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Michael Gungor: Das Wort „christlich“ schafft eine gefährliche Spaltung

Mit ihrem Album „Beautiful Things“ lösten Gungor sich von dem Zwang, allen Menschen gerecht werden zu müssen. Und wurden dafür mit viel Aufmerksamkeit und Grammynominierungen belohnt. Wir trafen Michael Gungor beim Himmelfahrtfestival in Bochum und haben mit ihm gesprochen – über Gemeinde als Inspirationsquelle, die Gefahr einer religiösen Blase und die Nichtexistenz „christlicher Musik“.

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Teil 2

Warum willst du deiner Musik nicht das Label „christlich“ geben?
„Christlich“ ist ein schwaches Adjektiv. Ein Christ ist eine Person, die Jesus nachfolgt. Also wie kann eine Sache, wie Musik, dann als „christlich“ bezeichnet werden? Für mich schafft das eine gefährliche Spaltung zwischen weltlich und heilig. Diese Annahme, dass manche Dinge heilig sind und andere nicht – dadurch beraubt man meiner Meinung nach Gott der Tatsache, dass ihm die gesamte Erde gehört und alles was darin ist, jeder Bereich unseres Lebens sollte spirituell sein. Ich finde einfach die Begrenzung durch die Vergabe des Labels „christlich“ schwierig.

Was wir aber tun – und das versuchen die meisten Bands bei Festivals, die übrigens häufig christlich genannt werden (lacht): Wir versuchen, Musik zu machen, die Menschen näher zu Gott bringt. Häufig adressieren wir mit unserer Musik direkt Gott. Wir nennen das gerne „liturgisch“, weil es dieses Wir-Element beinhaltet, diese gezielte gemeinsame spirituelle Erfahrung. Das ist für mich dann andere Musik als solche, die manchmal als christlich bezeichnet wird, eigentlich aber einfach nur Pop- oder Rock-Musik ist, die zufälligerweise Wörter wie Jesus enthält.

Warum haben wir oft dieses Bedürfnis, Dinge in christlich und nicht-christlich einzuteilen?
Vielleicht ist es ein bisschen Angst. Vielleicht ist es auch dieses typische „Wir und Ihr“-Ding in der Welt, das echt übel ist. Wie separieren uns von anderen, vielleicht aus einem Sicherheitsbedürfnis heraus. Das ist der Grund, warum Kriege geführt werden, warum es Rassismus gibt, die schlimmsten Dinge in der Welt gehen häufig auf dieses Wir-und-Ihr-Denken zurück. Und das gibt es im Bereich Religion auch: Wir verkriechen uns in unserer kuscheligen Welt, haben unsere eigene Musik, so dass wir separat von allen anderen sein können. Und das ist meiner Meinung nach eben nicht christlich. Wenn man das historisch betrachtet, sollen wir in der Welt sein – nicht von dieser Welt, sondern wie eine neue Kreatur, die eben dazu berufen ist, Liebe zu verbreiten in dieser Welt.

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Auf eurer Webseite schreibst du, dass ihr als Band versucht, „ehrliche“ Musik zu machen – was macht Musik für dich ehrlich?
Es gibt hunderte verschiedener Stimmen, die uns als Künstler beeinflussen wollen: Das Label will Musik von dir, die im Radio funktioniert, andere wollen Musik, die in der Kirche gut ankommt, manche Fans wollen Musik, die leicht nachzuspielen ist und deine Band will wieder was anders. Für eine Weile fiel es mir echt schwer, zwischen all diesen Stimmen zu navigieren. Schließlich wollte ich wirklich anderen mit meiner Musik dienen und nicht nur mein eigenes Ding durchziehen.

Aber irgendwann kam ich an dem Punkt, dass ich verstanden habe, dass ich einmalig von Gott erschaffen bin. Und wenn ich daran glaube, kann und sollte ich die Musik machen, die aus meinem Innersten kommt. Und ich sollte primär auf meine Stimme hören und nicht auf die Stimme von anderen. Ich sollte Musik machen, die mir etwas bedeutet und die wahrhaftig das wiedergibt, wer ich bin und was mich ausmacht. Und eben ohne all die Filter, mit denen ich versuche, allen anderen gerecht zu werden.

Euer Album „Beautiful Things“ hat viel Beachtung gefunden und ist mehrfach ausgezeichnet worden – hast du mit dieser positiven Resonanz gerechnet?
Nein, absolut nicht. Ironischerweise war es das erste Album, bei dem ich aufgehört habe, mir Gedanken zu machen, was andere von meiner Musik halten und mit dem ich nicht mehr jeden gleichzeitig glücklich machen wollte. Bei dem Album sind wir nicht ins Studio gegangen, wo jeder hätte dazukommen und seine Meinung sagen können. Sondern wir sind in die Berge gefahren, wo wir kaum Handyempfang hatten und haben ein Album gemacht, das wahrhaftig ist. Und wenn es dann niemand gemocht hätte, wäre das auch ok gewesen. Denn das Machen an sich war für uns schon Lobpreis und nicht erst das Ergebnis. Und klar bevorzugen wir, dass es auch andere Menschen mögen, aber wir wollten uns eben nicht davon abhängig machen. Ironischerweise haben es die Menschen so besser gefunden als jedes andere davor. Auf diesem Weg wollen wir bleiben.

Euer aktuelles Album „Ghosts upon the earth“ ist ein Konzept-Album…
Es ist irgendwie die Geschichte von allem. Es beginnt mit der Schöpfung, dann handelt es vom Sündenfall und danach von der Hoffnung einer neuen Schöpfung. Das Album ist fast eine Liturgie in sich selbst: Es geht darum, kleine Geschichten zu erzählen und dabei eigentlich die eine große Geschichte zu reflektieren, in der wir alle eine Rolle spielen.

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Was hoffst du, dass wir als Zuhörer von diesem Album mitnehmen?
Ich weiß nicht. Ich glaube als Künstler, dass die Menschen immer viele Dinge mitnehmen können und es nicht nur eine einzige Botschaft gibt. Ich erzähle einfach eine Geschichte, aus der Menschen eine Million von Dingen mitnehmen können. Und das ist es auch, was ich an Kunst so liebe. Ich meine, wir könnten Lied für Lied, Zeile für Zeile durchgehen und ich könnte sagen, was ich damit verbinde, aber ich liebe es auch zu hören, was andere Menschen daraus interpretieren, was sie glauben, dass wir ausdrücken wollen. Kunst ist für mich wie Freiwild (lacht).

Gibt es Zukunftspläne?
Ja, wir werden eine Live-DVD rausbringen. Im Moment nehmen wir die verschiedensten Konzerte auf und es gibt noch kein konkretes Datum, aber wir hoffen, dass wir das im Herbst auch fertig haben. Ich glaube dieser liturgische Aspekt bekommt bei einem Live-Album noch mal eine ganz andere Ebene, weil mehr Menschen involviert sind als nur wir. Ich meine, wir versuchen etwas zu erschaffen, dass auch etwas besonderes mit den Studio-Alben macht, aber diese Lieder vor einem Publikum zu spielen hat einfach noch eine andere Dimension. Naja, und dann wir werden auch noch während des Sommers ein paar Mal in Europa sein.

Darauf freuen wir uns! Vielen Dank für das Gespräch.

Hier gehts zum ersten Teil des Interviews …

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