie am stärksten nach Gottes Gegenwart verlangt, empfindet sie nichts mehr als eine tiefe Leere.

Früher hielt sie es kaum für möglich, dass es echte Atheisten geben könne, doch jetzt fühlt sie sich ihnen sehr nahe. „Wenn Sie wüssten, in welche Finsternis ich versunken bin. Ich glaube nicht mehr an das ewige Leben. Mir scheint, dass es nach diesem sterblichen Leben nichts mehr gibt. Alles ist für mich verschwunden“, sagt sie im Krankenbett. „Es bleibt mir nichts mehr als die Liebe.“ Sie möchte immer noch lieben und stirbt schließlich am 30. September 1897 mit den Worten „Oh, ich liebe ihn! … Mein Gott … ich liebe dich!“

Hat sie am Ende ihres Lebens ihren Glauben verloren? Oder hat sich die Liebe stärker erweisen als Hoffnung und Glaube, wie in 1. Korinther 13 beschrieben? Liebe muss sich im Alltag bewähren und zeigt im Elend ihre Tragkraft. Während die Kirche ihrer Zeit Atheisten und Zweifler als Gefahr sah und vor ihnen warnte, sie verhöhnte, liebte Thérèse auch sie, sah sich als ihre Schwester und trat für sie ein.

„Die Liebe kann ein langes Leben ersetzen. Jesus schaut nicht auf die Zeit; denn im Himmel gibt es keine mehr. Er schaut nur auf die Liebe.“

Thérèse von Lisieux

Ihr „kleiner Weg“ ist der Weg einer großen Liebe zu Gott und Menschen. Er kann nur gegangen werden, wenn wir aufhören, aus uns selbst etwas zu machen und Gott ganz vertrauen. Vielleicht hat sie es besser als wir alle verstanden, wie ein Kind zu werden.

Wäre Thérèse nicht ins Kloster eingetreten oder hätte man sofort die Behandlung der Tuberkulose begonnen, hätte sie älter werden können. Doch als ob sie geahnt hätte, dass ihr Leben nicht lang wird, schrieb sie einmal: „Die Liebe kann ein langes Leben ersetzen. Jesus schaut nicht auf die Zeit; denn im Himmel gibt es keine mehr. Er schaut nur auf die Liebe.“

Sabine Zöllner ist Theologin und an ME/CFS erkrankt.


Ausgabe 1/23

Dieser Artikel ist in der Zeitschrift andersLEBEN erschienen. AndersLEBEN ist Teil des SCM Bundes-Verlags, zu dem auch Jesus.de gehört.

