Neun regionale Kommissionen sollen ab diesem Frühjahr zur unabhängigen Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in Kirche und Diakonie beitragen. Kirchenvertreter sind darin in der Minderheit.
Grundlage für die sogenannten „Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommissionen“ sei eine Vereinbarung über Standards zur Aufarbeitung von Missbrauch mit der Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Kerstin Claus, aus dem Dezember 2023, wie die Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und die Diakonie jetzt mitteilten
Aufgaben dieser Kommissionen sind unter anderem Fälle sexualisierter Gewalt zu erheben, Ursachen für Missbrauch aufzudecken und den Umgang mit Betroffenen der Gewalt zu analysieren. Geplant sind neun dieser regionalen Kommissionen. Doch nur in sieben startet die Arbeit im Laufe des März und Aprils, wie es heißt. ln Sachsen und im Verbund Niedersachsen und Bremen verzögert sich der Start.
Besetzung: Unabhängigkeit soll gewährleistet sein
In den Kommissionen sitzen neben Betroffenen, Expertinnen und Experten auch Vertreter der Landeskirchen und Landesverbände der Diakonie. Um die Unabhängigkeit zu gewährleisten, dürften weniger als die Hälfte der Mitglieder Beschäftigte der evangelischen Kirche oder der Diakonie sein oder einem ihrer Gremien angehören, hieß es. Externe Experten werden unabhängig durch die jeweiligen Landesregierungen benannt.
Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Kirsten Fehrs, sagte laut Mitteilung, mit den Kommissionen könnten regionale Aspekte präziser in den Blick genommen werden, Fälle systematisch erhoben und gezielte Empfehlungen gegeben werden. Im Januar 2024 hatte ein unabhängiges Forscherteam bereits eine übergreifende Missbrauchsstudie für die EKD und die Diakonie veröffentlicht.
Viele Jahre erst nach der katholischen Kirche bewegt sich auch hier etwas. Hat man anfangs noch die Probleme bestritten – obwohl es bekannte Pädophile in der Kirche gab – waren viele vom Ausmaß überrascht dass es die evangelische Kirche ähnliche Opferzahlen hat. Der Zölibat scheint nicht das Problem zu sein, was anerkannte Psychologen schon länger bestätigen.
Aber es war so einfach sich hinter der katholischen Kirche zu verstecken. Einfach und Menschenverachtend. So Menschenverachtend, dass man bei der Missbrauchsstudie gespart hat und die Ergebnisse bestenfalls eine oberflächliche Betrachtung ermöglichen.
Nun geht es Jahre später in die nächste Stufe, bin schon gespannt ob die evangelische Kirche sich nun endlich bewegt oder ob es ihr weiterhin egal ist.
Ich stimme deiner Bewertung der Lage zu.
Noch gravierender allerdings ist die Lage in den Freikirchen, die sich bisher einer systematischen Untersuchung vollkommen verweigern.
Erste Untersuchungen in Deutschland lassen auch dort ein riesiges Dunkelfeld vermuten. Aber der Kopf wird tief in den Sand gesteckt.
Rückfrage: Verweigern sie sich aktiv? Welche Quelle haben Sie dafür? Unstrittig ist, dass es auch dort Missbrauch gibt. Über eine (nicht wissenschaftliche) Studie dazu hatten wir 2024 berichtet. Aber gleichzeitig gibt es dort auch ernsthafte Bemühungen. Wenn ich mich nicht irre, ist z. B der Bund FeG Kooperationspartner der Kampagne „Kein Raum für Missbrauch“ der Bundesregierung. Unabhängige Anlaufstellen bietet z.B. auch der BEFG. Dazu gibt es Schutzkonzepte, Schulungen etc. Bei anderen Freikirchen weiß ich es gerade nicht, das dürfte aber ähnlich sein. Hinweis: Ich selbst bin kein Freikirchler.
Bleibt die Aufarbeitung. Ich habe da etwas im Hinterkopf, komme aber gerade nicht darauf. Also zurück zu meiner Eingangsfrage: Wer verweigert sich aktiv? Die Quelle würde mich dienstlich und privat interessieren. MfG, Daniel vom JDE-Team
Es geht mir nicht um Einzelmaßnahmen und einzelne Gemeinden, deshalb schrieb ich `systematische`Untersuchungen, ähnlich dem, was jetzt endlich in der EKD passiert.
