- Werbung -

Nikolaus Schneider: Wieder auf Sachfragen konzentrieren

Sachfragen sollen nach dem Willen des amtierenden Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) wieder im Zentrum stehen.

- Werbung -

 «Nach den Turbulenzen der vergangenen Tage muss deutlich werden: Wir erleben keine Krise der EKD, sondern wir sind inhaltlich und personell so aufgestellt, dass wir unseren Auftrag erfüllen können», sagte er knapp eine Woche nach dem Rücktritt von Margot Käßmann in einem epd-Interview in Düsseldorf. Ingo Lehnick sprach mit dem leitenden Theologen der rheinischen Kirche auch über Ökumene und die Belastung durch mehrere kirchliche Spitzenämter.

 epd: Präses Schneider, nach dem Rücktritt von Margot Käßmann mussten Sie plötzlich das Amt des EKD-Ratsvorsitzenden übernehmen. Haben Sie schon realisiert, auf was Sie sich da eingelassen haben?

 Schneider: Ich habe in den letzten Tagen einen Veränderungsprozess durchgemacht. Am Anfang standen Erschütterung und Erschrecken über das Geschehene. Dann kam Trauer über den Verlust von Margot Käßmann, mit der ich sehr gut zusammengearbeitet habe im Rat der EKD. Inzwischen komme ich langsam, aber sicher in der Position des amtierenden Ratsvorsitzenden an. Das bedeutet, dass ich diese Aufgabe jetzt auch gestalten will und muss.

 epd: Sie haben nicht ausgeschlossen, bei der Wahl eines Nachfolgers für Frau Käßmann im November zu kandidieren. Aus dem Rat gab es bereits Voten für Ihre Wahl. Falls Sie gewählt werden: Wollen Sie über das Ende ihres Präses-Amtes in der rheinischen Kirche im Jahr 2013 hinaus Ratsvorsitzender bleiben?

- Werbung -

 Schneider: Im Moment ist es für mich wichtiger, in diesen Wochen die Arbeit zu tun, die mir nun aufgegeben ist. Da steht Ihre Frage hinten an. Dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland sind die Zuständigkeiten und Verfahrensweisen sehr bewusst. Ich bin jetzt amtierender Ratsvorsitzender bis November. Die EKD-Synode wählt dann den neuen Ratsvorsitzenden oder die neue Ratsvorsitzende auf Vorschlag des Rates. Auf der Synode müssen auch zwei neue Ratsmitglieder gewählt werden, dazu tagt in dieser Woche der Ratswahlausschuss. Ich sage aber nicht von vorneherein «nein», wenn ich gefragt werde, ob ich für den Ratsvorsitz kandidieren will. Ich bin offen dafür, auf diese Position zuzugehen. Aus dem Rat gab es sehr freundliche Stimmen mir gegenüber. Aber die Verfahrensweise ist so, wie ich sie beschrieben habe.

epd: Steht für Sie die Kontinuität im Vordergrund oder wollen Sie in den kommenden Wochen eigene Akzente setzen?

 Schneider: Ich führe zunächst einmal fort, was sich Margot Käßmann gemeinsam mit dem Rat der EKD auf die Fahnen geschrieben hat. An vielen Projekten, die wir vorangetrieben haben, war ich ja schon beteiligt, weil ich dem Rat seit sechs Jahren angehöre. Entscheidend ist jetzt, dass der Rat und die ganze EKD so kraftvoll und überzeugend wie möglich ihre Arbeit machen. Nach den Turbulenzen der vergangenen Tage muss deutlich werden: Wir erleben keine Krise der EKD, sondern wir sind inhaltlich und personell so aufgestellt, dass wir unseren Auftrag erfüllen können. Es ist die Aufgabe der Kirche, das Evangelium in die Welt zu tragen und dafür zu sorgen, dass diese frohe Botschaft konkret erfahren werden kann, etwa in der Diakonie.

 Es geht dabei auch um viele Sachfragen, zu denen wir uns wie bisher klar und vernehmlich zu Wort melden werden. Etwa die Frage, wie es um Krieg und Frieden in Afghanistan bestellt ist. Eine weitere Frage ist, wie wir unsere Kirche am besten aufstellen, um zum Wohl der Menschen zu wirken. Der von der EKD angestoßene Reformprozess muss auch eine Sache unserer Gemeinden werden und gemeinsam mit der Pfarrerschaft gestaltet werden. Mir persönlich ist besonders wichtig, wie es künftig um den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft bestellt ist. Wie sieht es aus mit der Achtung der Menschenwürde? Wie kann der Sozialstaat ein menschenwürdiges Existenzminimum garantieren?

- Werbung -

epd: Werden Sie einen eigenen Stil pflegen?

 Schneider: Ich werde das mir anvertraute Amt in meiner Weise ausüben – also mit meinen Gaben und Fähigkeiten. Und mit Schwerpunktsetzungen, die sich aus meiner Lebens- und Arbeitsbiographie ergeben, also vor allem mit Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhaltes und der sozialen Gerechtigkeit.

 epd: Wie nimmt die rheinische Kirche Ihr neues Amt auf? Es bedeutet ja, dass Sie künftig weniger Zeit zwischen Emmerich und Saarbrücken verbringen werden.

