Wie wird aus theoretischem Wissen gelebter Glaube? Ein wichtiger Tipp: von reifen Christen lernen.
Von Pfarrer Steffen Tiemann
Neulich erzählte mir eine Frau, die an einem Glaubenskurs unserer Gemeinde teilgenommen hatte: „Ich habe in den Wochen des Kurses meinen Glauben neu gefunden. Gott ist mir spürbar nahe gekommen. Mein Leben ist viel intensiver geworden; meine Begegnungen mit anderen Menschen so viel dichter. Meine Wahrnehmung ist anders geworden. Ich staune, wie viel sich verändert hat.“
Viele Menschen machen diese Erfahrung, wenn Gott in ihr Leben tritt. Es kommt zu einem Veränderungsschub. Sie bekommen einen neuen Blick auf die Welt, fangen an zu beten, entwickeln neue Verhaltensweisen und legen das eine oder andere Laster ab. Paulus hat es einmal so auf den Punkt gebracht: „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur. Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden!“ (2. Korinther 5,17).
Viele Menschen erleben allerdings auch, dass dieser Veränderungsprozess nach einiger Zeit an Dynamik verliert. Ihr Christenleben beginnt allmählich zu erstarren. Das Gebet wird zur Routine, der Gottesdienstbesuch zur Pflicht und manche Laster bleiben einem erhalten. Man hört Predigten, diskutiert im Hauskreis über Bibeltexte und denkt: „Eigentlich müsste man …“, „Eigentlich sollte ich …“. Doch es bleibt beim Konjunktiv. Informationen und Appelle erreichen wohl noch das Gehirn, aber verändern nicht
das Alltagsverhalten.
Veränderung kostet Energie
Psychologisch betrachtet ist das verständlich. Wir können uns nicht permanent verändern. Veränderung kostet Energie. Die haben wir nur begrenzt. Es ist daher viel bequemer, wenn alles bleibt, wie es ist. Und warum sollen wir uns Stress machen? Schließlich leben wir als Christen von der Gnade und nicht von unseren frommen Leistungen!
Andererseits macht uns das Neue Testament deutlich, dass Christsein Nachfolge bedeutet. Jesus hat uns nicht aufgefordert, ein paar neue religiöse Regeln zu beachten, sondern auf ihn als unseren Herrn und Meister zu hören. Christsein ist ein lebenslanger Lernprozess. Dabei geht es nicht um Selbstoptimierung. Der Auferstandene will mit uns und in uns wirken, damit seine Liebe mehr und mehr unser Leben prägt und sich unsere schöpfungsgemäße Identität entfalten kann.
Mich beschäftigt seit Jahren die Frage: Wie kann das Realität werden? Wie greift der Glaube ins Leben – und das nicht nur am Anfang des Glaubensweges? Wie kommt eine biblische Einsicht in die Hände und Füße, statt in irgendwelchen Gehirnwindungen stecken zu bleiben? Was ist auf unserer menschlichen Ebene nötig, damit aus dem Eigentlich ein Wirklich wird?
Der Weg vom Wissen zum Tun
Mir scheint, dass wir im evangelischen Bereich unsere Erwartung zu einseitig auf den Intellekt setzen. In Gemeinden wird emsig gepredigt, gelehrt und diskutiert. Dahinter steht die Annahme: Wenn Menschen verstehen, was richtig und gut ist, dann werden sie es auch tun. Wenn sie nur wissen, dass Beten eine gute Sache ist, dann werden sie schon damit anfangen. Und so klären wir in unseren Gottesdiensten auf, vermitteln Erkenntnisse, bieten Argumente, verbinden das mit kräftigen Appellen und hoffen so auf Veränderung.
Doch das ist naiv. Jeder von uns weiß ja aus eigener Erfahrung: Der Weg vom Wissen zum Tun ist deutlich komplexer. Ich will damit das Predigen und Lehren nicht abwerten. Es ist wesentlich für Veränderungsprozesse. Aber Information allein führt nicht zur Transformation. Es braucht andere Wege, die hinzukommen müssen.
