Martin verbringt den Heiligen Abend allein. So wie die anderen Gefangenen in der Justizvollzugsanstalt Diez. Ein Highlight des Tages ist für einige von ihnen der Gottesdienst in der Gefängniskapelle.
Von Aaron Kniese (epd)
Martin hat sein Fenster mit Tannenzweigen, Schoko-Nikoläusen und Weihnachtskarten dekoriert. Sie lenken ab von den schweren Gitterstäben, die direkt hinter seinem Fenster sichtbar sind. Martin ist Gefangener in der Justizvollzugsanstalt (JVA) im rheinland-pfälzischen Diez an der Lahn. Fünfeinhalb Jahre muss er absitzen, weil er Geld veruntreut hat.
Martin verbringt zum vierten Mal Heiligabend hinter Gittern. «Mein erstes Weihnachten in Haft war eine Katastrophe», erinnert sich der 49-Jährige. Auch jetzt kämen immer wieder die Gedanken an seine Frau und die Freunde hoch und die Frage, wie es ihm heute gehen würde, wenn alles anders gelaufen wäre.
Angespannte Stimmung
Die Stimmung in der JVA an Weihnachten sei angespannt, sagt Martin. «Da sind viele Gefangene dünnhäutiger als sonst.» Martin ist Sportwart in der Sporthalle der JVA. Die Gefängnisleitung hat entschieden, dass über die Feiertage die Sporthalle geöffnet bleibt. Eine gute Entscheidung, findet Martin. So hätten die Gefangenen ein Ventil, um Dampf abzulassen.
Martin ist auch Küster im Kirchenraum der JVA. Zusammen mit zwei anderen Inhaftierten hilft er den Gefängnisseelsorgern, den Gottesdienst vorzubereiten. Dekorieren, Beamer aufbauen, Kerzen anzünden: das sind die Aufgaben der Küster. Claudia Gierke-Heinrich ist die evangelische Gefängnisseelsorgerin in Diez. Täglich spricht sie mit Inhaftierten oder jenen Gefangenen, die in der Sicherungsverwahrung untergebracht sind. Auch sie merkt, dass Weihnachten eine besonders schwierige Zeit für die Gefangenen ist, wie sie sagt.
An Heiligabend feiert Gierke-Heinrich zusammen mit den Insassen um 13 Uhr Gottesdienst. An normalen Sonntagen kommen zwischen 55 und 60 der rund 500 Gefangenen und Sicherheitsverwahrten, an Weihnachten rechnet die Pfarrerin mit doppelt so vielen Besuchern. Der Gottesdienst an Heiligabend sei für viele Gefangene ein Highlight, sagt Martin. Auch für ihn. Er singt im Gefängnischor und spielt Posaune. Außerdem begleitet der evangelische Posaunenchor Diez/Freiendiez seit vielen Jahren den Gottesdienst musikalisch.
Für die Pfarrerin unterscheidet sich der Gottesdienst in der JVA wesentlich von einem Gottesdienst in einer Kirchengemeinde. «Hier haben wir keine feste Liturgie», erzählt Gierke-Heinrich. Der Gottesdienst in der JVA sei kürzer. Außerdem gebe es keine Predigt im herkömmlichen Sinne, sondern kurze Impulse. So könne sich eine ganz eigene Atmosphäre entwickeln, welche die Gefangenen mitgestalten dürfen.
Um 15:15 Uhr gehen die Türen zu
«Zur Realität gehört aber auch: Um 15.15 Uhr ist Schluss. Und dann gehen die Türen zu», sagt Martin. Danach müsse jeder Gefangene den restlichen Heiligen Abend mit sich selbst verbringen. Das sei besonders schwer. Denn wenn die Menschen draußen sich langsam auf den Weg Richtung Gottesdienst machen oder sich um den Tannenbaum im Wohnzimmer versammeln, sitze der Gefangene allein in seiner Zelle. «Einsamkeit ist immer ein großes Thema im Gefängnis», sagt er.
