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Missbrauchsstudie: Nur die Spitze des Eisbergs

Tausendfacher sexueller Missbrauch, dokumentiert in der von der katholischen Kirche selbst in Auftrag gegebenen Studie. Die Zahlen sind erschütternd – aber nur „die Spitze des Eisbergs“, sagen selbst die Autoren. „Ich schäme mich dafür, was im Namen der Kirche durch Amtspersonen geschehen ist“, sagte Kardinal Reinhard Marx bei der offiziellen Vorstellung.

Allzulange sei in der Kirche Missbrauch geleugnet, weggeschaut und vertuscht worden, so der Kardinal. „Sexueller Missbrauch ist ein Verbrechen.“ Wer schuldig sei, müsse bestraft werden. „Für alles Versagen und für allen Schmerz bitte ich um Entschuldigung. Ich schäme mich für das Vertrauen, das zerstört wurde. Und ich empfinde Scham für das Wegschauen von vielen, die nicht wahrhaben wollten, was geschehen ist und die sich nicht um die Opfer gesorgt haben. Das gilt auch für mich.“ Man habe in der Vergangenheit Machtstrukturen und einen Klerikalismus gefördert, der Gewalt und Missbrauch begünstigte.

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Zu den Zahlen. Im Rahmen des Forschungsprojekts fanden sich bei 1.670 Klerikern der katholischen Kirche Hinweise auf Beschuldigungen des sexuellen Missbrauchs. Davon betroffen waren insgesamt 3.677 Kinder und Jugendliche. Dies ist jedoch nur ein kleiner Ausschnitt der Realität. So wurde beispielsweise in 18 Diözesen lediglich der Zeitraum ab dem Jahr 2000 untersucht.

„Zu wenig die Opfer im Blick gehabt“

Bei der Aufarbeitung der Missbrauchsfälle erwarteten die Opfer einen „Mentalitätswandel“ der Kirche, der zunächst die Betroffenen im Blick habe und nicht den Ruf der Institution Kirche, betonte Professor Harald Dreßing vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim, einer der Autoren der Studie. „Wir haben in der Vergangenheit zu wenig oder gar nicht die Opfer im Blick gehabt“, bestätigte Kardinal Marx. „Ihnen muss Gerechtigkeit widerfahren. Wir müssen den Opfern zuhören. Wir wollen nicht an den Betroffenen vorbei den sexuellen Missbrauch in der Kirche bekämpfen.“ Ihm sei bewusst, dass viele Menschen der Kirche nicht mehr glauben würden. „Und dafür habe ich Verständnis.“

Die Veröffentlichung der Studie bezeichnete Marx als „wichtigen Tag“ für die Geschichte der Kirche in Deutschland. „Die Studie führt uns vor Augen, dass der sexuelle Missbrauch keine überwundene Thematik ist. 2010 dachten wir noch, dass das Thema in wenigen Jahren überwunden sein könnte. Jetzt sehen wir: Es ist noch viel mehr zu tun.“

„Meine Wut und Abscheu sind gewachsen“, unterstrich der Missbrauchs-Beauftragte der Bischofskonferenz, Bischof Stephan Ackermann. „Was wir hier hören, trifft ins innerste Herz des Evangeliums, deshalb kann uns das nicht kaltlassen.“ Die Opfer seien für ihr Leben gezeichnet und vielfach beeinträchtigt. „Das Ergebnis der Studie habe ich aufgrund meiner Tätigkeit zwar erwartet, aber es erschüttert mich trotzdem.“ Die Studie sei ein Forschungsprojekt, keine Aufarbeitung des Problems sexueller Missbrauch. „Aufarbeitung ist nötig. Das geht nicht ohne die Betroffenen und auch nicht ohne professionelle Hilfe.“

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Seit 2011 können Opfer der sexuellen Gewalt bei der katholischen Kirche Anerkennungsleistungen beantragen. Nach Angaben der Bischofskonferenz wurden bis Juli dieses Jahres 1.850 Anträge gestellt. Bis Ende 2015 erhielten rund 1.000 Antragsteller insgesamt 6,4 Millionen Euro.

Evangelische Kirche offen für unabhängige Aufarbeitung

In der Debatte um das Ausmaß sexuellen Kindesmissbrauchs zeigt sich die evangelische Kirche offen für die vom Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, geforderte unabhängige Aufarbeitung über Fälle in den Kirchen. „Richtig an dem Vorschlag ist der Ansatz, dass eine sachgemäße Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs nicht durch die betroffenen Institutionen allein erfolgen kann“, sagte der Bevollmächtigte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Berlin, Martin Dutzmann, dem Evangelischen Pressedienst. Im November 2018 wird sich die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mit dem Thema sexueller Missbrauch beschäftigen.

Die ehemalige Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) sagte am Dienstag: „Die Bedingungen für den Machtmissbrauch, für den Gewissensmissbrauch, dürfen nicht so gut sein, wie sie anscheinend bislang waren.“ Der Sozialpsychologe Heiner Keupp sagte, wenn die Kirche jetzt nicht ganz andere Wege einschlage, habe sie „sich selber ein Grab geschaufelt“.

Link: Die komplette Studie

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