Zur Einführung schreibt der Autor: „Ich möchte ehrlich zu ihnen sein und ihnen sagen, was sie in diesem Buch nicht finden werden: Ich werde nicht das gesamte Matthäusevangelium Wort für Wort erklären. Stattdessen werden wir in die Schuhe des Autors, Matthäus, hineinschlüpfen. Wir werden untersuchen, warum er so geschrieben hat, wie er geschrieben hat. Welche Gedanken aus jüdischem Wissen, hebräischer Exegese und Hermeneutik ihn beim Schreiben beeinflusst haben.“
„Das Matthäusevangelium aus jüdischer Sicht“ ist in vier Bereiche aufgeteilt. Im ersten Teil macht Uschomirski deutlich, warum Matthäus seiner Meinung nach dieses Evangelium geschrieben hat: Vieles deute darauf hin, dass es speziell an seine jüdischen Landsleute gerichtet war. Dies ginge aus dem Kontext, in dem er geschrieben hat, und den Besonderheiten und verborgenen Schätzen des Evangeliums und dem Stammbaum von Jesus hervor. Das Matthäusevangelium enthält einige Punkte, die beispielsweise im Markusevangelium gar nicht erwähnt werden, da die Zielgruppe eher aus dem heidnischen Bereich kam.
Der zweite Teil des Buches widmet sich der Geburt von Jesus, seiner Taufe und der Versuchung. In diesen Kapiteln stellt Matthäus den Lesern Jesus immer wieder als Messias vor und belegt damit seine Autorität. Teil drei beschäftigt sich mit der Lehre und den Taten des Messias. Im vierten geht es um Nachfolge damals und heute.
Beispielhaft nenne ich zwei Punkte, die mich beim Lesen sehr erstaunt haben. Ich war überrascht über die vielen Verknüpfungen der Seligpreisungen mit dem Tenach, dem alten Testament. Erst die Einblicke in die jüdische Tradition helfen uns, die Bergpredigt aus jüdischer Sicht zu betrachten oder besser, tiefgründiger zu verstehen. Unabhängig davon aber stellt sich die Frage: Warum stehen die Seligpreisungen bei Matthäus gerade an dieser Stelle, am Anfang seiner Lehre? Jesus erklärt damit, wie man sein Jünger werden kann. Damit wussten die Jünger Bescheid und konnten sich entscheiden, ob sie unter diesen Bedingungen seine Nachfolger werden wollten. So hatte ich das bisher noch nie gelesen oder auch nur gehört.
Ein weiterer Aha-Effekt drehte sich um die Frage: Wieso hat Johannes der Täufer plötzlich diese Unsicherheit auf Jesus bezogen entwickelt, als er danach fragte, ob er der sei, für den ihn alle halten? Er hatte Jesus doch selbst bei seiner Taufe als Gottes Sohn erkannt. Laut Uschomirski wussten die Juden gemäß Jesaja 61,1, dass der Messias die Gefangenen befreit – aber Johannes der Täufer saß im Gefängnis.
Beim Lesen dieses Buches ist mir bewusst geworden, dass wir uns gar nicht genug Wissen über geschichtlichen Kontext, außerbiblische Quellen und jüdisches Insiderwissen aneignen können, um Jesus und seine Worte zu verstehen und richtig einzuordnen.
Zum Abschluss schreibt der Autor: „Vor allem wollte ich die Person Jesus aus jüdischer Perspektive zeigen, so wie ihn sein Jünger Matthäus gesehen hat.“ Diese Tatsache sollten wir auch nicht aus den Augen verlieren: Jesus war Jude. Er hat wie ein Jude gelebt und gedacht. Und so begegnen wir gerade im Matthäusevangelium dieser Verbindung zwischen der hebräischen Bibel und dem Wirken Jesus.
Von Ingrid Bendel