In den letzten Jahren habe ich intensiv daran gearbeitet herauszufinden, welche anderen Faktoren eine Rolle spielen. Es gibt, so glaube ich, sieben solcher Faktoren; sieben Pfade, auf denen sich unser Leben wandelt. Man findet diese sieben Pfade schon in der Bibel. Sie haben sich in der Geschichte der Kirche bewährt. Und sie werden durch die aktuellen Forschungen in den Humanwissenschaften bestätigt. Einen dieser sieben Pfade möchte ich gleich beispielhaft vorstellen. Ich will aber jetzt schon betonen, dass der eigentliche Clou in der Verbindung dieser sieben Pfade besteht. Je mehr Faktoren wir miteinander kombinieren, umso größer wird das Veränderungspotenzial.
Der Pfad der Imitation
Erinnert ihr euch noch, wie ihr das Tanzen gelernt habt? Bei mir geschah das erst spät; genau genommen in der Woche vor unserer Hochzeit. Dort sollten meine Frau und ich ja vor allen Gästen einen Tanz hinlegen. Für meine Frau kein Problem. Sie konnte das. Ich hatte dagegen nie einen Tanzkurs besucht. Also verabredeten wir uns mit einem befreundeten Paar, die gerne tanzten. In ihrem Wohnzimmer räumten sie Sessel und Teppich beiseite, legten eine Platte auf und machten uns vor, wie man einen Walzer tanzt. Wir schauten zu, beobachteten sie, und dann machten wir es nach. Ich war erst staksig und unsicher, doch allmählich fanden die Beine in den Rhythmus hinein, die Bewegungen wurden flüssiger und auf einmal tanzten wir Walzer und hatten sogar Spaß dabei! Vermutlich hat auch euer Tanzlehrer euch nicht mit Theorie malträtiert. Ihr musstet nichts auswendig lernen und keinen Test schreiben. Sondern da gab es Menschen, die euch etwas vorgemacht haben, das ihr dann nachgemacht habt.
Mit dem Christsein ist es wie mit dem Tanzen. Wenn ihr einmal zurückdenkt, was euer Christenleben am stärksten geprägt hat, so waren es vermutlich nicht Bücher oder Vorträge, sondern leibhaftige Menschen, die euch etwas vorgelebt haben: die Eltern, der Jugendkreisleiter, die Pfarrerin oder ein guter Freund. An ihnen konntet ihr sehen, wie ihr euer praktisches Christenleben gestalten könnt. Es waren Menschen, die euch ein Modell gegeben haben, das ihr imitieren konntet.
Bitte nachmachen
Auf diese Weise hat auch Jesus seine Jünger geprägt. Er rief sie in seine Nachfolge, damit sie in seiner Nähe sind und ihn beobachten. Er gab ihnen ein Modell, das sie nachahmen konnten. Ausdrücklich machte er das am Abend vor seiner Verhaftung. Der Evangelist Johannes berichtet davon: Nach dem Abendessen stand Jesus auf, legte sein Gewand ab und band sich eine Schürze um. Dann fing er an, seinen Jüngern die Füße zu waschen, so wie es damals Sklaven für ihre Herren taten. Die Jünger waren sprachlos vor Staunen. Es war eine Erfahrung, die sie ihr Leben lang nicht vergessen würden. Jesus selbst unterstreicht dann, dass diese Aktion Modellcharakter hatte: „Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe.“ (Johannes 13,15) Jesus wusste: Wir Menschen lernen am besten durch Anschauung und Nachahmung.
Der Apostel Paulus teilte diese Überzeugung. Er hielt seinen Gemeinden nicht nur theologische Vorträge, sondern stellte sich selbst als Modell dar, das sie nachahmen sollten. So fordert er die Christen in Korinth auf: „Folgt meinem Beispiel wie ich dem Beispiel Christi!“ (1.Korinther 11,1) Wörtlich heißt es: „Werdet meine Nachahmer!“ Das griechische Wort für Nachahmer heißt Mimetes. Was schon der Apostel wusste, ist auch heute in der Lernpsychologie Konsens: Wir Menschen lernen nicht primär durch abstrakte Informationen, sondern durch lebendige Anschauung und Imitation. Man nennt diese Form des Lernens auch mimetisches Lernen.
