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Wenn das Wunder ausbleibt

In unseren Gemeinden zeigen wir uns stark und erzählen von Gottes Handeln. Aber was ist, wenn das Wunder ausbleibt?

Von Dorothea Bronsema

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Diese Sache mit der Schwäche. Sie ist unbeliebt. Wird oft kaschiert und als Makel angesehen. Wer möchte gern schwach sein in unserer Gesellschaft, die auf Leistung und Stärke getrimmt ist? In unseren Gemeinden erzählen wir in „Mit Gott erlebt-Zeiten“, wie Gott Wunder tut und unsere Schwäche in Stärke wandelt.

In den letzten Jahren bin ich stiller geworden, hin zu einer Fragenden. Von Geschichten umgeben, die auf ein Wunder warten. Ich erlebe Schwäche auch in meinem eigenen Leben. Werde konfrontiert mit Brüchen, Schmerzen und unlösbaren Konflikten. Und ich erlebte, dass Schwäche bleibt. Leid nicht einfach ausradiert werden kann. Die Schwäche muss Platz im Leben finden. Ein nicht ganz einfacher Prozess, den ich durchwanderte und immer noch durchwandere. Ein Weg, den ich mir nicht ausgesucht habe. Einer, dem ich mich zögernd stellte und auf dem ich beschenkt wurde. Ja, in mir lebt die Hoffnung und der Glaube, dass Jesus alles, aber auch wirklich alles verändern kann. Aber ich lebe in einer Wirklichkeit, die davon geprägt ist, dass Wunder ausbleiben, dass Schmerzen ertragen werden müssen. Das gehört für mich zum Leben und zum Glauben.

Leid kann nicht einfach ausradiert werden. Die Schwäche muss Platz im Leben finden.

Wo ist Gott?

Ich lebe in einer Welt, in der Krieg ist. Babys sterben. Ehen zerbrechen und auch Gemeinden oftmals kein sicherer Ort sind, um Schwächen ans Licht zu bringen. Viele Menschen haben mir ihre Geschichten erzählt. Geschichten am Tiefpunkt und mit einer Frage: Wo ist Gott hier zu finden? Einige erzählten mir, dass sie aufgehört haben, gegen ihre Schwäche zu kämpfen. Stattdessen haben sie begonnen, ihr einen Platz zu geben und ehrlich von ihr zu erzählen. Über Gottesbegegnungen an den tiefsten und schwächsten Punkten ihres Lebens.

Ich habe angefangen, diese Gespräche aufzunehmen in einem Podcast, weil ich sie so unglaublich wertvoll empfand. Nichts hat mich so sehr berührt wie diese authentischen Begegnungen. Eine Mutter erzählte vom Tod ihres Kindes. Vom Wunder, das ausblieb. Eine Freundin vom Bruch ihrer Ehe und wie ihr ganzer Glaube zusammenbrach. Ein Freund aus Israel berichtete vom Leben im Krieg. Ein Pastor erzählte von einem Punkt, an dem er nicht mehr konnte und zusammenbrach. Geschichten aus dem wahren Leben. Fragen, die kaum zu ertragen sind. Lebensrealitäten, die kaum Platz fanden im Gemeindekontext. Das hat mich sehr umgetrieben.

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Der Schwäche Raum geben

Ich habe oft den Eindruck, wir sind kurz betroffen, wenn wir solche Geschichten hören. Aber die lange Etappe mit einem Menschen am Tiefpunkt zu gehen – das fällt uns unglaublich schwer. Schnell gehen wir über in unsere Lobpreiszeiten und übergehen die Menschen, die sich gerade verloren wie noch nie fühlen. Im Regen stehen gelassen. Allein mit ihrer Not. Allein mit der Frage, ob Gott sie liebt, ob sie mehr beten und glauben müssten, um ihre Situation zu verändern.

