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Niederlande: Kein Kreuzchen mehr in Kirchenräumen

In drei Wochen wählen die Niederländer ein neues Parlament. In Den Haag, der drittgrößten Stadt des Landes, hat der Bürgermeister jetzt entschieden: Kirchliche Räume sind als Wahllokale nicht mehr zugelassen. Die Kirchen reagieren mit Unverständnis.

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Auch in Den Haag, Sitz von Regierung und Parlament, wird am 12. September, einem Mittwoch, gewählt. Doch anders als bei bisherigen Abstimmungen ist die Stimmabgabe in Kirchen nicht mehr möglich. Der Bürgermeister von Den Haag hat nämlich angeordnet, dass kirchliche und weltanschaulich ausgerichtete Räume – bis auf eine Ausnahme – von der Liste der Wahllokale für die Parlamentswahl gestrichen werden.

 Einem Sprecher der Stadt zufolge betrifft dies 21 Gebäude. Insgesamt 230 Orte weist das Verzeichnis auf, an denen gewählt werden kann: Zumeist handelt es sich um Schulen, Sportzentren, Bürgerhäuser, Stadtteiltreffs und Bibliotheken, es finden sich allerdings auch Hotels, Kaufhäuser, Supermärkte, selbst der Hauptbahnhof und ein Strandpavillon sind auf der Liste.

 Bürgermeister Jozias van Aartsen von der rechtsliberalen Partei VVD weicht mit dieser Weisung von der verbreiteten Praxis in anderen Gemeinden und Städten in den Niederlanden ab. In Rotterdam, Utrecht oder Maastricht ist der Urnengang zwischen 7 Uhr 30 und 21 Uhr weiterhin in kirchlichen Räumen möglich. Selbst im weithin säkularen Amsterdam dienen am 12. September kirchliche Räume als Wahllokale. So können Wähler bei der Zentrale der Heilsarmee, aber auch in einigen protestantischen Kirchen und römisch-katholischen Kirchen, sowie in umgenutzten Sakralbauten ihre Stimme abgeben.

 Eduard Windhorst, Küster der Noorderkerk, findet das ganz selbstverständlich. Denn Räume der im 17. Jahrhundert erbauten Kirche werden für ganz unterschiedliche Anlässe und Veranstaltungen vermietet. Wählen können die Amsterdamer übrigens auch im Hotel Krasnpolsky und dem legendären Kulturtempel «Melkweg». Bei der Vereinigung der niederländischen Kommunen wird das Vorgehen von Den Haag als Einzelfall gewertet.

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 Mit Unverständnis reagieren die Kirchen in Den Haag auf die Weisung des Bürgermeisters, über die städtische Mitarbeiter die Küster informierten. Der Beschluss des Stadtoberhauptes, die Kirchen von der Liste der Wahllokale zu streichen, habe ihn sehr überrascht, sagt IJjo Akkerman, Vorsitzender des Kirchenrates der Protestantischen Gemeinde Den Haag, auf dem Internetportal «kerkenindenhaag.nl». Der Bürgermeister demonstriere damit, dass er zu einem wichtigen Teil der Gesellschaft keinen Draht habe.

 Akkermann weist darauf hin, dass die Kirchen einen wesentlichen Beitrag für das Zusammenleben leisteten, dies gelte sowohl für Wertefragen wie für den sozialen Zusammenhalt. Den früheren Bürgermeistern sei durchaus noch bewusst gewesen, dass es in einer Gesellschaft und einem Stadtteil eine Seele gebe, sagt der Kirchenratsvorsitzende.

 Nicht nur Kirchenleute sehen hinter der Haager Initiative, von der lediglich die evangelikal ausgerichtete Kapelle «Der Gute Hirte» ausgenommen ist, Bestrebungen nach einer strikten Scheidung von Staat und Kirche. Er sei den fortdauernden Angriff auf die Religion leid, überschrieb der reformierte Theologe Maarten Wisse seinen Appell an die «Verächter der Religion», den die einflussreiche Tageszeitung «NRC Handelsblad» veröffentlichte. Steigende Gesundheitskosten, Extremismus und brüchiger sozialer Zusammenhalt seien besser zu bewältigen, wenn Politik der Religion mehr Raum lasse. Beim Neu von Stadtvierteln werde nur noch an «Brot und Spiele» gedacht und überhaupt nicht mehr erwogen, eine Kirche oder Moschee in die Planungen einzubeziehen.

 Der auch an der Universität Tübingen lehrende Wisse hält den Politikern vor, sie versuchten, extremistische Tendenzen zu bekämpfen, indem sie Religionsgemeinschaften in den privaten Bereich einsperrten. Dabei sei seit dem 16. Jahrhundert erwiesen: Vom Staat geförderte Religion sei «gemäßigte Religion». Und die Tageszeitung «Trouw» ging noch einen Schritt weiter. Sie fühlt sich durch den Beschluss des Bürgermeisters an die Religionsfeindlichkeit der ehemaligen DDR erinnert.

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(Quelle: epd)

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