Albrecht Weinberg wird im März 100 Jahre alt. Er hat die Konzentrationslager Auschwitz, Mittelbau-Dora und Bergen-Belsen überlebt. Sein Appell: „Habt Mut, lasst euch nicht einschüchtern.“
Von Karen Miether (epd)
Albrecht Weinberg ist gefragt in diesen Tagen. Während des Nachmittags-Tees in der gemeinsamen Wohnung in Leer klingelt gleich mehrfach das Telefon seiner Mitbewohnerin Gerda Dänekas. Journalisten aus Frankreich und aus Japan wollen wissen, ob er zu einem Interview bereit ist. «Willst du das?», fragt sie. «Warum nicht», antwortet er. Albrecht Weinberg wird im März 100 Jahre alt. Er hat die Lager von Auschwitz, Mittelbau-Dora und Bergen-Belsen überlebt – und drei Todesmärsche. «Das ist seit 80 Jahren in meinem Kopf. Ich brauche mich nur zu waschen, dann sehe ich meine Häftlingsnummer.»
80 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz am 27. Januar 1945 und später der weiteren Konzentrationslager wollen viele mit ihm als einem der letzten Zeitzeugen sprechen. Gerda Dänekas serviert an diesem Tag zum Tee Neujahrskuchen. Sie setzt mit dem Löffel eine Sahnewolke auf das Getränk, klassisch ostfriesisch. So haben sie es damals auch gemacht, in seinem Elternhaus in Rhauderfehn, ganz in der Nähe, erinnert sich Albrecht Weinberg. Der weißhaarige Mann, Brille, schmales Gesicht, beugt sich nach vorn: «Natürlich, wir waren ja Ostfriesen», sagt er, «wir waren nichts anderes.»
Sein Vater hatte für Deutschland im Ersten Weltkrieg gekämpft. Und doch wurde er nie zuerst mit seinem Vornamen Alfred angesprochen. Immer schickten sie zuerst «de Jööd» voran, plattdeutsch für «der Jude». «Ich war elf, da haben sie mich von der Schule geworfen», sagt der 99-Jährige. Freunden wurde verboten, mit ihm zu spielen. Er hat noch vor Augen, wie die Ausgrenzung begann, an deren Ende die Ermordung von Millionen von Juden stand.
In ihrem Wohnzimmer hüten er und Gerda Dänekas in einer Glas-Vitrine Erinnerungsfotos ihrer Familien. Darunter ist das letzte Bild, das Weinberg zusammen mit seinen Geschwistern Friedel und Dieter zeigt. Auf dem Schwarz-Weiß- Bild schauen drei junge Menschen schüchtern, fast ängstlich in die Kamera. Es wurde in Berlin aufgenommen, 1942. Sie verbargen die gelben Judensterne unter den Mänteln, eigentlich hätten sie gar nicht unterwegs sein dürfen, erzählt er. Doch Dieter, der älteste, sei ein Draufgänger gewesen. «Er hat uns beiden schüchternen Kindern einen Stups gegeben.» Das Foto sollte der Mutter Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft machen. Doch die erfüllte sich nicht.
Eltern in Auschwitz ermordet
Die Eltern wurden 1945 in Auschwitz ermordet. Dorthin verschleppten sie auch Albrecht, in einem Viehwaggon. «Es war nicht erster Klasse», formuliert er sarkastisch: «Eher Stehplatz, kein bisschen Wasser, kein Brot. Ich weiß nicht, wie viele Tage wir unterwegs waren.» Bei ihrer Ankunft hörten sie Schreie: «Raus, raus», Hunde bellten. «Wir wurden sortiert.» Dass diejenigen, die in eine andere Richtung gehen mussten als er selbst, in den Tod in den Gaskammern geschickt wurden, war ihm damals noch nicht bewusst.
«Wissen Sie, was ein Muselmann ist?», fragt er. So hätten sie in Auschwitz diejenigen genannt, denen man ansah, dass sie dem Tod näher waren als dem Leben. Als er am Ende seines Leidensweges im April 1945, nach drei Todesmärschen, aus dem niedersächsischen KZ Bergen-Belsen befreit wurde, sei er selbst ein Muselmann gewesen: «Ein Knochengerippe, mit Haut überzogen, zwischen den Gerippen von Bergen von Leichen.»
