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Bin ich dafür nicht zu alt?


Out of the Box – Weil wir wunderbar gemacht sind

Die zweiwöchentliche Kolumne von Tom Laengner


Was ist für mich im Alter noch drin, fragt sich Tom Laengner. Definitiv mehr, als auf den Tod zu warten – auch wenn er sich nicht mit Clint Eastwood vergleichen will.

Älter zu werden kann eine wunderbare Sache sein! Eigentlich. Ein Freund sagte mal: “Wenn du über 60 bist und ohne Schmerzen aufwachst; dann bist du tot.“ Ich frage mich schon länger, wie lange ich noch habe. Keine vierzig Jahre war ich alt, da sagte ein Arzt zu mir: „Wenn Sie morgen tot umfallen, würde mich das nicht wundern!“ Nun konnte ich es mir aber nicht leisten, von da an jeden Tag auf den Tod zu warten. Also lebte ich weiter. Kurz später war ich tatsächlich 40 und dann sogar noch älter. Und ich fragte mich eines Tages, was die Leute sagen werden, wenn ich 75 bin? Sagen sie: „Guck dir mal den alten Mann an. Der will cool aussehen“. Sehr lahm! Freuen würde mich sowas in dieser Art: „Schau mal, da kommt ein cooler alter Mann“. Ist noch was drin, wenn ich so alt werde, dass ich mich selber als alt bezeichne?

Ich bin nicht Clint Eastwood

Clint Eastwood spielte mit 91 die Hauptrolle in dem US-amerikanischen Film ‚The Mule‘. Das war für ihn noch drin. Ich bin nicht Eastwood und mich beschleicht das Gefühl, dass der einzige Oscar, den ich bekomme, vielleicht ein Enkelsohn gleichen Namens sein könnte. Allerdings enthebt mich das nicht der Aufgabe, die Frage für mich zu beantworten: Was ist noch drin?

93 Jahre alt ist Stéphane Frédéric Hessel, als er sein Essay ‚Empört Euch‘ schreibt. Der Diplomat und politische Aktivist setze sich darin mit dem Neoliberalismus und der Macht der Banken auseinander. Bis zu seinem Tode wurde das Buch 4,5 Millionen Mal in 35 Sprachen verkauft. Wer will wissen, was für den alten Herrn alles nicht mehr drin war. Aber das Buch? Ja, das war zwei Jahre vor seinem Tode noch drin. Und darauf war er fokussiert.

Elisabeth Cotton wurde um 1895 geboren. Die Afroamerikanerin brachte sich einen eigenwilligen Gitarrenstil bei und schlug sich als Hausmädchen für weiße Familien durch. Aber sie spielte immer weiter. Cotton produzierte schließlich ihre erste Platte. Da war sie schon 62 Jahre alt. Einen Grammy bekam sie für ein Album, das sie mit 92 Jahren aufnahm. Drei Jahre später starb sie. Ihre Stimme wurde zuletzt etwas brüchig und rau. Aber Konzerte geben, das war für sie bis zum letzten Atemzug noch drin. Nicht drin war, aufzugeben, weil ihre Chancen so schlecht waren.

Was ist für mich noch drin?

Auch in der Bibel sitzen ältere Menschen nicht zwingend vor einer Tasse Kaffee, frisch aufgetautem Kuchen und sehen im Fernsehen dem Leben anderer Leute zu. So ein Mann war Kaleb. In hohen Alter von 85 Jahren sagt er: „Ich bin immer noch so stark wie damals, als Mose mich ausgesandt hat; wie meine Kraft damals war, so ist sie noch heute, wenn es gilt, zu kämpfen, auszuziehen und heimzukehren“. So was zu lesen, stresst mich nicht. Es macht mir Mut. Da möchte ich auf meine Art dabei sein. Ich fände es besorgniserregend, wenn Gott über mich dächte: „Ach, der Tom, der alte Lappen. Netter Kerl! Aber was soll ich ihm zutrauen oder anvertrauen?“

Was ist für mich noch drin? Ehrlich gesagt, habe ich letztlich keine Ahnung. Ich kann nicht einmal mit Sicherheit sagen, was morgen sein wird. Und weil das Leben nicht unbedingt fair ist, mag es Dinge geben, die mich ohne Termin langfristig aus den Schuhen hauen. Doch hier und heute möchte ich aus diesen vier Lebensgeschichten das Eine lernen: Im Alter ist mehr drin, als auf den Tod zu warten. Das heutige Leben ist geprägt von Entscheidungen, die ich gestern getroffen habe. Und auch wenn ich nicht weiß, was morgen ist: Ich muss jetzt kluge Entscheidungen treffen, damit ich eine Zukunft habe.

Wenn ich mir heute jeden Tag eine Tüte Chips reinschraube, brauche ich keinen weiteren Gedanken an meine Traumfigur zu verschwenden. Und was folgenreicher sein mag: möglicherweise verfuttere ich auch meine Chance, mit meinen wuseligen Enkeln auf dem Boden zu spielen. Inspiriert hat mich die Begegnung mit Papa Ricky Likabu. Der 65-jährige Rollstuhlfahrer macht Straßenmusik. Wir sind uns in den Niederlanden begegnet. Da sang er: „Es ist nie zu spät im Leben. Bis zum letzten Atemzug ist ein Mann nicht erledigt“. Der Mann hat vielleicht Nerven, dachte ich. Aber hat er nicht recht? Mit seinem Willen und seiner Energie erinnerte er mich an den Mann aus der Bibel: ‚Hey, ich habe immer noch dieselbe Kraft!‘ Ja, so möchte ich im Glauben alt werden.

Alle Kolumnen von Tom Laengner findet ihr hier.


Tom Laengner ist ein Kind des Ruhrgebiets. Nach 20 Jahren im Schuldienst arbeitet er journalistisch freiberuflich und bereist gerne unterschiedliche afrikanische Länder. Darüber hinaus arbeitet er als Sprecher für Lebensfragen und Globales Lernen. In seiner Kolumne „Out of the Box – Weil wir wunderbar gemacht sind“ schreibt er regelmäßig über Lebensfragen, die ihn bewegen.

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