Ich hatte mir vor dem Schreiben des posts 3 Quellen angeschaut:
Die erste war vom Sonntagsblatt und bezieht sich auf eine nicht repräsentative Umfrage aus 2024. Ich vermute, dass das die Studie ist, über die ihr auch berichtet habt:
https://www.sonntagsblatt.de/artikel/kirche/ergebnisse-veroeffentlicht-neue-umfrage-beleuchtet-sexualisierte-gewalt-im
Zitat: „Erste Recherchen zur Häufigkeit von sexualisierter Gewalt in freikirchlichen Gemeinden seien ins Leere gelaufen. Es gäbe weder belastbare Zahlen, wie viele Menschen betroffen sind oder waren, noch eine öffentliche Debatte über den Umgang mit derartigen Vorfällen oder deren Aufarbeitung.“
Folgender Audioartikel beschreibt die Tätigkeit des Theologen Christian Rommert. Dieser baut solche Anlaufstellen auf, die Du beschreibst. Aus dem Artikel geht aber hervor, wie schwierig das bei den doch sehr selbständigen Gemeinden ist und wie begrenzt diese Arbeit ist. Und auch, wie sehr der Missbrauch in den Strukturen/der Theologie von Freikirchen begründet und begünstigt ist
Und es wird nirgends im Artikel gesagt, dass es eine grundsätzliche Erfassung und Aufarbeitung über einzelne Gemeinden gegeben hat analog wie jetzt bei der EKD oder vor einigen Jahren bei der r.-kath. Kirche. Ich habe nirgends etwas von solcher Aufarbeitung gefunden. Wenn Du so etwas kennst, wäre ich sehr interessiert.
https://www.deutschlandfunkkultur.de/ich-mache-dich-zu-lots-tochter-missbrauch-in-evangelischen-freikirchen-dlf-kultur-bc0aba62-100.html
Dieser idea-Artikel sagt in der Headline aus, dass es solche Studien in Freikirchen auch nicht gibt:
https://www.idea.de/artikel/sexualisierte-gewalt-in-freikirchen-ein-anwalt-spricht-klartext
(ich kann ihn nicht weiter lesen, ich denke aber, ihr werdet das in der Redaktion sicher können)
Das alles zu sexuellen Missbrauch. Würde man das Thema um geistlichen Missbrauch erweitern, wäre es noch viel krasser. Ich denke übrigens, dass es da deutliche Überschneidungen geben wird, denn geistlicher Missbrauch schafft natürlich auch begünstigende Voraussetzungen für sexuellen Missbrauch.
“ Noch gravierender allerdings ist die Lage in den Freikirchen, die sich bisher einer systematischen Untersuchung vollkommen verweigern.“
Das “ vollkommen “ stimmt nicht.
Du machst sehr viel Druck, warum auch immer, und gehst kaum über eine anklagende Haltung hinaus.
Es braucht Zeit, bis man solche Strukturen wie sie vor allem, aber nicht nur, in freikirchlichen Gemeinden vorkommen.
Themen wie Gehorsam, charismatische Leitende begünstigen den Machtmissbrauch, danke für den recht aufschlussreichen Link Dlf kultur. Dieses Thema nervt mich schon lange , daher finde ich es erfreulich, dass ich in meinen Überlegungen auch mal bestätigt werde, direkt oder indirekt.
Geistlicher, sexueller und Machtmissbrauch bedingen einander, nur müssen sie nicht unbedingt zusammen vorkommen.
Wenn man diesen Strukturen auf den Grund geht, erkennt man, dass nicht nur die Täter das Problem sind, sondern, dass es auch darauf ankommt, sich selbst als Gemeindemitglied zu emanzipieren, dann lösen sich auch allmählich die Missbrauch begünstigenden Voraussetzungen oder Strukturen von selbst auf.
> Du machst sehr viel Druck, warum auch immer, und gehst kaum über eine anklagende Haltung hinaus.
Ich wollte, ich könnte Druck machen. Leider kann ich nur posten und in Gesprächen thematisieren. Austreten kann ich nicht mehr, das bin ich ja schon, allerdings aus anderen Gründen und schon vorher.
‚warum auch immer‘ finde ich bei zigtausendfachen Missbrauch von Kindern, Frauen und auch Männern eine merkwürdige Frage. Ist dieser Missbrauch und der beschämende Umgang damit denn für Dich kein Grund?