Befreiung und Auswanderung
Nach der Befreiung fand er seine Schwester Friedel wieder, die als eine der wenigen der Familie überlebt hatte. Gemeinsam wanderten sie nach Amerika aus. In New York betrieb er eine Fleischerei, später im Ruhestand lebten sie in Florida, Friedel und er zusammen, so wie sie es sich geschworen hatten. Nach Deutschland wollten sie nie wieder. 1985 kam dann eine Einladung aus Leer. Die Stadt wollte an den Bau der Synagoge 100 Jahre zuvor erinnern, die 1938 bei den Novemberpogromen zerstört wurde. Weil sie hofften, andere Überlebende zu treffen, änderten sie ihre Meinung.
Die Kontakte, die sie in Leer knüpften, führten dazu, dass Albrecht ein Hilfsangebot annahm, nachdem Friedel einen Schlaganfall erlitten hatte. Er war besorgt, denn sie wurde nicht gut betreut. Darum zogen beide 2012 in ein Altenheim nach Leer. Dort bekam die Pflegerin Gerda Dänekas kurz vor ihrem Ruhestand den Auftrag, sich um sie zu kümmern – eine zupackende Frau, die sah, was die beiden brauchten.
Weinberg erzählt 2013 erstmals seine Geschichte
Nach Friedels Tod nahm sie Albrecht mit zu sich. Erst zu Besuch, an den Wochenenden. «Mein inzwischen verstorbener Mann und die Kinder unterstützten das», sagt sie. Als Weinberg in der Corona-Zeit im Heim völlig isoliert war, zog sie in eine größere Wohnung und gründete mit ihm eine WG. «Ich hab Schuld, dass du redest», sagt sie rückblickend zu ihm. Und er ergänzt: «Und ich bin froh, dass ich dich, nein, dass du mich gefunden hast.» Das erste Mal überhaupt erzählte er 2013 einer Historikerin der Gedenkstätte Bergen-Belsen seine Lebensgeschichte.
Seitdem sind Gerda Dänekas und er unzählige Male in Schulen unterwegs gewesen, zuletzt bei Lesungen aus einem Buch, das der Journalist Nicolas Büchse mit Weinberg geschrieben hat. Als Mahnung erzählt er seine Geschichte. Sein Appell an die Kinder: Habt Mut, lasst euch nicht einschüchtern.
Seine frühere Pflegerin ist Managerin und liebevolle Betreuerin in einem. Sie achtet auf ihn, darauf zum Beispiel, dass er genug von seinem Tee trinkt. Gemeinsam pflegen sie Rituale. Seit er kaum noch sehen kann, liest sie ihm regelmäßig vor. «Immer geht es dabei um den Holocaust», sagt sie. Doch es sind auch aktuelle Nachrichten, die ihn beunruhigen: das Erstarken der Rechten, die Schändung des jüdischen Friedhofs in Leer im vergangenen Jahr.
Aus dem Gepäcknetz seines Rollators fischt der 99-Jährige das «Personenlexikon zum Dritten Reich» heraus. Die Seiten sind vergilbt, so oft hat er es in die Hand genommen. Im Heim habe er auch deshalb keinen Kontakt zu den Bewohnern in seinem Alter gewollt, sagt Dänekas: «Er hat sich bei jedem gefragt, warst du auch Nazi?» Mit ihm gemeinsam ist Dänekas nach New York gereist, nach Berlin, nach Auschwitz und nach Israel. «Ich kann Albrechts Geschichte inzwischen auch erzählen», sagt sie und oft ergänzt sie das, was er beschreibt. «Ich bin froh, dass meine Enkel mit ihm aufwachsen dürfen. Das alleine ist es schon wert, dass ich mich um ihn kümmere.»
Erst verjagt, jetzt Ehrenbürger
Albrecht Weinberg ist als Zeitzeuge mittlerweile vielfach geehrt worden, unter anderem mit dem Bundesverdienstkreuz. In Rhauderfehn ist eine Schule nach ihm benannt worden. Zu den Schülerinnen und Schülern des «Albrecht-Weinberg-Gymnasiums» hat er ein enges Verhältnis. Zu seinem 100. Geburtstag ist ein Empfang geplant, doch er will auch in der Schule feiern und Bagel für alle ausgeben. «Es gibt drei Städte, in denen ich Ehrenbürger bin», sagt er. «Nordhausen bei Mittelbau-Dora, Leer und Rhauderfehn. Als Kind durfte ich dort nicht mehr auf die Straße gehen, jetzt bin ich Ehrenbürger.»
Bitte wählt keine Rechtsradikalen !!!