In den vergangenen Jahren hat er sich gut verhalten. Deshalb hat Martin einen Haftraum in einem Gefängnis-Flügel, in dem Gefangene mehr Privilegien haben. Drei Regale hat Martin. Normalerweise habe man nur eins, sagt er. Außerdem dürfe er täglich 15 Minuten zu vorher festgelegten Nummern telefonieren. «Das hört sich nicht viel an», sagt er. Eine Viertelstunde am Tag mit der eigenen Frau sprechen zu können, klinge wenig, sei aber tatsächlich sehr viel Zeit. Dafür ist Martin dankbar.
Martin und andere Gefangene dürfen im Monat zweimal Besuch im Besuchsraum empfangen und zweimal für 30 Minuten skypen. Das sei wichtig, um den Anschluss an Zuhause nicht zu verlieren. «Du siehst das Haus, den Garten. Das ist etwas Schönes», sagt Martin.
Video: Heiligabend hinter Gitter
Link: Gefängnisseelsorge
Der Artikel, die zugehörigen Kommentare und das Reflektieren über die geäußerten Gedanken haben mich bewogen, eine (Ersatzhaft-) Gefängnisstrafe nicht erst zum 4. Januar (Fristablauf) sondern bereits vor Sylvester anzutreten, u.a. um Gott / Jesus in diese bayerische JVA zu bringen. Und siehe da: ER hat mich dort erwartet! Ich durfte dort am für mich schönsten Gottesdienst überhaupt in meinem Leben teilnehmen, einem Neujahrsgottesdienst an einem Sonntag (!) mit vollen Stuhlreihen gläubiger Christen, und Suchenden, die sich freuten, Gottes Wort zu hören (auch wenn die meisten eher kein oder nicht gut deutsch sprachen), und gesegnet zu werden durch einen Gefängnispfarrer, wie ich ihn mir für jede Haftanstalt in Deutschland wünsche.
Das letzte Lied, das wir sangen, war „O du Fröhliche“, und noch nie hab ich dieses Lied in Gemeinschaft mit einer solchen Inbrunst gesungen. Mittlerweile bin ich wieder „draußen“, (ich wurde gestern Nachmittag mit Geld „ausgelöst“), „bestückt“ mit materielen Geschenken (Zwei Bibeln! Ein schöner und gehaltvoller Jahreskalender 2024, eine Packung Weißbrot), neuen Freunden (unter Häftlingen und dort Bediensteten) und mit geballter Vorfreude auf ein wahrhaft gesegnetes Neues Jahr 2024..
Dass ich aus Platzgründen (und weil ich mich nicht Röntgen etc. lasse) die ganzen fünf Tage in einer sogenannten „Strafzelle“ verbringen musste (die einzige freie Einzelzelle), störte mich nicht – was ist das schon, wenn man um die Leiden Jesu weiß, die er für uns auf seinem Weg zum Tod am Kreuz erlitt.
PS: Mein „Nachbar“ dort hat begonnen, die ihm vom Gefängnispfarrer geschenkte Bibel VOM ANFANG (AT) BIS ZUM ENDE durchzulesen. Gottes Wort ist für ihn (nach DDR-Sozialisation bis 1990) völlig neu, er „sitzt“ dort unter anderem für „Fahren ohne Führerschein“ (mit seinem Mofa!), und er sagte zu mir: „Wenn ich was mache, dann mach ich das richtig. Und das interessiert mich nun mal jetzt.“
Dies hat mich nun selber motiviert, zu versuchen, es ihm gleich zu tun (Also das mit der Bibel, nicht das mit dem Fahren ohne Führerschen. 🙂
Lieber Wolfgang, ich freue mich, dass dein Leben Gottes Licht in diese Welt trägt und Sein lebendiges Wort gelesen wird. Für junge Gläubige und Interessierte ist es ratsam erstmal das Neue Testament zu lesen und die Botschaft der Erlösung und der Versöhnung mit Gott zu lesen und in unser Herz zu lassen. Gottes Wort ist mächtig und manchmal mag es den einen oder anderen in alten Glaubenssätzen bestätigen, wenn er zuerst das Alte Testament von dem strafenden Gott liest. Jesus hat die Schuld und Sünde mit sich ans Kreuz genommen und für uns getragen, sodass mit ihm die Erbsünde und der letzte Adam gestorben ist. Wir sind in ihm als neue Schöpfung auferstanden und dürfen wahrhaft glauben, dass wir in der Versöhnung mit Gott durch Jesus Christus befreit sind.
