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Völkermord in Ruanda: „Du hast das Bösartige in den Augen gesehen“

Als dem Genozid in Ruanda vor 20 Jahren bis zu einer Million Menschen zum Opfer fielen, sah die Welt lange weg. In Rheinland-Pfalz war das anders, denn dort hat das ostafrikanische Land viele Freunde. Und die fragen noch heute: „Warum?“.

Den Anfang machten zwei Donnerschläge am Himmel über Kigali, der Hauptstadt Ruandas. „Es kommt ein Gewitter“, meinte einer der Einheimischen, mit denen Willi Meckes am Abend des 6. April 1994 draußen vor der «Procure», einem katholischen Gästehaus, beisammen saß. Der Pfälzer, ehrenamtlicher Vorsitzender einer Hilfsinitiative, hatte Projekte im Norden des Landes besucht und wollte am nächsten Tag zurück nach Deutschland fliegen. Dass das Krachen am Himmel keinen tropischen Sturzregen ankündigte, ahnte Meckes sofort. Tatsächlich war das Flugzeug des ruandischen Staatschefs Juvénal Habyarimana abgeschossen worden – das Fanal für den Völkermord.

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Von den etablierten Entwicklungshilfeorganisationen anfangs belächelt und nicht ganz ernst genommen, ging das Bundesland Rheinland-Pfalz bereits 1982 eine offizielle Partnerschaft mit Ruanda ein. Seither sammelten etliche Gemeinden, Kirchen und Privatleuten Geld, um auf entlegenen Hügeln des ostafrikanischen Landes Schulen zu bauen und Brunnen zu bohren. Das Habyarimana-Regime galt für afrikanische Verhältnisse als gemäßigt autoritär, bald entstanden auch auf Behördenebene enge Kontakte zwischen Mainz und Kigali.

Peter Molt, einer der Gründungsväter der Partnerschaft, erlebte aber schon vor 1994, wie die alten Klüfte zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen der Hutu und Tutsi wieder aufbrachen. Ein ruandischer Regierungsbeamter habe ihm offen ins Gesicht gesagt: „Einem Tutsi kann man nie trauen, den kann man nur umbringen.“ Auch die berüchtigten Hass-Radiosender seien bereits bekannt gewesen, erinnert sich Carola Stein, die von 1992 an das Ruanda-Referat im Mainzer Innenministerium leitete. „Wir wussten, dass da vieles schiefläuft, viele Tutsi fühlten sich bedroht, aber die Leute arrangierten sich damit.“

Mit dem allmählichen Vormarsch der Tutsi-Rebellenarmee unter dem heutigen Staatschef Paul Kagame wurde die Atmosphäre Anfang 1994 immer bedrohlicher. „Du hast das Bösartige in den Augen gesehen“, erinnert sich Ewald Dietrich, Begründer der Mainzer Hilfsorganisation „Human Help Network„, an die aufgeputschten Hutu-Anhänger der Interahamwe-Milizen auf den Straßen. „So war das Land nicht in den Jahren davor.“ Dietrich konnte am 6. April 1994 noch nach Europa ausreisen. Die Maschine, mit der Willi Meckes am Morgen danach fliegen wollte, konnte schon nicht mehr in Kigali landen. Für den Pfälzer begannen bange Tage. Mit den katholischen Nonnen und anderen Europäern verbarrikadierten er sich im Gästehaus.

„Im Feld neben der Straße erschossen“

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Bald kamen Fremdenlegionäre, um die Franzosen aus der Unterkunft in Sicherheit zu bringen, doch den Deutschen wollten sie nicht mitnehmen. „Die deutsche Botschaft war auch sofort abgetaucht“, ärgert sich Meckes über das dilettantische Krisenmanagement. Erst ein vom US-Botschafter organisierter Konvoi brachte ihn zur Grenze ins Nachbarland Burundi, vorbei an den mit Macheten bewaffneten Trupps der Marodeure. An einer Straßensperre unterwegs musste er miterleben, wie Bewaffnete den Tutsi-Hausangestellten einer Diplomatenfamilie aus dem Wagen herausholten und im Schilffeld neben der Straße erschossen.

«Der Völkermord war von der Hutu-Seite von langer Hand geplant», sagt Jürgen Debus, damals Vorsitzender des Partnerschaftsvereins Rheinland-Pfalz-Ruanda. „Das Ausmaß und die Brutalität konnten sich die Rheinland-Pfälzer nicht vorstellen, vielleicht wollten sie es auch nicht wahrhaben, dass ihre Partner nun Mörderbanden sein sollten.“ Für einen Augenblick habe es so ausgesehen, als wäre mit dem Genozid die Partnerschaft am Ende.

Dann begannen die Rheinland-Pfälzer jedoch schnell, humanitäre Nothilfe zu organisieren. Ewald Dietrich versuchte von Mainz aus, den Kontakt zu seinen ruandischen Partnern zu halten und vermisste Entwicklungshelfer aufzuspüren. Das Fax in seinem Büro spuckte auf Thermopapier aber auch ständig neue Horrormeldungen über Vermisste und Tote aus.

Michael Steeb, bis Ende 1993 Leiter des rheinland-pfälzischen Partnerschaftsbüros in Kigali, kann nicht sagen, wie viele seiner Bekannten getötet wurden: „Das zählen Sie nicht, man mag es nicht zählen.“ Seine Köchin, eine Hutu-Frau, wurde ermordet, weil sie Tutsi-Nachbarn vor den Extremisten versteckt hatte: „Ihr würde ich gerne noch einmal ein Denkmal setzen.“

Quelleepd

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