In der NS-Zeit unterstützte Dietrich Bonhoeffer den Widerstand gegen Adolf Hitler. Getarnt als Agent informierte er im Ausland über die Umsturzpläne. Kurz vor Kriegsende wurde der Theologe im Konzentrationslager Flossenbürg ermordet.
Im Juni 1932, rund ein halbes Jahr vor der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler, predigt Dietrich Bonhoeffer in der Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. „Wir müssen uns nicht wundern, wenn auch für unsere Kirche wieder Zeiten kommen werden, wo Märtyrerblut gefordert wird“, sagt er zu den Gottesdienstbesuchern. Seine Worte sind prophetisch. Am 9. April 1945 wird der evangelische Theologe im Konzentrationslager Flossenbürg in Bayern ermordet.
Bonhoeffer, als Sohn eines Psychiatrieprofessors in Breslau (heute Wroclaw) geboren, starb im Alter von nur 39 Jahren. Dennoch gab es im vergangenen Jahrhundert kaum einen Theologen, der Gesellschaft und Kirche so stark geprägt hat wie er. Bonhoeffers Theologie gehöre zu den „stärksten theologischen Impulsen, die aus dem vergangenen Jahrhundert in unsere Gegenwart hinüberwirken“, urteilt etwa der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende und Berliner Altbischof Wolfgang Huber im Monatsmagazin „zeitzeichen“. „Sein Einsatz im Widerstand, über dessen Reichweite er sich selbst keinerlei Illusionen gemacht hatte, ermutigte viele zu Widerständigkeit und politischem Engagement.“
Bonhoeffer, der aus großbürgerlichen Verhältnissen stammt, steht dem Nazi-Regime von Anfang an kritisch gegenüber. Zwei Tage nach Hitlers Machtübernahme spricht er in einer Rundfunkrede zum Thema „Der Führer und der Einzelne in der jungen Generation“. Er warnt davor, dass aus dem „Führer“ ein „Verführer“ werden könne. Bei einer ökumenischen Friedenstagung auf der dänischen Insel Fanø fordert er die Christen in Deutschland 1934 zur Entscheidung auf: entweder „Christ oder Nationalist“.
1935 übernimmt Bonhoeffer – er ist gerade aus London zurück, wo er eineinhalb Jahre als Auslandspfarrer gearbeitet hat – die Leitung einer aus staatlicher Sicht illegalen Ausbildungsstätte für Vikare. Hier entfaltet er sein Ideal vom gemeinsamen Leben „in strenger, christlicher Lebensführung in Gebet, Meditation, Schriftstudium und brüderlicher Aussprache“. Im August 1937 verbietet der Reichsführer SS, Heinrich Himmler, schließlich diese Ausbildungsstätten der regimekritischen Bekennenden Kirche.
Durch seinen Schwager Hans von Dohnanyi, der für den Militärischen Geheimdienst im Oberkommando der Wehrmacht arbeitet, bekommt Bonhoeffer Kontakt zum Widerstand. Ein konspirativer Kreis innerhalb der militärischen Abwehr, zu der auch Admiral Wilhelm Canaris und Generalmajor Hans Oster zählen, plant den Umsturz. Bonhoeffer ist Teil der Widerstandsgruppe.
Ihm nutzen seine zahlreichen ökumenischen Kontakte, die er unter anderem als Auslandspfarrer in London knüpfen konnte. Mehrfach reist er ins Ausland – in die Schweiz, nach Norwegen, Schweden und Italien. Offiziell ist er als Agent der Spionage-Abwehr unterwegs, inoffiziell informiert er seine Kontaktleute im Ausland über die Umsturzpläne. Sich selbst nannte Bonhoeffer, der den Tyrannenmord notgedrungen als äußerste Option in Kauf nahm, einmal einen „Komplizen, der sich seiner Schuld bewusst ist“.
Am 5. April 1943 wird Bonhoeffer verhaftet. In der Haft schreibt er zahlreiche Briefe – an seine Familie, an seinen Freund und späteren Biografen Eberhard Bethge sowie an seine Verlobte Maria von Wedemeyer. Aus dieser Zeit stammen seine bekannten, heute in zahlreichen Liederbüchern gedruckten Verse „Von guten Mächten wunderbar geborgen„.
„Bonhoeffer hatte eine Sprachgewalt, die die Menschen direkt anspricht“, sagt die Vorsitzende der deutschsprachigen Sektion der Internationalen Bonhoeffer-Gesellschaft, Christiane Tietz. Zugleich würdigt die Zürcher Theologieprofessorin Bonhoeffers evangelische Frömmigkeit, die gezeigt habe, was glaubwürdiges Christsein bedeutet. „Für viele Menschen ist Bonhoeffer ein Mahnmal geworden, wie verantwortungsvolles Tun im Nationalsozialismus hätte aussehen müssen.“ Zahlreiche Schulen und Straßen tragen seinen Namen. An der Westwand von Westminster Abbey in London erinnert eine Statue an Bonhoeffer – neben Martin Luther King, Oscar Romero und Maximilian Kolbe.
Und doch gerät Bonhoeffer, so scheint es, 70 Jahre nach seinem Tod außerhalb der Kirchen in Vergessenheit. Davon zeugt eine skurrile Auseinandersetzung, die im baden-württembergischen Filderstadt spielt: Hier wirft die Deutsche Bahn einer „Frau Bonhoeffer Dietrich“ vor, schwarz gefahren zu sein und versucht vom Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium der Stadt über ein Inkasso-Unternehmen die Mahngebühr für das Fahren ohne Fahrschein einzutreiben. Erklären lässt sich das nur so: Den Kontrolleuren ist der Theologe und Widerstandskämpfer, den ein Standgericht am 8. April 1945 und damit einen Monat vor Kriegsende zum Tode verurteilt hat, kein Begriff mehr.
In einem evangelischen Fernsehgottesdienst aus Flossenbürg wird an diesem Sonntag (12. April) an den vor 70 Jahren ermordeten Theologen und NS-Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer erinnert. Der Gottesdienst in der Pankratiuskirche steht unter dem Titel „Es gibt doch nun einmal Dinge, für die es sich lohnt, kompromisslos einzustehen“ und wird ab 10 Uhr vom Bayerischen Fernsehen live übertragen. Die Predigt wird der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, halten.