Albrecht Weinberg wird im März 100 Jahre alt. Er hat die Konzentrationslager Auschwitz, Mittelbau-Dora und Bergen-Belsen überlebt. Sein Appell: „Habt Mut, lasst euch nicht einschüchtern.“! Ich meine, dies müsste eigentlich aller Menschen Losung sein. Es fing Mitte der 1920er Jahre mit dem Antisemitismus in Deutschland an. Da gab es die ersten Sonnwendfeiern in meiner alten Heimatstadt von Bad Ems. Der siebte auf der Anmeldung für neue Mitglieder der Nazis war ein Mensch im nahen Singhofen, lange bevor Adolf Hitler bekannt, relevant und dann damals auch der größte Antichrist aller Zeit wurde. Die Nationalsozialisten wurden vor 1933 sträflichst verharmlost nach dem Motto, sie müssten sich im politischen Bereich erst einmal bewähren und würden dann sicherlich ganz einfach verschwinden. Niemand dachte nach Drucklegung das Machtwerk des Führers – „Mein Kampf“ – es wirklich zu lesen, oder für möglich zu halten. Auch die meisten Christ:innen in den beiden großen Kirchen verehrten wie noch im Kaiserreich die Obrigkeit, die angeblich von Gott in ihrem Sosein eingesetzt wäre. Sie sangen Chörale, beteten und riefen dabei gleichzeitig oft Heil. Auch noch als im 30 km entfernten Hadamar die Schornsteine rauchten und stanken, weil da fabrikmäßig Menschen wie Abfall vernichtet wurden. Sie hatten nur den unseligenMakel psychisch, geistig krank und behindert zu sein. Auch schwer pubertierende Jugendliche sollten nicht existieren.
Nach der Machtübernahme waren es die zahlreichen Reichstagsabgeordneten, die zuerst verhaftet wurden und nicht zuletzt die Steigbügelhalter der Konservativen, bisweilen nicht nur fürs Gefängnis, sondern KZ. Der Bad Emser Jude Bernhard Strauß, 1938 verhaftet, weil er als Elektriker im Cafe Maxeiner arbeitete, aber einen unbedachten Hitlerwitz vom Stapel ließ. Er überlebte sogar 5 KZ. Die Bad Emser Juden wurden leider bis auf sehr wenige ermordet. Bis noch 1925 bestanden freundschaftliche Beziehungen zu Emsern Christen und man lud sich gegenseitig zu den Festen ein. 1933 wurden leider viele Menschen gehorsame Rädchen im Getriebe böser Unmenschen. In einem alten Schulheft von damals habe ich das diktierte dumme Schulwissen einer frommen katholischen Lehrerin gelesen: „Juden sind keine richtigen Menschen, sie haben ein anderes Gehirn“!
Für alle guten Menschen und uns Christinnen und Christen bedeutet dies, daß wir dem Gebot der Nächstenliebe unseres Gottes auch gern folgen, nicht als vollkommene Personen, sondern nur mit gutem Willen. Ich bin für alles verantwortlich: Für alles was ich fühle, denke, wünsche, betreibe und sodann auch tue. Auch wen ich wähle. Ich bin überzeugt, dass man nicht Gott und der Verkörperung des Bösen gleichzeitig dienen könnte. Es beginnt mit dem allerdümmsten Vorurteil, daß alle Katzen grau sind, bei der Verzeugung daß die linksversifften Grünen aber in Wirklichkeit nur Kommunisten sind, hier in Deutschland fast alle Parteien ins gleiche Horn blasen und die freie Meinung verbieten wollen, unterstützt von den bösen Netzwerken der Journalisten. Dann wird auch selbstverständlich, daß der liebe Donald Trump sogar von Gott selbst in die USA geschickt ist.
Gott fiel nicht Kain in den Arm, der seinen Bruder hasste und aus religiösen Gründen tötete. Er lässt es also zu, auch unseren bösen freien Willen zu praktizieren und wir werden die Regierung bekommen, die wir selbst wählen. Die Ethik beginnt bei der Briefwahl, oder im Wahllokal. Christinnen und Christen, die bei Verstand sind, wählen keine Partei die kaum Sachargumente bringt, sondern Hass und Hetze. Wir alle sind unseres Glückes Schmied. Sonst hätten wir keine Verantwortung, alles wäre vorbestimmt und der Freie Wille eine Illousion, die uns nur unser Gehirn vorgaukelte. Last euch nicht verführen, gebraucht das große Gehirn. Ich tue es auch und bin für alles verantwortlich was ich tue. Auch für das Papierkreuzchen.