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Gnadauer Zukunftskongress: Psalm 139 und die Neu-Entdeckung der Langsamkeit

Meditation, eine Kirche für Skateboarder und die "Lesestunde" zwischen mir und Gott: Auf dem Gnadauer Zukunftskongress in Erfurt heißt es: "Neues wagen". Dennis Lieske hat für Jesus.de einige Eindrücke gesammelt.

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 Still. Es ist mucksmäuschenstill. Nur das Brummen und Rauschen der Lautsprecher durchdringt den Raum. Menschen sitzen teils mit verschlossenen Augen an zahlreichen Tischgruppen in Halle 1 der Erfurter Messe und warten. Sie warten auf Worte. Und warten. Gefühlte zehn Minuten. Die Stimme, auf die alle warten, gehört einem älteren Herrn vorne auf der Bühne. Er sitzt auf einem Klappstuhl und ist der Ruhepol im Saal.

 Rechtzeitig, bevor die Teilnehmer die vorangegangen Silben vergessen haben, erhebt er die Stimme: "…du…mich…und hältst deine Hand…über…mir". Die Entdeckung der Langsamkeit. So gemächlich hat wohl noch niemand der 2.500 Besuchern jemals die Worte aus Psalm 139 gehört. Auch keine andere Bibelstelle. Schuld sind nicht die brummenden Lautsprecher. Auch der Sprecher könnte schneller, wenn er wollte – obwohl sein normales Sprechtempo, wie er selbst schmunzelnd einräumt, sowieso schon "etwas langsamer" ist. Nein, die Teilnehmer des Zukunftskongresses des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes erleben gerade eine für viele von ihnen neue Methodik, einen Bibeltext zu erfassen: Die "Lectio divina" – ein meditativ-betendes Bibellesen. Pfarrer Wolfgang Bittner, so heißt der ältere Herr auf der Bühne, ist für die Plenumsveranstaltung zuständig. Das Thema: "Quellfrisch – Gott begegnen, Neues erfahren".

"Laut lesen, langsam lesen, wiederholend lesen", so lauten die Aspekte des Bibellesens, die Bittner verdeutlichen möchte und in seinem Vortrag veranschaulicht. Während manche erstaunt darüber sind, welche Bilder und Emotionen durch die Betonung fast jedes einzelnen Worts hervorgerufen werden, haben andere so ihre Probleme mit der Methode. "Ich werde da ganz hippelig", beschreibt eine Frau an Tischgruppe 67 ihre Ungeduld. Anderen ergeht es ähnlich: "Für mich persönlich war es streckenweise etwas zu langsam" beschreibt eine weitere Teilnehmerin die Meditation. Dabei ist ihr ein Teil dieses Zugangs zur Bibel gar nicht so fremd. "Die Bibel laut zu lesen habe ich teilweise schon praktiziert, wenn auch nur selten. Das ‚Langsamlesen’ war für mich neu." Doch Ricarda, so heißt die Frau aus Ostthüringen, ist der Idee gegenüber durchaus offen. Das Motto des Kongresses hat sie gepackt. Ihr Mann Christian ist Pfarrer einer evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde. Beide waren begeistert, als sie von dem Zukunftskongress erfuhren. Ricarda hat fünf Jahre in England gelebt. Die anglikanische Kirche kennt sie daher gut und sie freut sich, auf dem Kongress Bekannte wiederzutreffen. So zum Beispiel Bischof Graham Cray. Oder das Pfarrerehepaar Mary und Bob Hopkins.

 Die drei Letztgenannten sind zu einem Vortrag über "Fresh expressions" – neue Gemeindeformen – eingeladen. In England haben sich in den letzten Jahren zahlreiche neue Kirchen und Gemeinschaften entwickelt, die Menschen dort abholen wollen, wo sie zu finden sind. So gibt es Treffen für Familien mit Kleinkindern, so genannte "Chaos-Kirchen" (engl.: "Messy churches"), Treffen für Skateboarder und Treffen für Kaffeetrinker. Es gehe darum, die Form zu verändern. "Der Inhalt aber bleibt gleich." So beschreibt Ricarda die Idee dahinter. Es ist das, wofür sie und ihr Mann sich interessieren. Sie wollen in ihrer Gemeinde einen "Fresh expressions-Einführungskurs" durchführen. Zwar geht es ihnen nicht darum, gleich eine neue Gemeinde zu gründen. Sie möchten aber das "Bewusstsein für neue Ausdrucksformen von Kirche" schaffen und Ängste abbauen, die entstehen, wenn man etwas neu gestalten will. "Neues wagen" eben.

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 An Tischgruppe 67 hat die neue Methode wie ein Blitz eingeschlagen. Wobei…neu? Eigentlich ist die meditative Bibelerfahrung uralt. Genauer gesagt wird sie schon im 12. Jahrhundert von dem Kartäusermönch Guigos II. in der Schrift "Scala claustralium" beschrieben. Doch für viele der Teilnehmer in Halle 1 ist es trotzdem Neuland. Und eine positive Erfahrung. "Ich glaube, wir sind jetzt alle ein wenig sprachlos" sagt Teilnehmerin Rahel zu ihren Sitznachbarn. Die junge Frau arbeitet in einer landeskirchlichen Gemeinschaft mit und hat realisiert, dass "Neues wagen" nicht nur mit "Fresh expressions" und den Menschen außerhalb der Kirche zu tun hat. Sondern auch mit ihr selbst – und zwar "mehr als ich im Vorhinein geplant hatte". Es geht darum, "mich erstmal auf Gott auszurichten und dann auf die Menschen." Die Faszination lässt sich in ihrem Gesicht ablesen.

 Auch ihre Sitznachbarn an Tischgruppe 67 sind positiv betroffen. Ihre Gesichtsausdrücke spiegeln eine zugleich demütige wie auch erstaunte Freude wider. Viele in der Halle empfinden so. Als "eine fast heilige Atmosphäre" beschreibt Rüdiger Jope, Redakteur des Kirchenmagazins "3E", den Moment. Die Menschen sind berührt worden. Sie haben Lust, die Bibel wiederzuentdecken und Neues zu wagen. Weil der ältere Mann auf dem Klappstuhl auf der Bühne es versteht, die Beziehung zu Gott durch Bilder zu fördern. "Gott begegnen – „Neues erfahren" lautete sein Thema und er hat dazu auch noch einen Tipp: "Wenn du das nächste Mal deine Bibel aufschlägst, dann lies Gott eine Geschichte vor."

(Quelle: jesus.de)

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