Daher lese jeden Tag im Neuen Testament und zwischendurch auch mal etwas aus dem Alten, ganz bewusst, dass diese alte Beziehung zu Gott durch Jesus erneuert wurde. Gottes Segen wurde über uns ausgegossen in seinem Heiligen Geist und diese Salbung ist in uns und wir dürfen sie wahrnehmen als Seine Wahrheit und niemand muss belehrt werden.
Danke für deine posts.
Mir war die Problematik und der Umfang der Ersatzhaft vorher nicht klar. Habe mich da jetzt etwas eingelesen. Ist in der Tat erschreckend.
Die Wochenenden sind für viele im Knast das Schlimmste: Die meisten dort Bediensteten haben frei, bis auf ca. einen pro Abteilung. Und der kann dann eben nicht alleine „Umschluss!!“ – „Aufschluss!“ – „EInschluss!“ machen.
Also bleiben die Zellen Sa / So meist zu, und die Häftlinge drin, allein mit dem TV, oder einem Buch aus der Gefängnisbibliothek. Und sind froh, am Montag endlich wieder „arbeiten“ gehen zu dürfen.
Meistens ist der Heiligabend ja ein „normaler“ Werktag. Dieses Jahr ist es die schlimmste Konstellation:
Heiligabend fällt auf Sonntag, und danach kommen noch zwei „Feiertage“…!
(Du denkst, du kannst nichts für diese Menschen tun…? Stimmt nicht: Bete für sie! Z. B. so:
Verbinde für sie ihr Leiden und ihre Einsamkeit mit der Passion Christi, der für uns am Kreuz gestorben ist, rund dreißig Jahre nachdem er zu Weihnachten geboren wurde, als unser Erlöser und Gottes Sohn. Amen)
Resozialisierung und soziales Lernen
Lieber Wolfgang Jasmer, selbstverständlich ist es, für Gefangene zu beten. Aber ein guter persönlicher Hinweis. Dies ist schon schlimm dass die Gefangenen am Samstag und Sonntag nur sich selbst überlassen sind. Ich meine dies auch nicht einseitig deshalb, weil man die Gefängnisstrafe, die ja eben auf STRAFE ist, nicht unbedingt versüßen sollte. Aber es geht ja um Resozialisierung. Wer aber in ihr nur Härte erfährt, wird – auch wegen der Mitgefangenen – nicht unbedingt ein besserer Mensch. Wenn Personal fehlt, kann ich zwar die Maßnahmen nachvollziehen. Aber wenn die JVA ausser einer Verwahranstalt und Schutzmaßnahme für die Bevölkerung ist, geht es in ihr doch auch um soziales Lernen (wobei dies zugegeben schon fast wie Utopie klingt).
Lieber Herr Hehner,
deutche JVAs sind KEINE Orte, in denen „nur Härte“ erfahren wird. Es ist sehr komplex! Ich empfehle dazu auch unbedingt die Lektüre der Werke des amerikanischen Militärgeistlichen Merlin Carothers, z.B. „Ich suchte stets das Abenteuer“.
Wie man deutschen Knast erleben kann, ist sehr unterschiedlich, wie alles im Leben. Stichwort „versüßen“: In der einen JVA (Augsburg Gablingen) gibt es so wenig Zucker in der „Kost“, dass man denselben nach ein paar Tagen in der Zahnpasta rausschmeckt; in einer anderen JVA (Aichach) gibt es für „fleischlos“ Beköstigte hin und wieder Kaiserschmarrn oder Apfelstrudel mit Vanillesauce, wo man sogar merkt: Das ist MIT LIEBE zubereitet, vielleicht von den Frauen im Haupttrakt…?
