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„Zutiefst israelfeindliches Machwerk“ – Neue Debatte über Haltung von Christen zur Nahostpolitik

Wann wird Kritik an der israelischen Politik antisemitisch? Vor allem in Deutschland wird das Thema emotional diskutiert – auch in den christlichen Kirchen. Eine akademische Publikation hat jetzt eine neue Debatte zum Thema ausgelöst.

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Von Stephan Cezanne (epd)

Im Jahr 2009 wurde in Bethlehem ein dramatischer Appell veröffentlicht. Die Unterzeichner des sogenannten Kairos-Palästina-Dokuments – darunter führende Theologen und hochrangige Bischöfe aus der Region und vielen Konfessionen – bezeichnen darin die Besetzung der Palästinensergebiete «als Sünde gegen Gott und die Menschen». Christen sollten Widerstand leisten. Der Appell vor allem palästinensischer Christen, den auch der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) in Genf verbreitete, sorgte für Empörung und löste vor allem bei christlich-jüdischen Gesellschaften heftigen Protest aus. Das Papier sehe die Schuld des Nahostkonflikts einseitig bei den Israelis, hieß es.

Jetzt ist der Streit neu aufgekocht. Der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit beklagt eine verzerrte Darstellung der israelischen Politik durch deutsche Theologen. Die im vergangenen Jahr von den emeritierten Theologieprofessoren Ulrich Duchrow und Hans G. Ulrich herausgegebene Publikation «Religionen für Gerechtigkeit in Palästina-Israel» stelle den christlich-jüdischen Dialog «völlig verzerrt dar», erklärte die Gesellschaft jetzt in Bad Nauheim: «Das ganze Buch ist zugleich ein zutiefst israelfeindliches Machwerk.»

Wird Israels Existenzrecht bestritten?

Der Koordinierungsrat reagiert damit auf einen Artikel in der Tageszeitung «Die Welt» vom 23. Mai. Darin wird Duchrow, der früher Professor für systematische Theologie an der Universität Heidelberg war, vorgeworfen, Israel das Existenzrecht abzusprechen. Duchrow weist die Vorwürfe vehement zurück. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) distanzierte sich von der Publikation.

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Der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit beklagte, dass die Autoren des Sammelbandes extrem einseitig für die palästinensische Seite Stellung bezögen. «Die in dem Band vertretenen Positionen widersprechen nach unserer Wahrnehmung diametral den Positionen zum christlich-jüdischen Dialog und zu Israel, wie sie von der EKD, deren Gliedkirchen und den kirchlichen Werken vertreten werden.»

Duchrow sagte dem Evangelischen Pressedienst, die Kritiker hätten seine Zitate «alle aus dem Zusammenhang gerissen und verdreht». Er spreche Israel nicht das Existenzrecht ab, in dem «kritisierten Text steht das Gegenteil». Gerechtigkeit sei die Vorbedingung für langfristige Sicherheit der Israelis. «Es ist deshalb eine zentrale Aufgabe zu zeigen, dass Gerechtigkeit den jüdischen Menschen auf lange Sicht dient», erklärte Duchrow. «Die einzigen Verlierer werden die sein, die von Krieg und Gewalt profitieren.» Er hoffe, dass die «Verleumdungen» dazu führen, dass der Inhalt des Bandes in den Kirchen «offen diskutiert wird».

Der Deutsche Koordinierungsrat zeigte sich zudem «zutiefst irritiert» darüber, dass in der Danksagung in dem Band als Förderer der Veröffentlichung der Ökumenische Rat der Kirchen, die EKD, evangelische Landeskirchen in Mitteldeutschland, Baden, Hannover, Hessen und Nassau, Westfalen sowie Brot für die Welt, Mission Eine Welt und das Evangelische Missionswerk genannt werden.

EKD distanziert sich und verurteilt Antisemitismus scharf

Die EKD hat jede Form von Antisemitismus scharf verurteilt. Der Rat der EKD habe dies zuletzt in seiner Erklärung vom 20. April «Antisemitismus ist Gotteslästerung» unterstrichen, sagte ein EKD-Sprecher dem epd. In einer Broschüre der EKD vom Herbst vergangenen Jahres werde auch die Grenze zwischen Antisemitismus und Antizionismus beschrieben. Von Duchrows Text distanziere sich die EKD «inhaltlich ausdrücklich».

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Der israelische Schriftsteller Amos Oz sagte Mitte Mai in einem Interview der Süddeutschen Zeitung: «Der Nahostkonflikt besteht nicht wie in Hollywoodfilmen nur aus Guten und Bösen. Er ist kein Westernfilm. Viele Menschen verstehen das bis heute nicht, besonders in Europa.» Oz bezeichnete die Situation als «Tragödie». Auf beiden Seiten gebe es «Fanatiker, die den Konflikt als religiösen betrachten». «Es geht aber nicht um Religion», sagte Oz. «Wir Juden wollen nicht, dass die Muslime zum Judentum konvertieren, und umgekehrt wollen die Muslime uns nicht zum Islam bekehren. Es geht um ein geliebtes Land, das Juden und Palästinenser für sich beanspruchen.»

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