> Es braucht Zeit
Den Missbrauch wird es seit Jahrhunderten in Kirchen geben. Thematisiert wurde er in der BRD immer mal wieder seit Gründung der BRD. Verstärkt seit den 70er Jahren und ganz massiv seit Anfang dieses Jahrtausends
https://de.wikipedia.org/wiki/Sexueller_Missbrauch_in_der_r%C3%B6misch-katholischen_Kirche_in_Deutschland#Einsch%C3%A4tzungen_zum_Ausma%C3%9F
An der Zeit lag es nicht, dass sich bisher so wenig getan hat.
“ An der Zeit lag es nicht, dass sich bisher so wenig getan hat. “
Woran dann ?
Möglicherweise aber daran ?
Ein paar Zitate aus dem von dir angegebenen Link:
“ Ignorieren der Opfer „:
(…)
Somit wälzen sie ihre persönliche Verantwortung für unverantwortlichen Umgang mit Missbrauchstätern in den eigenen Reihen ab.“
Das ist ein eher unsachliches Urteil .
“ Ursula Enders, Leiterin von Zartbitter, einer Einrichtung gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen und Jungen in Köln, wies 2012 darauf hin, dass es ihrer Erfahrung nach keinen Unterschied in den Fallzahlen zwischen katholischer und evangelischer Kirche gebe.[283] “
“ Der Gerichtspsychiater Reinhard Haller sagte im Juni 2019 bei einer Fachtagung, deutsche Untersuchungen zufolge seien nur drei Promille der Missbrauchsvorfälle auf kirchliche Institutionen zurückzuführen. 30 Prozent der Anzeigen wegen Missbrauchs seien Fehlanzeigen mit oft unangenehmen Folgen für die Beschuldigten.[284] “
Auch das muss berücksichtigt werden.
Wahrheitsliebe ist Grundvoraussetzung, finde ich.
also alles nicht so schlimm oder wie soll ich dein Posting verstehen?
Sorry, das sehe ich anders.
Wobei es bei den Kirchen ja um das (nicht-)Handeln der Institution geht. Und das Täter geschützt wurden. Das Thema ist bezüglich Kirchen deutlich umfangreicher als nur die reinen Missbrauchsfälle.
Und Respekt vor Frau Enders: 2012 gab es noch die vorherrschende Denkweise in der EKD, dass ja alles nicht so schlimm bei ihnen sei, da kein Zölibat, etc.. Da war sie früh dran mit ihrer wahren Aussage.
Leider wieder einmal kein Response, du wünschst keine Antwort ?
Ich antworte, weil dein Rückschluss ;
“ also alles nicht so schlimm oder wie soll ich dein Posting verstehen? “
meinen Kommentar verzerren würde.
Es gibt kein “ (nicht-)Handeln der Institution „. Ich denke da an den Berg und den Propheten.
Falsches Verhalten basiert oft auf Unvermögen, nicht immer steckt eine böse Absicht dahinter. Womit ich absolut nicht die Täter meine, sondern diejenigen, die aus falsch verstandener Loyalität die Täter geschützt haben. Das heißt auch nicht, dass alle unschuldig sind. Ich will es weder bewerten, noch erörtern, nur möchte ich nicht dauernd missverstanden werden.
Interessant, dass Frau Enders deinem überkritischen Wesen stand hält ! Wow,
doch ernsthaft, der Zölibat ist nicht an allem Schuld.
Ich finde die Sache unfassbar.
Es gibt zumeist guten Aufkärungswillen
Ihr lieben Mitkommentatoren,
ich frage mich auch, welche Quelle wo eindeutig beweist, man habe bisher die Probleme bestritten. Das nehme ich keinesfalls flächendeckend für die EKD und ihre Landeskirchen, die Freien Ev. Gemeinden und unsere katholischen Geschwister an. Aber auch ein Gleichnis beschreibt ja schon vor 2000 Jahren, daß dort wo der Weizen wächst, es auch das Unkraut ihm leider gleichtut. Ich glaube nicht, daß die hier skizzierte Aufgabe leicht sein wird, sie wird ganz viel Zeit brauchen nicht wegen langsamer Arbeit, sondern weil Absicht und Inhalt ein Tabuthema berührt (wobei es aber eigentlich schlimm wäre, wenn es kein Tabuthema wäre, sondern nur eine Sache). Die Aufklärung ist in jeder Weise schwer, niemand hängt sich ein Schild um, er sei ein Betroffener – oder gar ein Täter – und keinesfalls kann es bei jeder Form inhaltlicher und juristischer Aufklärung auch eine Konsequenzen und eine Verurteilung geben, wenn nicht auch eine Schuld feststeht. Wenn ich dies alles richtig verstanden habe – denn unlängst gab es einen sehr guten Gottesdienst in der Landeskirche der Pfalz mit Betroffenen und Opfern – sind die Bemühungen einer dort beschriebenen Kommission der EKD nicht nur ernsthaft, sondern sehr eifrig und eben auch schwierig, da man nicht nur sich bemüht, sondern (wenn der Begriff überhaupt erlaubt ist) mit Herzblut daran arbeitet. Danke auch lieber Daniel für deine eigene Einordnung. Jedenfalls sollten wir den guten Willen für die Aufklärer:innen auch äußern, was ich hiermit tue.
