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Christen im Nahostkrieg: „Ein schwieriger Spagat“

Der Krieg in Israel dauert unvermindert an und zieht die ganze Region in Mitleidenschaft. Auf beiden Seiten leben Christen – das Verhältnis ist angespannt.

Die Debatten laufen auf Hochtouren und der Nahostkonflikt ist täglich Gegenstand der internationalen Berichterstattung. Währenddessen leiden die Menschen vor Ort. Das berichtet das katholische Hilfswerk „Kirche in Not“. Vor Ort unterstützt das Werk in Kooperation mit dem Lateinischen Patriarch von Jerusalem die Nothilfe der christlichen Gemeinden. Vor wenigen Wochen hat eine Delegation des Hilfswerks das Heilige Land besucht. Reinhard Backes ist Projektreferent von „Kirche in Not“ für die Länder des Nahen Ostens. Im Interview schildert er seine Eindrücke.

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Herr Backes, welche Orte im Heiligen Land haben Sie besucht?

Wir waren in der Jerusalemer Altstadt, aber auch in Ostjerusalem, wo viele Christen leben. Und wir waren im Westjordanland. In den Gaza-Streifen konnten wir aufgrund der aktuellen Lage nicht fahren. Aber wir hatten zahlreiche Gespräche mit Menschen, die in engem Kontakt stehen, mit den zwei christlichen Gemeinden im Gaza-Streifen, der griechisch-orthodoxen und der katholischen Pfarrei. Wir hatten auch die Gelegenheit, christliche Jugendliche zu treffen. „Kirche in Not“ hatte schon vor dem Krieg zugesagt, dass wir den jungen Menschen im Heiligen Land helfen wollen. Sie brauchen Perspektiven: beruflich, aber auch im Glauben.

„Man muss den Christen auf der arabischen wie der hebräischen Seite zuhören, mit ihnen leiden und bei ihnen sein. Das ist ein schwieriger Spagat.“

Wie sehr hat der Krieg das Land verändert?

Das Vertrauen zwischen Israelis und Palästinensern ist völlig zerrüttet. Auch unter den Christen gibt es Spannungen: Es gibt hebräisch sprechende und arabisch sprechende Christen. Zudem gibt es Katholiken, die in der israelischen Armee dienen, während unter den Opfern der Militäraktion im Gaza-Streifen auch arabische Christen sind. Deswegen hat der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Pierbattista Kardinal Pizzaballa, bei unserem Treffen erklärt: Es ist nicht leicht, von Neutralität und Dialog zu reden, obwohl beides natürlich notwendig ist. Aber er hat betont, dass man den Christen auf der arabischen wie der hebräischen Seite zuhören, mit ihnen leiden und bei ihnen sein muss. Das ist ein schwieriger Spagat.

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Die Zahl der Christen im Heiligen Land geht seit Jahren zurück. Hat der Krieg diese Abwanderung weiter angefacht?

Einerseits ja. Andererseits gibt es aber auch Christen, die ins Heilige Land einwandern. Das mag zunächst überraschen. Die israelische Gesellschaft hat wie die europäische das Problem der Überalterung. Darum wirbt Israel junge Menschen an, in der Altenpflege und im Gesundheitsbereich zu arbeiten. Meistens sind das Frauen, die von den Philippinen und aus Indien kommen. So sind in den vergangenen Jahren bis zu 100.000 Christen nach Israel gekommen. Ihre Lage ist prekär, denn der israelische Staat kann Migranten, die heiraten oder Kinder haben, die Arbeitserlaubnis und das Bleiberecht entziehen. In Israel geborene Kinder von Migranten haben keine klare Aufenthaltserlaubnis und können ab dem 18. Lebensjahr abgeschoben werden. Dabei sind sie in Israel geboren, sprechen Hebräisch und waren nie in der Heimat ihrer Eltern.

Was tut „Kirche in Not“, um die Christen zu unterstützen?