Das gilt natürlich ganz besonders für die frühe Kindheit. Die Mutter lächelt das Baby an und es lächelt zurück. Das Kind sieht den größeren Bruder Hausaufgaben machen und fängt an, auf einem Blatt Papier Kringel zu malen. Das mimetische Lernen ist aber nicht auf die Kindheit beschränkt. Es bleibt ein wesentlicher Lernweg, vor allem da, wo es um das Erlernen von neuem Verhalten geht. Wir sahen es schon beim Tanzen. Niemand lernt es durch gedruckte Anleitungen, sondern durch lebendige Menschen, die es uns vormachen. Denn wir sehen an ihrem Beispiel hochkomplexe Bewegungsabläufe und Dynamiken, die wir unmöglich rein theoretisch vermitteln könnten. Dasselbe gilt für Skifahren, Kuchenbacken und Tapezieren: Komplexe Handlungen lernen wir am besten durch Anschauung und Imitation.
Vorbilder im Glauben
Beim christlichen Glauben geht es um eine Lebensweise, die das ganze Dasein in allen Bereichen und mit vielen komplexen Verhaltensmustern umfasst. Wir lernen sie nicht durch theoretische Beschreibungen, sondern indem wir andere, reifere Christen anschauen. An ihnen sehen wir, wie man beten kann und in der Bibel forscht, wie man mit anderen Menschen über den Glauben ins Gespräch kommt oder Mitgefühl ausdrückt, wie man mit Geld umgeht oder die Schöpfung pflegt. Und so ahmen wir dann ihr Vorbild nach. Das gilt ganz besonders für die ersten Schritte, die wir im Glauben gehen, aber auch für alle neuen Stufen, die wir betreten.
Ich hatte als Sechzehnjähriger die Entscheidung getroffen, Jesus nachzufolgen. Eine wichtige Rolle spielte dabei eine Familie, die bei uns im Ort lebte und deren Kinder in meine Schule gingen. In dieser Familie lernte ich, wie ein Leben in der Jüngerschaft bei Jesus aussehen kann. Ich war oft bei ihnen zu Besuch. Das Haus stand Gästen immer offen. Es wurde viel geredet, gegessen und getrunken und abgewaschen. Ich konnte beobachten, wie sie sich verhielten, wie sie mit mir und miteinander umgingen, wie sie beteten und planten, wie sie Obdachlose an der Tür behandelten und über die Nachbarn sprachen und wie in allem Gott die Mitte war. Dabei waren sie alles andere als perfekt. Vier pubertierende Kinder, ein cholerischer Vater, ständig Gäste, ein großes Haus, das dauernd Arbeit machte – es gab häufig Spannungen und Streit. Doch die Liebe zu Gott und der Wunsch, ihm zu dienen, waren echt. Das spürte man. Und so, mit unverhüllten Fehlern und echter Liebe haben sie mir ein anschauliches Modell von christlichem Leben gegeben, für das ich zutiefst dankbar bin.
Wenn wir im Glauben weiterkommen wollen, dann brauchen wir Vorbilder, die uns ein Modell geben, an denen wir ein neues Verhalten sehen und die wir – kritisch-reflektiert – imitieren können. Was könnte das praktisch bedeuten? Überlegt doch mal: Gibt es in dem Bereich eures Glaubens, in dem ihr gerne weiterkommen wollt, jemanden, der euch ein Vorbild sein könnte? Das muss kein perfekter Christ sein (den es ohnehin nicht gibt), sondern einfach eine Person, die euch in diesem Bereich zwei, drei Schritte voraus ist. Sprecht doch diese Person an und sagt ihr: „Ich würde gerne in diesem Lebensbereich von dir lernen! Können wir uns ab und an treffen?“
Wie kommt der Glaube ins Leben? Das ist nichts Triviales, und es gibt keine schnellen Tricks. Aber es gibt Pfade, auf denen wir – mit Geduld und Gebet – erleben können, wie Jesus allmählich unser Leben prägt. Vorbilder zu haben und sie nachzuahmen ist einer davon.
Steffen Tiemann ist Pfarrer der evangelischen Auferstehungskirche in Bonn. In seinem Buch „Die sieben Pfade zur Veränderung“ erläutert er, wie Gott verändernd ins Leben hineinwirken kann. Treffen und befragen könnt ihr Steffen Tiemann beim AUFATMEN-Seminar im September auf dem Dünenhof.
Dieser Artikel stammt aus der Zeitschrift AUFATMEN. AUFATMEN erscheint im SCM Bundes-Verlag, zu dem auch Jesus.de gehört.