wie viel Zeit denn noch, bis man mal richtig anfängt?
Wir reden darüber inzwischen schon Jahrzehnte.
Das nennt man nicht Aufklärung sondern Verschleppung.
Es stellt sich hier doch die Frage, um bei deinem Bild zu bleiben, ob das Feld voller Unkraut ist mit ein paar Ähren Weizen dazwischen oder ein Weizenfeld mit etwas Unkraut. Nach der bisherigen Sachlage scheint es eher ein Unkrautfeld.
Die Macht des Faktischen und die nichtheile Welt sind ärgerlich
Hallo Chey: Es hat niemand einen Zauberstab und solche Problemfelder wie der Sexuelle Mißbrauch lässt sich nicht im Schnell-Lauf beseitigen. Realismus ist angesagt, auch wenn dies bei dem Thema sehr unangemessen erscheint. Mit einer Ächtung der Atombomben oder gar des Krieges überhaupt hat man ja noch nicht einmal angefangen. Und ich bin nicht dafür verantwortlich daß wir in einer komplizierten Welt leben, die weder heil ist noch mit Kinderverstand und einem Finderschnippsen verändert werden kann. Genauso könnte man ja auch fragen, warum Gerichtsverfahren – egal welche – so lange dauern bis sie anfangen. Die Macht des Faktischen mag niemand lieben, das darf man sogar verachten, aber es nutzt nichts. Hätten wir eine heile Welt, die es nicht gibt, müsste das niemand schreiben. Wir haben aber keine. Und die Welt ist auch kein Unkrautfeld, denn ich wehre mich dagegen daß ich nicht zu den Guten gehöre, auch wenn ich es mir als Privatmensch erlaube, realistisch zu denken und nicht unsinniges Wunschdenken verbreite. Im Altertum gab es Propheten, denen aufgetragen war, das Wunschdenken der Alleinherrscher zu kultivieren und zur Wahrheit zu machen. Wer nicht funktionierte war bald einen Kopf kürzer. Diese Methode ist die radikalste Abkürzung des Denkens im Gehirn die es gibt. Danach kommt sofort das Vorurteil. Das Böse an sich wird man nie ausrotten können, aber man muss ihm Brandmauern bauen. Wer das anders sieht, macht nichts verbotenes, aber er verkündigt ein Wolkenkukucksheim. Gerne darf man realen Utopien nacheifern, aber die dauern leider und manche sind nicht möglich.
Deine Art der Argumentstion wird explizit im grossen EKD-Gutachten genannt.
Und zwar als Teil des Problems.
Du solltest es wirklich mal lesen.
Gut, dass es geschieht.
Schlimm, wie lange es gedauert das, dass es geschieht.
Abzuwarten, wie weitgehend und offen es seitens der Kirchen geschieht. Bisherige Untersuchungen und das Verhalten der Kirchen bisher lassen da leider wenig Gutes erwarten.
Wie meinst du das ?
“ Niemand kann zwei Herren dienen: Entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird an dem einen hängen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon. (Lk 16,13; Jak 4,4) “
Das scheint mir des Pudels Kern bei der Betarchtung der Geschichte zu sein.
Ich fürchte , dass Frau Bischöfin Fehrs schon ganz in ihrem Element , der Amtsausübung, agiert.
Des Pudels Kern ist, dass immer noch die Institution Kirche über die von Missbrauch Betroffenen gestellt wird und dass es deshalb in der Regel kaum Willen zur umfassenden Aufklärung gibt. Das wurde ja sogar in der letzten umfassenden EKD-eigenen Studie festgestellt (Stichwort ‚Spitze der Spitze des Eisbergs‘)
Dein Bibelzitat verstehe ich in diesem Zusammenhang nicht bzw. man kann es sehr gegensätzlich deuten und mir ist nicht klar, wie Du es deutest.