Als ich anfing darüber nachzudenken, kamen vor allem Fragen auf. Ist Gottes Nähe – am Tiefpunkt, in der Schwäche und im Kampf – nicht das Entscheidende, was uns durchbringen wird? Werden wir nicht alle einmal auch unseren letzten Kampf mit der Schwachheit, die zum Tod führt, kämpfen müssen? Brauchen wir nicht – nötiger als alles andere auf der Welt – die Gewissheit, dass wir Geliebte sind, ohne Wenn und Aber? Und das gerade dann, wenn wir uns schwach und elend fühlen? Mitweinen. Mitfragen.

Auch die unangenehmen Fragen stellen

Kann ich eine solche Freundin sein, auch wenn Schwäche und Leid Teil eines Lebens bleiben werden – ohne ständig dagegen anzubeten oder kluge Weisheiten zu vermitteln? Könnten unsere „Mit Gott erlebt-Zeiten“ auch ehrlichen Austausch beinhalten über das, was wir nicht mit Gott erleben? Was bräuchte es, um solche Prozesse in christlicher Gemeinschaft anzuschieben? Könnte es sein, dass in uns ein Bild des Glaubens schlummert, dass eigentlich alles gut, heil und vollkommen sein müsste, wenn wir mit Jesus auf dem Weg sind? Und wenn es nicht so ist, dass dann etwas mit unserem Glauben oder unserem Gebet nicht stimmt?

Ich weiß, diese Fragen sind nicht angenehm. Denn sie entlarven, wo wir uns am liebsten aufhalten und welchen Geschichten wir gerne Raum geben. Ich weiß, diese Fragen könnten unsere Prozesse und Konzepte in Gemeinde hinterfragen und stören. Ich weiß, wir könnten uns plötzlich hilflos fühlen. Und mittlerweile ahne ich aber auch, dass sie uns zu einem heiligen Moment führen könnten, an dem wir spüren, dass wir nicht alles „machen“ und „verändern“ können.

Könnte es sein, dass in uns der Glaube schlummert, dass alles gut, heil und vollkommen sein müsste, wenn wir mit Jesus auf dem Weg sind?

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Wenn Schwache zu Fremden werden

In diesem Sommer predigte ich bei einer Zeltveranstaltung. Im eigenen Prozess des Umgangs mit Tiefpunkten und Schwächen wollte ich mich in den Predigten genau diesem Thema stellen. Ich rang wie nie um Worte und war selbst so berührt von meinen eigenen Fragen. Ich wollte keine schnellen Antworten finden, sondern wirklich nachdenken über einen Glauben am Tiefpunkt. Über die Karfreitage und Karsamstage des Lebens, die noch nichts ahnen können von Auferstehung und Neuanfang.

Es kostete mich Mut. Viel Mut. Ich sprach Sätze aus, die ich vermutlich so noch nie ausgesprochen habe. Sätze mit offenem Ende. Sätze, die versuchen, das Unaussprechliche auszuhalten. Viele Menschen erzählten mir daraufhin ihre Geschichten. Teilten ihr Herz, ihre Tränen und ihre Fragen. Vom Erleben, dass Schwachheit ins Leben kam. Vom Tod, der unerwartet ins Leben kam und das Liebste wegnahm. Von Schwäche, die ins Leben einzog und einfach blieb. Vom sich Fremdfühlen in christlicher Gemeinschaft.

Schwachheit willkommen heißen!

Eine Begegnung hat mich besonders berührt. Die Eltern eines Kindes mit mehrfachen Beeinträchtigungen kamen auf mich zu und sagten: „Seit Jahren haben wir das Gefühl, mit unserer Geschichte und unserem Leid nicht mehr in Predigten vorzukommen. Wir passen nicht mehr. An diesem Wochenende hat zum ersten Mal jemand ausgesprochen, wie wir uns fühlen. Das hat uns sehr ermutigt. Das lässt uns neu glauben, dazuzugehören mit unserer Geschichte.“ Es hat mich berührt und es hat mich erschüttert. Es hat mich neu träumen lassen. Was könnte geschehen, wenn Gemeinden Orte wären, an denen Leid und Schwachheit wirklich willkommen sind? Wirklich willkommen. Ein Ort, an dem wir die Wunder feiern und da sind, wenn die Wunder ausbleiben.

