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Die Helfer von Duisburg: „Sie haben Menschen reanimiert, andere sterben sehen.“

«Ein Arzt sagte mir, hier ist jemand, der seine Freundin verloren hat, kümmern Sie sich», erinnert sich Polizeipfarrerin Bianca van der Heyden.

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Sie war am Samstagabend eine der ersten Notfallseelsorger direkt am Tunnel, der für 19 Menschen zur tödlichen Falle bei der Duisburger Loveparade wurde. Sie suchte für den Mann, der neben seiner toten Freundin kauerte, eine Rückzugsmöglichkeit, einen Weg aus dem unbeschreiblichen Getümmel, von dem Fotos und Fernsehbilder nur einen annähernden Eindruck vermitteln. Zwei Tage nach der Katastrophe steht die Theologin noch unter dem Eindruck des Unglücks.

 Von all den Kollegen, die an diesem Abend auf dem Gelände des alten Güterbahnhofs waren, hat noch niemand eine derartige Katastrophe erlebt, sagt Bianca van der Heyden. Für die Düsseldorfer Pfarrerin war ihre Ausbildung das Rüstzeug im Chaos: «Wenn man vor Ort ist, handelt man als Seelsorger», sagt sie.

 Nachdem andere Notfallseelsorger zum Tunnel kamen, konnte sich van der Heyden ihrer eigentlichen Aufgabe widmen: Der Betreuung der Polizisten, die am Unglücksort im Einsatz waren und nun grenzenlos erschöpft vor ihr saßen. «Viele weinten», berichtet sie. Die Polizisten, alles junge Menschen, «haben schreckliche Dinge erlebt». Sie waren mitten in der Menschenmasse selbst in Lebensgefahr, versuchten Menschen herauszuziehen, mussten entscheiden, nach welcher Hand sie griffen, wen sie aus dem Gedränge holten. «Sie haben Menschen reanimiert, andere sterben sehen.»

 Was die Polizei aber mehr als alles andere belastet habe, seien die Schuldzuweisungen vieler wütender Besucher gewesen, berichtet die Pfarrerin: «Einige wurden als Mörder beschimpft.» Die Pfarrerin kann derartige Reaktionen Verzweifelter zwar nicht entschuldigen, aber erklären: «Wenn sich Menschen in Extremsituationen befinden, ihnen der Boden unter den Füßen weggezogen wird, gibt es ihnen Sicherheit, wenn sie jemanden verantwortlich machen können», erklärte sie den Polizisten. Die Polizei – gut erkennbar und identifizierbar – diene als Katalysator für all die verwirrten Gefühle und Aggressionen, die sich aufbauten.

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 Bianca van der Heyden bereitete an diesem Abend die Polizisten auch darauf vor, was sie in den nächsten Tagen erwarten kann: Schlaflosigkeit, immer wiederkehrende Bilder, das Gefühl von Leere, Schreckhaftigkeit. Beunruhigende Reaktionen und Veränderungen, die aber nach einem derartigen Einsatz völlig normal seien. Erst wenn die Belastungen nach sechs Wochen nicht abklingen, bestehe Grund zur Besorgnis. «Wer weinen kann, ist oft schon auf der sicheren Seite», weiß die Polizeiseelsorgerin.

 Auch darauf, dass die Ereignisse eines solchen Einsatzes ein Leben lang im Bewusstsein bleiben, bereitet van der Heyden die Polizisten vor. «Dass man so etwas erlebte, wird man nie wieder vergessen.» Es könne nur darum gehen, die Erinnerung in das eigene Leben zu integrieren und sie kontrollierbar machen, also selbst zu entscheiden, wann die Bilder kommen dürfen und zu wissen, dass sie wieder vergehen. Die geschulte Notfallseelsorgerin ist auch dabei, wenn die Polizisten weiter betreut werden. Das Resümee der Theologin: Für das Unglück bei der Loveparade gibt es sicher Verantwortliche. «Doch zu sagen, die Polizei ist schuld, das kann nur jemand, der nie erlebt hat, was die Beamten vor Ort geleistet haben.»

 50 kirchliche Notfallseelsorger waren am Samstag bei der Loveparade in Duisburg im Einsatz. Dazu gehörten neben evangelischen auch Notfallseelsorger der katholischen Kirche und der Freikirchen. Ihren Einsatz koordinierte die evangelisch verantwortete Notfallseelsorge Duisburg und das evangelische rheinische Landespfarramt der Notfallseelsorge. Hinzu kamen 50 Notfallseelsorger aus den Bereichen Polizei und Rettungsdienste. Die Notfallseelsorger koordinieren auch Angebote der Nachsorge für Einsatzkräfte, für Betroffene und Angehörige.

(Quelle: epd)

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