Der Schriftsteller und Kabarettist Hanns Dieter Hüsch, geboren 1925, gestorben 2005, wäre in diesem Jahr 100 Jahre alt geworden. Zu diesem Anlass ist ein Buch mit einigen seiner Texte – Psalmen, Gebete, geistliche Gedanken – erschienen, herausgegeben von Okko Herlyn, emeritierter Theologieprofessor, selbst Kabarettist und von Publik-Forum als „begnadeter Nachfahre des großen Hanns Dieter Hüsch“ gefeiert.
„Ein Glück, dass es den Himmel gibt“, lautet der Titel des Buches. Nach den ersten Zeilen war mir klar: Jede Schnelllesetechnik wäre hier unpassend, ich werde jede Zeile lesen – so ansprechend der Inhalt, so schön die Sprache!
„Ach, Hanns Dieter, der alte Verräter“, sagt Franz Josef Degenhardt im Gespräch mit Okko Herlyn. Wieso Verräter? Die Frage wird im ersten Kapitel über das „theologische Vermächtnis des Hanns Dieter Hüsch“ beantwortet. „Degenhardts Äußerung reiht sich in eine bis heute nicht klein zu kriegende Hanns-Dieter-Hüsch-Legende ein. Sie besagt, dass der ehedem so politische und kritische Kabarettist auf seine alten Tage noch fromm geworden sei“ (8).
Dieser Legende stellt Herlyn entgegen, dass schon früh in Hüschs Texten „eine gewisse Sympathie mit der christlichen Botschaft“ zu finden ist, die dann allerdings etwa seit Mitte der 80er Jahre immer deutlicher hervortritt. Aber auch in seinen „frömmsten Äußerungen“ bleibt Hüsch der gesellschaftlich Kritische, der politische Engagierte, der überaus Wache“. „So wenig wie der frühe Hüsch sein Christsein grundsätzlich nie verleugnet hat, so wenig muss man beim späten Hüsch die kritischen Töne vermissen“ (9).
Den „lieben Gott“, so Herlyn, trifft man bei Hüsch vor allem bei den sogenannten kleinen Leuten, bei den Zukurzgekommenen und Spurenlosen, bei den Geknickten und Gekränkten, bei den Suchenden und Verrückten. „Ich möchte mir den lieben Gott wirklich wie einen vorstellen, der plötzlich in Dinslaken in einem Stehbistro steht und da seinen Espresso trinkt.“ (11). Theologische Korrektheiten oder konfessionelle Unterschiede haben für Hüsch keine Bedeutung. Als Vertreter einer anderen „Szene“ nimmt er immer wieder andere Seiten Gottes wahr: seine wohlwollende Musikalität, seine Leichtigkeit und vor allem Liebe, Hoffnung und Geduld, „seine alte Krankheit, alle Menschen gleich zu lieben“ (12). Als theologisches Vermächtnis Hüschs sieht Herlyn „die freundliche Einladung, Glauben und Humor um Gottes Willen beieinander zu halten“ (12). Der Glaube ist nämlich eine Frucht des Evangeliums, der frohen Botschaft.
Die Hüsch-Texte selbst nehmen den größten Raum des Buches ein. In 7 Kapiteln finden sich Psalmen, Gebete und geistliche Gedanken. Den einzelnen Kapiteln sind jeweils Hüsch-Zitate vorangestellt:
- Ich bin vergnügt, erlöst, befreit
- Gott sitzt in einem Kirschenbaum
- Jesus kommt, schmück dein Gesicht
- Ich setze auf die Liebe
- Auf unserem langen Weg zu unserer Menschwerdung
- Frieden fängt beim Frühstück an
- Ein Glück, dass es den Himmel gibt
In einem persönlichen Nachwort erzählt Herlyn von seiner ersten Begegnung mit Hanns Dieter Hüsch – zunächst im Winter 1969 als Student im Jungen Theater in Göttingen: „Die feinen Beobachtungen des Alltags, die treffsichere, jedoch nie verletzende Ironie, die unerschrockene Haltung gegenüber jedwedem offenen oder verborgenen Faschismus und nicht zuletzt die alles wärmende Menschenfreundlichkeit – all das hat mein Herz erobert“ (103). An diesem Abend nistet sich ein Traum in Okko Herlyn ein: „Einmal mit Hanns Dieter Hüsch auf der Bühne stehen!“ (103). Der Traum geht in Erfüllung – am 20. September 1999 in der Mercatorhalle in Duisburg.
Von Otto Imhof