Was könnte geschehen, wenn Gemeinden Orte wären, an denen Leid und Schwachheit wirklich willkommen sind?

Während meiner Predigtvorbereitungen hatte ich einen Moment, der eine ganz neue Gewissheit in mein Herz brachte. Bei all dem Ringen und Kopfschütteln. In allen Fragen und Herausforderungen spürte ich ganz neu ein Geliebtsein in dem, was ist. Den Gott, der aushält, der liebevoll hinsieht und der uns immer weiter zu sich lieben wird – in allem! Vielleicht ist das genau das Geheimnis unseres Glaubens, dass wir eines wirklich erfahren dürfen: Wir glauben an einen Gott, der selbst Schwäche kennt. Ein Gott, der uns deshalb nah sein wird, wenn wir uns schwach fühlen – immer.

Dorothea Bronsema ist freie Referentin und Autorin, Bloggerin und Podcasterin (Willkommen an meinem Tisch – Gespräche mit Goldrand).


Dieser Artikel ist in der Zeitschrift AufAtmen erschienen. AufAtmen erscheint im SCM Bundes-Verlag, zu dem auch Jesus.de gehört.

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9 COMMENTS

  1. Ja, wir erwarten als Kinder Gottes, dass ein besonderer Segen auf uns liegt, der nicht erst in der Ewigkeit wirksam wird, sondern uns hier und jetzt erreicht. Und die meisten von uns denken dabei nicht nur an einen verborgenen inneren Frieden, sondern verbinden damit auch Bewahrung vor Krankheit und Leid, materielle Versorgung usw.
    Ich denke das ist völlig legitim, nur sollten wir realistisch bleiben, im biblischen Kontext und im tatsächlichen Leben werden wir konfrontiert mit Dingen die uns nicht gefallen. Wir leben in einer gefallenen Welt und der Tag wo es kein Leid und keine Tränen mehr gibt liegt noch ein Stück in der Zukunft. Meine Erfahrung ist die: besonders charismatisch orientierte Gläubige tun sich schwer in diesem Spannungsfeld zu leben und erfahren dann auch die stärkste Enttäuschung, wenn die Schwere des Lebens zuschlägt.
    Echte Gemeinschaft, Ehrlichkeit mit den eigenen Unzulänglichkeiten, eine gesunde Theologie und ein geerdeter Frömmigkeitsstil können hier sehr hilfreich sein und vor Abstürzen bewahren !

  2. Ein sehr interessanter und guter Artikel, der nebenbei auch zeigt, welch fromme Fassade in den „Gemeinden“ leider oft gepflegt wird.
    Der Heilige Geist ist nur da, wo es echt und ehrlich zugeht; alles andere ist Menschenwerk …