 Schneider: Hinzu kommt, dass ein rheinischer Präses stark in die tägliche Arbeit seiner Landeskirche eingebunden ist. Für die Evangelische Kirche im Rheinland müssen wir einen Weg finden, dass ich den EKD-Anforderungen gerecht werde, ohne dass ich am Ende mit meiner Kirche fremdel. Ich werde in den kommenden Monaten natürlich im Rheinland nicht mehr so viele Aufgaben wahrnehmen können wie bisher. Deshalb bin ich auf Entlastung durch Vizepräses Petra Bosse-Huber und die übrigen Mitglieder unserer Kirchenleitung angewiesen. Das wird gelingen, weil wir ein gut eingespieltes Team sind. Die konkrete Planung muss jetzt noch erfolgen – ich kenne zum Beispiel den Terminkalender der bisherigen Ratsvorsitzenden für das nächste halbe Jahr noch nicht im Detail.

 epd: Sie sind bisher auch Vorsitzender des Diakonischen Rates der EKD und Aufsichtsratsvorsitzender des Evangelischen Entwicklungsdienstes. Wird es dabei bleiben?

 Schneider: Auch an dieser Stelle müssen wir besprechen, welche Entlastung es für mich geben kann. Diese Gespräche stehen aber noch bevor.

 epd: Auf eine Frau an der Spitze der EKD hat es in der Ökumene auch negative Reaktionen gegeben. Die russisch-orthodoxe Kirche wollte nicht mit Bischöfin Käßmann sprechen. Wird sich das Verhältnis zwischen beiden Kirchen jetzt wieder verbessern?

 Schneider: Die EKD hat immer ihre Bereitschaft erklärt, mit der russisch-orthodoxen Kirche gute geschwisterliche Beziehungen zu pflegen. Dafür stehe auch ich ein. Ein grundsätzliches inhaltliches Problem gibt es aber in Bezug auf die Frauenordination. Wir werden uns als Kirche der Reformation nicht verstecken oder dafür entschuldigen, dass eine Frau zur Bischöfin oder zur Ratsvorsitzenden gewählt wird. Sondern wir halten das aus unserem Verständnis des Evangeliums heraus für richtig. Dieser Konfliktpunkt ist durch einen Personenwechsel nicht erledigt, sondern er bleibt. Ich hoffe und erwarte aber, dass wir von unseren ökumenischen Partnerkirchen mit unserer Struktur und mit unseren theologischen Auffassungen akzeptiert werden.

 epd: In zweieinhalb Monaten steht der Ökumenische Kirchentag in München an. In Ihrem Bericht vor der rheinischen Landessynode im Januar haben Sie sich eher pessimistisch zum aktuellen Stand geäußert. Wie beurteilen Sie die Perspektiven?

 Schneider: Meine Einschätzung vor der rheinischen Synode war nicht pessimistisch, sondern realistisch. Wir haben in der Beziehung zu unserer römisch-katholischen Schwesterkirche unglaublich viel erreicht. Angesichts der geschichtlichen Entwicklung ist in den letzten Jahrzehnten eine enorme Veränderung eingetreten, die man zunächst einmal würdigen muss. Wir müssen nun angemessene Wege der Weiterentwicklung finden, und daran arbeiten wir. Ich spreche von Themen wie Amtsverständnis, Kirchenverständnis oder Abendmahl. Es wird hier aber keine schnellen Lösungen geben. Man kann die Probleme nicht einfach wie einen gordischen Knoten durchschlagen.

epd: Was ist im Hinblick auf das Abendmahl in München möglich?

 Schneider: Es gibt Überlegungen dazu, wie evangelische und katholische Christinnen und Christen gemeinsam an einem Tisch sitzen können, der im streng theologischen Sinne nicht der Tisch des Herrn ist, aber bei dem wir auf einige liturgische Formen der Mahlgemeinschaft zurückgreifen, die deutlich machen, wie wir zusammengehören. An solchen Überlegungen will ich mich gerne beteiligen.

epd: Wie haben Sie die Berichterstattung der Medien über die Vorgänge um Margot Käßmann erlebt?

 Schneider: Der überwiegende Teil der Berichterstattung war außerordentlich differenziert. Viele Medien haben sachlich berichtet und vernünftig argumentiert. Es gab aber auch Häme, Spott und Bemerkungen unterhalb der Gürtellinie.

epd: Könnte Margot Käßmann später noch einmal Ratsvorsitzende werden?

 Schneider: Ich mag da nicht spekulieren. Eines ist aber ganz sicher: Wir werden die Stimme von Margot Käßmann weiter hören als eine profilierte öffentliche Darstellung des Protestantismus.

 epd: Wenn Sie im November für das Amt des Ratsvorsitzenden kandidieren sollten, würden Sie dies aus dem Amt heraus tun. Müssen Sie jetzt schon Wahlkampf in eigener Sache machen?

 Schneider: Nein, für dieses Amt gibt es keinen Wahlkampf. Ich kann auch nicht bis zum November nur darüber nachdenken, ob ich für dieses Amt kandidieren werde und ob ich gewählt werde oder nicht. Darüber werde ich nachdenken und entscheiden, wenn es Zeit dafür ist. Jetzt ist Anderes wichtig: Ich habe hier inhaltliche Aufgaben für den Rat zu erfüllen, und die werden weggearbeitet.

(Quelle: epd)

Konnten wir dich inspirieren?

Jesus.de ist gemeinnützig und spendenfinanziert – christlicher, positiver Journalismus für Menschen, die aus dem Glauben leben wollen. Magst du uns helfen, das Angebot finanziell mitzutragen?

NEWSLETTER

BLICKPUNKT - unser Tagesrückblick
täglich von Mo. bis Fr.

Wie wir Deine persönlichen Daten schützen, erfährst du in unserer Datenschutzerklärung.
Abmeldung im NL selbst oder per Mail an info@jesus.de

Zuletzt veröffentlicht