- Werbung -

Forscher: Missbrauch geschieht in liberalen und konservativen Gemeinden

Sexualisierte Gewalt kann nach Aussage des Hamburger Kirchenhistorikers Thomas Großbölting in allen evangelischen Gemeinden vorkommen – egal ob liberal oder traditionell.

Sowohl in den traditionellen als auch in den liberalen Gemeinden machten sich die Missbrauchstäter die jeweiligen Strukturen zunutze, sagte Thomas Großbölting, Mit-Autor der Missbrauchs-Studie für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und der Diakonie, die vergangenen Donnerstag vorgestellt wurde.

- Werbung -

Ein zentraler Befund der Studie des unabhängigen Forschungsverbunds «ForuM» sei die Beobachtung, wie parallel in der katholischen und evangelischen Kirche geistliche Ämter Risikofaktoren seien. «Bei allen Unterschieden scheinen mir die grundlegenden Mechanismen sehr ähnlich zu sein. Und das finde ich erstaunlich», sagte Großbölting. Auch auf der evangelischen Seite gebe es «eine ebenso große und im Tatfall dann fatale Pastoralmacht». Im Protestantischen scheine nicht wie in der katholischen Kirche die formale Weihe der ausschlaggebende Punkt zu sein, sondern eher die Einbindung in die Institution und die besondere Herausgehobenheit des Pfarrers.

„Machtvergessenheit“

Die Tatsache, dass in den aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen der Gedanke der «Freiheit des Christenmenschen» zentral sei, scheine ebenso wenig vor Machtmissbrauch zu schützen wie die weitgehende Gleichstellung von Frauen und Männern. Der Kirchenhistoriker, der eine Aufarbeitungsstudie für das Bistum Münster leitete, sprach von «Machtvergessenheit». «Das vorherrschende Ideal der Geschwisterlichkeit, der Partizipation, der Demokratie verhindert, dass es klare Strukturen gibt, sowohl für die Aufarbeitung als auch für den Umgang mit Betroffenen, die versuchen, ihre Erfahrungen zu berichten», sagte er. Zugleich seien die Synodalstrukturen eine große Chance des Protestantismus, dürften sich aber nicht mit dem Fehlen von Verantwortlichkeiten und fachlicher Kontrolle verbinden.

Nach seiner Beobachtung gebe es in der evangelischen Kirche jenseits der etablierten Strukturen, also dem Beteiligungsforum, den Landeskirchenämtern, dem Rat der EKD, wenig Auseinandersetzung zu sexualisierter Gewalt. In der katholischen Kirche gebe es Laien-Bewegungen wie «Wir sind Kirche», «Maria 2.0», die katholische Jugend und das Zentralkomitee der Katholiken. Diese Gruppen und Verbände übten Druck aus, dass sich etwas ändere.

Quelleepd

3 Kommentare

  1. Es ist verständlich sexuelle Gewalt jeden fassungslos macht und man nach Ursachen sucht. Nur machen zu viele den Fehler, die Ursachen in der Struktur zu sehen. Als würden bestimmten Strukturen, bestimmte Regeln eher zu einem Missbrauch führen. Das ist, wie man aus vielen Untersuchungen weiß, falsch.

    Missbrauch geschieht und das überall. Täter sind weit verbreitet und man sieht es ihnen nicht an. Es kann der Freund sein, der Nachbar, der Kollege, der Bruder, der Ehemann …. und Vorschriften wie den Zölibat oder Klerikalismus (so kritikwürdig der auch ist) führen nicht zu Missbrauch. Es geschieht immer wenn Menschen krank oder sexuell falsch Veranlagt sind.

    Deshalb sind Initiativen wie Maria 2.0 vollkommen unsinnig und wie man am Reform-Ex-Bischof Bode oder Kardinal Marx sehen kann, sind auch reformorientierte Bischöfe fleißig beim Vertuschen gewesen.

    Es gilt ungeachtet dessen wie man das Christsein lebt, bestimmte Kontrollstrukturen einzubauen und Menschen in der Personalführung zu schulen. Die Strukturen müssen trainiert sein auf Opferschutz, nicht auf Täterschutz.

    Das wird nicht jeden Missbrauch verhindern, aber den Opfern helfen und weiteren Missbrauch ausschließen.

    • Mich lieber EinFragender macht der Sexuelle Missbrauch – die immer eine Form von Gewalt ist – ebenso fassungslos. Aber leider ist das kein kirchliches Problem alleine, egal ob die Gläubigen liberal oder traditionell sind (wobei schon diese Einkathegorisierung fragwürdig ist. Die Form der Frömmigkeit ist nicht ausschlaggebend dafür, dass ein Mensch in seinen eigenen Abgrund fällt, oder der Abgrund in ihn. Das betrifft aber leider alle nahen sozialen Beziehungen, angefangen von der Familie bis hin zum Sportverein. Wahrscheinlich ist dies schon so, seit von den den Bäumen gestiegen sind und wahrscheinlich ist dieses Übel genauso wie jede andere Form von Gewalt und Verletzung der Menschenrechte überhaupt nicht auszurotten. Daher kann nur mit Regeln im Umgang gearbeitet werden, die uns eigentlich von Grenzüberschreitungen schützen sollen. Selbstverständlich muss alles auch unbedingt bedingungslos aufgeklärt werden. Das Perfide der Grenzüberschreitung bei Sexueller Gewalt aber ist, dass auch die ernstgemeinteste Frömmigkeit davor nicht perfekt schützt. Leider ist es aus dieser Lage heraus erforderlich, vernünftig mit einer sozialen Pest abzufinden, die wir bis ans Ende unserer Tage nicht ausrotten können Ob alle, die man gerne des Vertuschens bezichtigt, es immer auch getan haben, muss dann im Einzelfall herausgefunden werden. Leider sind solche Ereignisse aber Selbstläufer, sie werden im Einzelfall gerne vorverurteilt.

Die Kommentarspalte wurde geschlossen.

Zuletzt veröffentlicht