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1 Kommentar

  1. Ein Ärgernis – Gott liebt immer und jeden

    „Es ist sehr leicht, schöne Dinge über das Leiden zu schreiben. Aber Schreiben bedeutet nichts, gar nichts. Man muss es selbst durchmachen, um Bescheid zu wissen!“ Dieses hier nicht lediglich poetisch formulierte Zitat von Thérèse von Lisieux kann allerdings zutiefst auch auf alle Menschen bezogen werden, die wirklich ganz tief unten in der Hölle leiden: Also in von Menschen oft geschaffenen Gottlosigkeiten. Etwa Ukrainekrieg, Syrien und der Türkei nach dem Erdbeben, bei den Ertrinkenden im Mittelmeer, die von Christen ausgegrenzten Menschen lediglich wegen einer nur anderen sexuellen Orientierung. Dazu bei den Verurteilten wegen Todesurteilen aufgrund von Banalitäten und/oder verbotener Liebe. Oder jenen Opfern aller Form von Rassismus, Antisemitismus. Auch die aus purer Lust an Gewalt sogar vom Leben bis in den Tod gequält werden. Oder heute in moderner Form von Sklaverei und/oder Erniedrigung, als sehr probates geldeinbringendes Geschäftsmodell. Wie sehr kann man Mitleid haben mit der armen Nonne, die schon mit 24 Jahren elend sterben musste und wie damals üblich, die ihr zugefügte Lieblosigkeit und/oder Erniedrigung auch noch glorifizieren und als christliche Leistung verbuchen durfte. Ein ganzes Leben nur hinter Klostermauern nicht frei sein zu können, lässt sich heute in keinerlei unserer Glaubenstraditionen auch nur annähernd tolerieren. Dann gibt es (auch bei uns nicht stets liebevollen Christen) die religiöse (eher seelische) Form von Gewalt. Von einzelnen Menschen oder Glaubensgruppierungen in eine extrem symbiotische (fast suchtartige) Beziehung genommen zu werden, ist zutiefst verachtenswürdig. Oft sind dies Psychosekten. Wir sollen hier nur jesusgemäß liebevoll interagieren.
    Christenmenschen dürfen immer die freiesten Menschen im Universum sein – aber gleichzeitig so jederman ein Diener. Thérèse hat da recht, dass Glaube „NUR“!) Liebe ist: Letztlich die Liebe Gottes zu uns. Wer will denn als gerne auch liebender Mensch sich nicht vorstellen wollen, dass am Ende Gott uns alle auch sehr herzlich umarmt und wir so, im Licht der Liebe eines Vaters im Himmel, gar nicht anders mehr entscheiden können als nur für den Neuen Himmel und die Neue Erde. Es ist mir durchaus aber oft auch (nachvollziehbar) schwer vorstellbar, wenn da sogar solche absoluten Antichristen wie Hitler und Stalin und alle ihre kleinen Rädchen im Getriebe (letztere waren allerdings sehr viele) auch noch eine zweite Chance haben. Etwa wie Saulus bei seinem Schäumen gegen die Urchristenheit, ein (nicht doch nur potentieller??) Verfolger und Massenmörder. Allerdings später als Paulus, nachdem er vor Damaskus hier vorher Jesus begegnete und sogleich einer der größte Apostel der Weltgeschichte wurde: Gottes Gerechtigkeit gebärt sich umso höher als unsere aus, und daher jedenfalls regelmäßig menschlichen Ärger auslöst. Wir denken ja in den Kategorien: „So ich Gott – so er uns“! Wie sollte Thérèse da aber ihr himmlischer Vater nicht umarmen? Sie hatte doch ihren Glauben gerade wegen ihrem Leiden an ihrer Krankheit und dem Kloster verloren. Da denke ich auch an die vielen Menschen, die ihren jüdischen oder christlichen Glauben an einen liebenden Gott im Konzentrationslager verlustig gingen. Oder ebenso in Stalingrad im Krieg. Ich habe Leute gekannt, die früher sehr fromm waren (da kannte ich sie noch nicht) und bis in ihre sehr alten Tage nie mehr eine Kirche von innen erlebt haben. Dies gibt zu denken, weil unsere menschliche Hoffnung auf Gott immer leider begrenzt und auch egoistisch ist. Umso mehr bin ich aber davon überzeugt, dass Gott auch deren Tränen in der Neuen Schöpfung sehr liebevoll abwischen wird. Was ganz anderes würden wir ja auch von unseren unvollkommenen irdischen Eltern ebenso nicht erwarten wollen. Jesus gebot 70×7 zu vergeben, also immer. Sollte Gott dahinter zurück stehen? Dies kann ich nun absolut nicht glauben. Eher bin ich geneigt, auch wenn dies arg spekulativ ist, dass zukünftig im Himmel alle auf Erden ganz unten als die armen menschliche Kanalarbeiter, also in Rang und Würde der untersten Hierarchiekaste, ganz groß sein werden. Nicht groß an Macht, sondern in dem Besitz an Liebe und Geborgenheit. Diese Währungseinheit gibt es nur dort im neuen Paradies. Sagt Jesus doch „ich nicht gekommen um zu richten, sondern um zu erlösen“! Ich freue mich über jeden der wirklich Christ ist. Aber das falsche Bild eines kleinen Bootes, auf dem vermerkt ist „Christen“, fährt alleine nur in Richtung Himmel .In allen anderen Booten und Ozeandampfern sitzen nur künftige Höllenbewohner. Schlimme Gedanken.

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