Bereits beim Prolog komme ich ins Nachdenken. Als Mensch, der vom Weltkrieg in Deutschland nur aus der Großeltern-Perspektive gehört hat, berühren mich die kurzen Zitate von Menschen, die Flucht und Vertreibung in unseren Breitengraden erlebt haben. Gerhard Trabert ist Arzt, Professor für Sozialmedizin und Buchautor. Er setzt sich leidenschaftlich für Geflüchtete ein und will ihnen eine Stimme verleihen, denn persönliche Geschichten und Gesichter machen das nur schwer greifbare Bild von Flüchtlingen, wie es oft in den Nachrichten dargestellt wird, sichtbar und verstehbar. Von 18 verschiedenen Hilfseinsätzen, von Haiti über Angola und Benin bis Indien und Bangladesch, erzählt der Autor exemplarisch von Leben und Leiden der Menschen.
Mir hat das Buch den Blick dafür geöffnet, dass Flucht nicht immer nur durch (Bürger-)Kriege, sondern auch durch Naturkastastrophen, Umweltverschmutzung, Armut, Zwangsheirat oder Prostitution bedingt sein kann.
Spannend ist auch das letzte „Einsatz“-Kapitel über die Arbeit in Deutschland und wie der vom Autor selbst gegründete Verein „Armut und Gesundheit“ mit Arztmobil, viel Engagement und Zeit für Hilfsbedürftige einsetzt.
Was mir im Buch klar fehlt: die christliche Perspektive auf das Thema. Der Autor ist, wie im Internet zu lesen ist, selbst Christ. Da wäre es naheliegend gewesen (noch) mehr über seine persönliche Motivation und die theologische Dimension des Themas zu erfahren. Dass Themen wie Gebet oder Einladung von Geflüchteten zu Gemeindeveranstaltungen gar nicht erwähnt werden, hat mich irritiert. Der Adeo-Verlag ist bekannt für seine gesellschaftlich relevanten thematischen Bücher, die den Glauben nicht in den Vordergrund stellen. Hier ist er allerdings – für meinen Geschmack – zu stark in den Hintergrund geraten.
Von Andreas Schmierer