Sie sind wieder da: Nach mehreren Jahren in Nordrhein-Westfalen kehren die Jesus Freaks mit ihrem Festival „Freakstock“ zurück nach Mitteldeutschland. Ab Mittwoch wollen Tausende auf einem früheren Militärflugplatz ihren Glauben feiern.
So sehen vergessene Orte aus: Aus den Teerfugen zwischen den Betonplatten sprießt Unkraut. Die Hallen für Militärflugzeuge zu beiden Seiten der Piste sind längst leer. Einige dieser halbrunden Hangars stehen weit offen und zeigen ihre mächtigen Tonnengewölbe aus Stahlbeton. Sie widersetzen sich im Dickicht von Birken und dichtem Grün hartnäckig dem Verfall, der mit dem Abzug der letzten sowjetischen Fliegerstaffel vor über 20 Jahren begann.
„Wir sind hier auf dem Vorfeld“, sagt Dörte Blanke bei einem Rundgang auf dem früheren Militärflugplatz Allstedt im südwestlichen Sachsen-Anhalt an der Landesgrenze zu Thüringen. Die junge Frau gehört zum „Dreamteam“ des Festivals „Freakstock„, mit dem die Jesus Freaks von Mittwoch bis Sonntag ihren Glauben feiern wollen – mit lautem Pop und Punk, die das Lebensgefühl der „Freaks“ unüberhörbar zum Ausdruck bringen.
Zum Gotteslob auf dem einstigen Fliegercamp werden wieder bis zu 3.000 Teilnehmer erwartet, aus ganz Deutschland wie aus den Nachbarländern. Damit hat sich das jährliche Treffen der freikirchlichen Initiative als eine feste Größe in der alternativen Festivalszene etabliert. „Richtig groß geworden sind wir in Gotha“, sagt die junge Frau. Dort war die Pferderennbahn vor den Toren der Thüringer Stadt bis 2008 regelmäßiger Treffpunkt der „Freaks“.
Nach mehreren Jahren im nordrhein-westfälischen Borgentreich wurde das dortige Kasernengelände für Flüchtlingsunterkünfte benötigt. Als Alternative für dieses Jahr bot sich Allstedt an. Dörte Blanke ist mit verantwortlich, dass auf dem stillgelegten Flugplatzareal alles läuft. Der Flugbetrieb nebenan für Kunst- und Sportflieger sei während des Festivals eingestellt. „Bei Tausenden Leuten ist immer ein Verrückter dabei“, zitiert sie den privaten Flugplatzbetreiber.
Die Jesus Freaks bewegen sich mit der Rückkehr nach Mitteldeutschland auf geschichtsträchtigem Terrain: In der Burg Allstedt hielt der radikale Reformator Thomas Müntzer 1524 seine berühmte Fürstenpredigt gegen die Obrigkeiten. Ganz in der Nähe bei Frankenhausen führte er 1525 die aufständischen Bauern in eine verheerende Niederlage. Müntzer wurde gefangengenommen, gefoltert und schließlich am 27. Mai 1525 hingerichtet.
Die Geschichte der Region und der Kontakt zu den örtlichen Kirchgemeinden seien auch bei den Festivals ein Thema, berichtet Blanke. „Da hat sich in den vergangenen Jahren vieles entspannt.“ Anfangs habe es „immer wieder mal mehr oder weniger deutliche Vorbehalte gegen uns“ gegeben. „Für manche waren wir religiöse Schwarmgeister oder einfach nur Spinner“, fügt sie hinzu.
Dörte Blanke gehört seit Jahren zur „Freakstock“-Gemeinde. Im „normalen“ Leben ist die junge Frau, deren dunkle Rasta-Locken bis zur Hüfte reichen, Lehrerin an einer Grundschule der Diakonie in Hannover. Die jährlichen Treffen seien für sie wie für sehr viele andere „Urlaub mit Gleichgesinnten, die sich in Kirchgemeinden nicht so richtig wohl fühlen“.
Für die Freaks ist Musik von jeher eine wichtige Ausdrucksform. Dieses Jahr sorgen dafür unter dem Festival-Motto „New Ground, One Crowd, No Borders!“ mehr als 30 Bands und Musiker. Zudem widmen sich Workshops und Seminare weltlichen und geistlichen Themen von „No Borders – Leben teilen mit Geflüchteten“ über „Warum verlieren Menschen den Glauben?“ und „Hätte Jesus ein Facebook-Profil?“ bis zum „Crashkurs deutsche Schreibschrift“.
Schließlich gehe es bei Treffen von so vielen Menschen immer auch um die große Frage Nachhaltigkeit, erläutert Blanke. „Seit vielen Jahren gibt es auf dem Festivalgelände nur Fairtrade-Kaffee“, sagt sie. Erstmals würden in Allstedt mit „Premium Cola“ und „Premium Bier“ Getränke angeboten, „die bestmöglich ethisch korrekt produziert werden“. Schließlich sollen statt Dixi-Toiletten immer mehr Komposttoiletten aufgestellt werden. „Hobelspäne statt Chemie – das funktioniert“, ist die Pädagogin überzeugt.
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(Quelle: epd)