Dies ist sicher der bekannteste Choral von Nikolaus von Zinzendorf. In seiner heutigen Form wurde er erst nach seinem Tod zusammengestellt.
- Jesus, geh voran
auf der Lebensbahn!
Und wir wollen nicht verweilen,
dir getreulich nachzueilen;
führ uns an der Hand
bis ins Vaterland. - Soll’s uns hart ergehn,
lass uns feste stehn
und auch in den schwersten Tagen
niemals über Lasten klagen;
denn durch Trübsal hier
geht der Weg zu dir. - Rühret eigner Schmerz
irgend unser Herz,
kümmert uns ein fremdes Leiden,
o so gib Geduld zu beiden;
richte unsern Sinn
auf das Ende hin. - Ordne unsern Gang,
Jesu, lebenslang.
Führst du uns durch rauhe Wege,
gib uns auch die nöt’ge Pflege;
tu uns nach dem Lauf
deine Türe auf.
Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf, Christian Gregor
Aus einem Ich-Lied wird ein Wir-Lied
Die täglichen Losungen sind für viele Christen lebenslange Begleiter. Nach zwei Bibelworten folgt ein dritter Text, zumeist eine einzelne Liedstrophe, die den biblischen Inhalt aufgreift. Dieser Zusammenklang erinnert an eine alte Tradition der Herrnhuter Brüdergemeine, die „Singstunde“. Da werden – gut vorbereitet – viele einzelne Strophen verschiedener Lieder nacheinander gesungen, in dieser wöchentlichen – wie sie heute heißt – „Gebets-Singstunde“.
Das Lied „Jesu geh voran“ knüpft in gewisser Weise daran an. Denn die vier uns vertrauten Strophen sind 1778 aus zwei anderen Liedern übernommen und überarbeitet worden. Das eine heißt „Glanz der Ewigkeit“. Die Verse der vierten Strophe stammen dagegen aus Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorfs Seelenbräutigam-Lied. Aus einem Ich-Lied mit erkennbarem Bezug auf die aktuelle Lebenssituation des Verfassers wurde ein gemeinschaftliches Wir-Lied. Die beiden Originaltexte umfassen insgesamt 21 (!) Strophen.
Jesus weiß, „wo’s lang geht“
Beide Lieder entstanden 1721. Da war deren Verfasser, Nikolaus Ludwig Graf von Zinzendorf, gerade volljährig geworden und sah durch nun anstehende Berufspflichten Probleme vor sich. Aber er wusste, an wen man sich in einer solchen Situation wenden kann und sollte: an den Herrn Jesus Christus! Denn Jesus weiß, auf welchem Weg wir uns befinden und – salopp gesagt – „wo‘s lang geht“. Also ist es wichtig, ihm voller Vertrauen zu folgen!
Alle vier Strophen von „Jesu geh voran“ sind Gebete für bestimmte Situationen des Lebens, persönliche und gemeinschaftliche Probleme eingeschlossen! Doch bis zuletzt und in Ewigkeit wird Jesus unser Leiter und Begleiter bleiben. Er ist es ja, der uns zuliebe schwere Tage, Schmerz und bitteres Leid erduldet hat.
Zinzendorf hat offensichtlich viele ermutigende und tröstende Bibelworte verinnerlicht, so kantig oder gar „lästig“ manche Formulierungen auch erscheinen. Ja, „Gott legt uns eine Last auf, aber er hilft uns auch“ (Psalm 68,20). Oder, um Jesus zu Wort kommen zu lassen: „Mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht“ (Matthäus 11,20).
Warum für Trauungen ausgewählt?
Wenn man sich in alle vier Strophen singend und betend vertieft hat, wundert man sich ein wenig darüber, dass das Lied „Jesu geh voran“ im volkskirchlichen Milieu häufig für Trauungen ausgewählt wird. Das dürfte auf die erste Strophe zurückgehen. Aber die danach? Hat das Brautpaar vor allem Probleme im Blick? Wie auch immer: Um die lebenslang nötige und stets hilfreiche Begleitung durch Jesus zu bitten, ist auch bei einer solchen Gelegenheit nicht fehl am Platze …
Zu guter Letzt eine kleine Episode! Vor einiger Zeit reisten wir von einer Konferenz zurück. Am Bahnhof erschien in letzter Minute am Gleis der Hinweis: „Geänderte Wagenreihung“. Im Kopf gerade mit diesem Lied beschäftigt, dachte ich prompt an dessen – gegenüber den Originaltexten – „geänderte Strophenreihung“. Zu Hause schaute ich mir die fehlenden Verse an. Und just einer beginnt so: „Hilf uns dahinan/ Auf der Bundesbahn!“ Wir sind trotz der Hektik am Bahnhof gut zu Hause angekommen.
Hallo!
Warum nur die „Sparversion“? Wo sind die Strophen 5 – 21?
Gruß,
Peter