Die meisten deutschen Mithäftlinge, die ich kennenlernen durfte, saßen wegen „BTM“-Vergehen ein, nicht wegen Handel, sondern wegen in D strafbarem „Eigenbedarf“. Manche von ihnen wissen, dass der betreute Entzug bzw. die „Substitution“ in der JVA ihre einzige Chance ist, aus dem Teufelskreis(!) der Drogen herauszukommen, sind voll Hoffnung, und dankbar, dass Gott bei ihnen ist. Einer gestand mir aber auch seinen Frust darüber, dass er hier wieder angefangen habe, Zigaretten zu rauchen, wo er es in Freiheit doch geschafft hatte, auf E-Zigaretten umzusteigen. Aber im Knast raucht eben (fast) jeder, so wie in den anderen „Anstalten“ (Psychiatrie), und zwar sowohl die Bediensteten als auch die Insassen. Dank toleriertem Nikotin- und kostenlosem TV-Konsum bleiben Eskalationen hier in der Regel aus, trotz „Eingesperrt-Sein“ – das hat sich wohl so bewährt, und wird sich nicht ändern.
Als Nicht- bzw. Ex-Raucher und TV-Verweigerer bin ich da ein Sonderling. Aber das war Jesus auch, mit seinem „liebet eure Feinde!“, und das Fernseh-„Gedudel“, das immer aus jeder anderen Zelle kommt, ebenso wie die Nikotinschwaden zu ertragen, ist sinnvoller, als dagegen aufzubegehren, durfte ich lernen.
Ich werde voraussichtlich ab dem 4. Januar neue Erfahrungen sammeln, wieder in einer anderen Bayerischen JVA, Preis dem Herrn.
Und bin froh, Morgen noch in Freiheit (und zum ersten Mal für mich :-)) mit meinem Kirchenchor im Weihnachtsgottesdienst zu singen „Agnus Dei – dona nobis pacem“.
Ihnen und allen Lesern dieser Zeilen wünsche ich einen besinnlichen 4. Advent, und Weihnachtstage im Bewusstsein der Dankbarkeit, dass wir in einem weitgehend mit Frieden gesegneten Land leben, in dem es genug zu Essen für alle gibt, saubere Luft, und frisches Wasser fast umsonst, und nur selten Naturkatstrophen. Und aktuell ohne Rauch-, Masken-, und TV-KonsumPFLICHT, Halleluja, Amen.
PS: Danke für Ihre Gebete für die Insassen von Einrichtungen, die an Feiertagen darunter leiden, dass ihre Unterkunft wirtschaftlichen Kriterien genügen muss, und daher die teure Feiertagsarbeit minimiert, mit zusätzlichen Einschränkungen für alle Betroffenen.
Liebe Redaktion!
Falls Sie meinen letzten Kommentar NICHT veröffentlichen wollen, löschen Sie ihn bitte nicht!
Sondern schicken Sie mir erst eine Kopie. Habe nämlich keinen Screenshot davon gemacht, und mir sind die Worte, die ich da gefunden hatte sehr bedeutsam und wichtig.
herzlichen Dank und schöne Weihnachtstage,
Wolfgang Jasmer
Ist online, wir hatten frei. Gesegnete Weihnachten!
Danke, dass Ihr wieder da seid.
… Das ist eben der große Unterschied, zwischen: JVAs, Kaufhäusern, mir, jesus.de etc. auf der einen Seite, und JESUS: JESUS hat nie frei, er ist IMMER für uns da, an jedem Ort, zu jeder Zeit.
Alle Menschen können sich ändern, auch im Knast
«Zur Realität gehört aber auch: Um 15.15 Uhr ist Schluss. Und dann gehen die Türen zu», sagt Martin. Danach müsse jeder Gefangene den restlichen Heiligen Abend mit sich selbst verbringen“. Bei dieser negativen Regelung habe ich nach dem WARUM zu fragen. Menschen werden nicht besser, resozialisieren sich nicht reibungsloser, wenn solche strigenden Regelungen praktiziert werden. Alle Menschen, nicht nur in Knast, verändern sich, wenn man ihnen soweit mit möglich mit Achtsamkeit begegnet. Ansonsten sind im Regelfall die Zellentüren doch auch aufgeschlossen und es gibt Freizeitprogramme. Es wäre schon wichtig, welche Gründe ihr Nichtvorhandensein gerade am Heiligabend stattfindet? Ist es nur Personalmangel?