Wir leisten seit Kriegsausbruch Notfallhilfe, zum Beispiel, um die Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten sicherzustellen. Das setzen wir fort. Im Gaza-Streifen, vor allem in Gaza-Stadt, gibt es aktuell noch an die 600 Christen. Sie halten sich auf dem Gelände der katholischen und auch der orthodoxen Pfarrei auf. Gaza-Stadt ist praktisch zerstört, aber das Leben muss irgendwie weitergehen. Die Christen wollen dortbleiben.

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Wie ist die Lage im Westjordanland, und wie hilft „Kirche in Not“ dort?

Im Westjordanland haben viele Menschen ihre Jobs verloren, vor allem die jungen Leute. Israel hat die Grenzen zum Westjordanland geschlossen. Viele Palästinenser können deshalb nicht mehr an ihre Arbeitsplätze. Darüber hinaus kommen wegen des Krieges kaum noch Pilger zu den Wallfahrtsstätten. Also fällt auch diese wichtige Einnahmequelle weg. Deswegen hat „Kirche in Not“ zusammen mit dem Lateinischen Patriarchat ein Programm gestartet, mit dem junge Menschen in Arbeit gebracht werden sollen. Die sind dann zum Beispiel in kirchlichen Einrichtungen tätig und führen dort Renovierungsarbeiten durch. Es ist eine bedrückende Lage, und deshalb ist es wichtig, dass wir unsere Brüder und Schwestern im Heiligen Land nicht vergessen.

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2 Kommentare

  1. Ich denke, es braucht hier eine charismatische Person, die diese Denkmuster überwinden kann.

    Einen Mandela, Gandhi oder Rabin.

    Leider ist so jemand nicht in Sicht, weder in der Region noch in der Weltpolitik.

  2. Todfeinde müssen miteinander reden

    Da fällt mir nichts schlaues ein. Die Christinnen und Christen sitzen anscheinend – zumindest teilweise – zwischen allen Stühlen. Es ist naheliegend, dass es Muslimen und gläubigen Juden genauso geht. Hier sollten wenigstens alle Religionen unzweideutig für Frieden eintreten (obwohl das wahrscheinlich nur ein frommer Wunsch bleibt). Das fatale ist, und dies wirkt allerdings in jedem Krieg, nämlich dass Krieg zusätzlich noch mehr unsägliche zusätzliche Gewalt erzeugt und zusätzlich nicht nur die Teilnehmer an den bewaffneten Auseinandersetzungen entzweit, sondern auch Nichtbeteiligte und vorallem zivile Opfer. Jede Gewalttat im Namen des Krieges, jeder einzelne Tote, erzeugen mehr Hass und wiederum Gewalt. Aktion und Reaktion sind im Krieg Angriff und Gegenangriff. Wer führt eine Logik wieder ein, die nicht dem Krieg entspricht, welche die Kette der Gewalt durchbricht und wie kann im Nahen Osten wenigstens auch auf lange Sicht ein stabiler Frieden entstehen? Manchmal habe ich das Gefühl, dass den Diplomaten, wenn es sie denn gibt, alle Ideen ausgegangen sind, weil die bisherigen Strategien zu nichts führten. Nichts kann man aus den Programmierungen menschlicher Gehirne schwerer löschen als unbändiger Hass. Letztendlich geht es nicht anders, als dass im Krieg auch Todfeinde miteinander reden müssen und zwar nicht irgendwann, oder wenn sich die strategische Situation verbessert, sondern sofort. Vorallem eingedenk der Tatsache, dass Waffengänge extrem selten Siege feiern und meist immer überlebende Opfer ein Leben lang leiden. Als Menschheit überleben wir auf Erden nur, wenn wir die Klimakrise besiegen und Krieg ächten. Ausserirdische in ihrer Draufsicht würden hier feststellen, dass die Menschenheit eine primitive Rasse ist. Wenn jetzt wieder in Europa der Kalte Krieg angeheizt wird (unzweideutlich mit Schuld eines Herrn Putin), kann nicht ironisch, sondern sarkastisch bemerken „na prima“- Gibt es denn niemand mit hinreichendem IQ und guten Ideen??

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