Die Welt ist bedroht von drei Plagen, drei Plagen.
Die erste – die Pest des Nationalismus.
Die zweite ist die Pest des Rassismus
Die dritte ist die Plage des religiösen Fundamentalismus.
Diese drei Plagen haben dieselbe Eigenschaft, einen gemeinsamen Nenner – sie ist aggressiv, allmächtig, total irrational.
Man kann keinen Verstand erreichen, der von einer dieser Plagen besiegt wurde. In so einem Kopf brennt ein heiliger Haufen, der nur noch auf Opfer wartet. Jeder Versuch, eine friedliche Unterhaltung zu führen, wird vergeblich sein. Er redet nicht von, er spricht von Erklärungen. Damit Sie ihn angreifen konnten, gab er recht zu, unterschrieb den Zugang. Sonst bist du in seinen Augen nicht wichtig, du existierst nicht, denn du bist nur ein Werkzeug, als Instrument, als Waffe. Es gibt keine Menschen – es gibt einen Fall.
/Richard Kapuscin
Zu welche Überzeugungen stehen Sie?
Lieber Gerhard Jeske: Ich vermag ihre radikale Kritik nicht zu verstehen, auch wenn ich den hier erwähnten Richard Kapuscin nicht kenne. Ich mag auf den Text vom lieben Pfarrer Tiermann hier nicht im Einzelnen eingehen. Ich könnte auch da einige Gedanken kritisieren, die er oben äußert. Allerdings würde ich einen Menschen niemals mit Begriffsformulierungen unter dem Oberbegriff PEST als nationalistisch oder rassistisch oder gar die eines religiösen Fundamentalismus zuordnen. Strafbar ist dieses PEST-Ettikett wahrscheinlich gerade noch nicht, aber es ist auf der selben Ebene menschlicher Verachtung wie jemand für dumm, faul oder dämlich zu halten. Dies wird als eine freien Meinungsäußerung nach Auffassung des BVG (als Gräuelkritik) immer noch gerade so als rechtskonform aufgefasst. Ich halte diese Formulierungen sehr nahe an der Grenze auch einer hier unter jesus.de geltenden Regelverletzung eines anständigen Umganges mit Hass und Hetze. Damit sagen sie auch zumindest indirekt, Herr Tiermann sei aggressiv, allmächtig und total irrational. Man könne seinen Verstand nicht erreichen, der von diesen Plagen besiegt würde. Und auch jeder Versiuch, eine friedliche Unterhaltung mit ihm zu führen, würde vergeblich sein. Und für ihn wären Menschen nur ein Werkzeug, oder ein Instrument, und nur eine Waffe. Dann gibt es also nach Richard Kapuscin nur einen Fall. Aber wer immer Kapscin ist, oder Gerhard Jeske, wer gibt grundsätzlich oder bezogen auf Personen jemand das Recht, so über andere zu reden, auch wenn es unwahrscheinlich ist dasa dies so stimmt. Das Einzige was Sie entlastet, ist die völlige Übertreibung und Unwahrscheinlichkei,t aus einer christlich konfessionallen Prägung und denkbaren Gefühlsaufwallung solche Umenschlichkeiten abzuleiten. Gefühlsaufwallungen gibt es überall, beim Fußballspiel im Stadion, bei unerquicklichen Diskussionen, bei Streit von Liebenden und sich dann Hassenden, oder bei den schlimmen Dingen in aller Welt. Aber auch bei Menschen die überglücklich sind. Das soll bei frommen Leuten vorkommen, wie bei denen die im Lotto gewinnen. Die Frage ist, wer den Psychiater eher braucht. Ich, Sie oder Herr Jeske und vorallem ein mir völlig unbekanntzer Richard Kapuscin.Statt mit mir und allen guten Menschen gegen Hass und Hetze im Netz zu kämpfen, schütten sie ein wenig von Hass und Hetze ins Getriebe sozialer Netzwerke, die einen friedlichen Diskurs versucht in Richtung jener Fragen, welchen Sinn das Leben überhaupt hat. Vor allem in dieser Form mit der Methode „von hinten durchs Auge geschossen“ und vielleicht merkt es ja niemand mit Verstand. (Ich teile gerne Artikel und Kommentare, will auf dieses Mal lieber bei Faicebook darauf verzichten).