    • Die Schwäche muss Platz im Leben finden

      Lieber Herr Wößner: Was sie schreiben ist hier durchaus richtig. Ich hoffe, auf diesem Weg laufen wir alle, aber ohne schon am Ziel zu sein, perfekt und bereits im Ewigen Leben. Ich glaube an den guten Willen von vielen praktizierenden Christinnen und Christen, aber nicht an Ihre und meine Perfektion. Deshalb müssen wir Geduld haben nicht nur mit anderen, sondern auch mit uns selbst. Und ich denke, da hilft uns der Heilige Geist. Dabei bin ich aber, und ich denke niemand von uns, wirklich in der Lage ein Gutachten abzugeben wo, wann und vorallem bei wem der Heilige Geist wirkt. Auch nicht bei den Gemeinden mit den angeblich nur frommen Fassaden. Eine Lebensweisheit sagt, daß wenn man wie mit einer Lupe nach Fehlern sucht, auch sehr viele Fehler findet. Die Bergpredigt sagt da zurecht, daß wir den gleichen Maßstab nur an einen Mitmenschen anlegen dürfen, wenn wir ihn vorher bei uns ebenso anlegten. Nicht – also vorallem nicht vorschnell – zu urteilen und zu verurteilen – ist zumeist auch mein Problem und da bin ich leider nicht einziger. All dies wird begreifbarer, weil bereits die Urgemeinde vor 2000 Jahre wusste, daß unter Glaube, Hoffnung und Liebe nur die Liebe auch die Größte sein darf. Daher, weil Liebe nur eine solche sein muss, wenn sie absichtslos und zudem im Ideal ohne Vorbedingungen ist, wie jene große Liebe unseres Gottes. Dies soll sich nicht wie Belehrung für Sie anfühlen. Sie dürfen auch eine andere Auffassung haben, oder meiner Auffassung gerne zustimmen. Und wie Menschenwerk aus dem Werk Gottes entsteht, weis keiner perfekt.

      Denn m.E. ist nur das Menschenwerk gegen den Willen Gottes ungerechtfertigt. Aber damit stelle ich die schwierigste aller Fragen in den Raum, weil diese etwa bei Krieg und Frieden anfängt ungemütlich zu werden, da wir sogar als sehr Friedensbewegte bildlich gesehen auf einer stets nach oben fahrenden Rolltreppe stehen und wir nicht bei allen Dingen, die der Staat demokratisch beschließt, einfach ausserirdisch auswandern, oder uns nur weigern Steuern zu zahlen. Wehrdienstverweigerer durfte man sein ohne Gewissensprüfung, aber aus dem Staat austreten, weil der viele Waffen kauft daß damit Menschen getötet werden können, kann ich aber leider nicht. Es ist also in einer komplizierten Welt vieles leider ebenfalls kompliziert. Die Bibel erlaubt ebenfalls nicht, sich mit einem Schwert auszustatten. Leider steht es, wegen falscher Übersetzung aus aramäischer Sprache ins Griechische und wieder ins aramäische, leider doch so in der Bibel, weil aramäisch für Schwert und Messer nur gleiches Wort existiert. Mit dem Schwert hat man aber auch die Kreuzzüge begründet. Und das Messer brauchte auch der Wanderprediger Jesu, um nicht zu verhungern. Denn ich würde mich freuen wenn ihre Behauptung realistisch wäre, daß die Zusammenhänge der Bibel ausreichend sind und es keine tieferen Überlegungen bedürfte. So einfach ist die Welt nicht. Sonst wäre Jesus unnütz gekommen, es brauchte keine Erlösung, keine Vergebung und die Welt gäbe es überhaupt nicht, weil das Paradies nie für uns verloren ging. So hätte auch Kain seinen Bruder Abel niemals erschlagen. Denn auf unserer aller Heimkehr zu Gott warten wir alle noch sehnlichst. Die Welt ist unheil und derzeit bleibt das Wunder der Neuen Schöpfung noch aus.

  3. Ich war total schwach, denn ich war in Depressionen und anderen unschönen psychischen Defekten gefangen. Aber durch die Erkenntnis der Wahrheit, habe ich, wie von Jesus Christus verheißen (Joh. 8,32), herausgefunden, sodass ich mit 75 Jahren rückblickend sagen kann, meine Probleme ließen sich alle lösen. Wir betrachten Glauben noch viel zu sehr unter einem gemütsmässigen Gesichtspunkt und nicht unter dem der Wahrheit. Deshalb gilt mein Einsatz der Aufklärung der Gläubigen über die tieferen Zusammenhänge. Ein Produkt davon ist dieses, zum Thema passendes: https://www.academia.edu/88153640/Gottes_verpasste_Chancen_ , weitere Vertiefung des christl. Glaubens findet man auf https://manfredreichelt.wordpress.com/

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