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Großzügigkeit befreit!

Out of the Box – Weil wir wunderbar gemacht sind

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Die zweiwöchentliche Kolumne von Tom Laengner

Wer großzügig sein möchte, der sollte großzügig handeln, findet Tom Laengner – und erzählt, wie ihn ein Gürtelverkäufer in einem nordfranzösischen Badeort nachhaltig beeindruckte.

Es gibt Hüte, die lassen einen Mann richtig lässig wirken. Doch hin und wieder gibt es Männer, die lassen einen Hut erst so richtig lässig wirken. Ali jedenfalls gehörte zu der zweiten Sorte. Und da stand er nun zwischen seinem weißen Lieferwagen und einem Marktstand voller Gürtel.

Von der Opalküste in Nordfrankreich wehte eine leicht salzige Brise und der Himmel ging seiner Lieblingsbeschäftigung nach. Er strahlte in himmelblau. Wenn das kein perfekter Tag sein sollte, um einen Gürtel zu kaufen, dann weiß ich auch nicht mehr! Mir war auf einmal so nach Rosa, und ich ließ mir einen in entsprechender Farbe eintüten. Der Mittdreißiger und ich schauten einander an, lachten dazu ein wenig und ich brachte beiläufig etwa 39 Prozent meiner Französischkenntnisse ein. Da merkte ich plötzlich, dass ich etwas Dummes getan hatte. Ich musste dem freundlichen Verkäufer eingestehen, kein Geld in der Tasche zu haben. Nicht einmal ein kleines Bisschen. So schlug ich vor, Geld zu holen und dann die Ware mitzunehmen. Aber da hatte ich mein Gegenüber schlecht eingeschätzt. All meine Einwände ließ Ali, die Betonung liegt übrigens auf dem ‚iii‘, nicht gelten. Mon ami, mein Freund, so sagte er, du kannst später zahlen, vielleicht nächste Woche. Oder so.

Nächste Woche? Jeder konnte hören, dass ich als Tourist hier in Wissant war! Überwältigt von soviel Großzügigkeit und Vertrauen schlenderte ich mit dem rosa Gürtel zu meiner Ferienwohnung. Meine Augen wurden feucht, während ich mich fragte, wann ich das letzte Mal soviel Großzügigkeit und Glauben in einem Menschen gesehen hatte.

Meine Mami kam mir in Erinnerung. Es gab Situationen, da machten meine Frau und ich uns Sorgen um unsere Kinder. Doch für Oma kamen die beiden gleich hinter Jesus.  Das hörte sich steil an! Doch die alte Dame wäre durchaus analytisch genug gewesen, um allerlei zu bemängeln. Aber sie war auch weitsichtig genug, um darüber hinauszuschauen.

Wir brauchen mehr Menschen wie Ali

Wie werde ich großzügig? Ich finde, indem ich großzügig handele. Also, wenn ich mich frage, ob ich im Restaurant die Kellnerin zu sehr verwöhne, wenn ich den Betrag wirklich aufrunden muss, dann bin ich noch nicht großzügig. Wenn ich einen Euro mehr gebe als geplant, dann bin ich auf einem guten Weg. Und ja, Großzügigkeit befreit.

Ali, was bin ich froh, dass ich dir begegnen durfte! Eine Woche später zeigte ich ihm, wie gut sich sein Gürtel tragen ließ und kaufte zwei weitere. Diesmal nicht in Rosa. Aber dieses Mal hatte ich Geld dabei, um alles zu bezahlen. Könnten wir in Deutschland nicht mehr Menschen gut gebrauchen, die handeln wie Ali? Nicht, weil dann die Strohhüte besser zur Geltung kämen. Zum Beispiel wegen der Selbstsucht. Im Jahre 2019 präsentierte das Allensbach Institut den menschlichen Egoismus als eines der größten Probleme unserer Republik. In einer Umfrage ging es darum, wer hier neue Wege zeigen könnte. Den Kirchen trauten noch 15 Prozent der Menschen zu, eine Trendwende schaffen zu können.

Deshalb meine ich das. Wir bräuchten mehr Menschen, die handeln wie Ali. Anstatt ihn zu klonen, könnte ich mich selber auf den Weg machen. Mit dir dabei wären wir schon zu zweit. Dann haben wir auch eine Chance, nicht nur toll auszusehen, sondern toll zu sein. Wie Aliiiiii!

Alle Kolumnen von Tom Laengner findet ihr hier.


Tom Laengner ist ein Kind des Ruhrgebiets. Nach 20 Jahren im Schuldienst arbeitet er journalistisch freiberuflich und bereist gerne unterschiedliche afrikanische Länder. Darüber hinaus arbeitet er als Sprecher für Lebensfragen und Globales Lernen. In seiner Kolumne „Out of the Box – Weil wir wunderbar gemacht sind“ schreibt er regelmäßig über Lebensfragen, die ihn bewegen.

3 Kommentare

  1. “ Ich muss das wirklich mal betonen: Ganz früher
    waren die Zitronen (ich weiß zwar nicht genau mehr
    wann dies gewesen ist) so süß wie Kandis. Bis sie
    einst sprachen: „Wir Zitronen, wir wollen groß sein
    wie Melonen! Auch finden wir das gelb abscheulich,
    wir wollen rot sein, oder bläulich!“ Gott hörte oben
    die Beschwerden und sagte: „Daraus kann nichts
    werden! Ihr müßt so bleiben! Ich bedauer!“ Da
    wurden die Zitronen sauer… “

    “ Warum die Zitronen sauer wurden “ von Heinz Ehrhardt

  2. Ich finde die Fokussierung auf Geld hier nicht so gut. Zunächst mal gibt es einfach Menschen, die sich diesbezüglich einfach keine Großzügigkeit leisten können.

    Wenn ich so zurück blicke, haben die Augenblicke, in denen ich geizig war, auch nicht mit Geld zu tun sondern mit Zeit.

    Es gibt Momente und Menschen, für die ich mir wirklich zu wenig Zeit genommen habe. Noch heute denke ich z.B. manchmal an Personen, die ich in meinem Zivildienst betreut habe und wo ich immer noch manchmal das Gefühl habe, dass ich da mehr Zeit für sie hätte haben müssen.

    Auch in der Familie ist es eher Zeit, die ich bereue, nicht genommen zu haben.

  3. Krisen sind Chance für wahren Lebenssinn

    Der freundliche Gürtelverkäufer beeindruckte Tom Laengner. Eine schöne Geschichte und lesenswert. Aber leider geht es derzeit nicht um Gürtel.
    „Wer großzügig sein möchte, der sollte großzügig handeln“! Diese Aussage versteht sich fast von selbst. Der Egoismus umschreibt dagegen eine Begrifflichkeit der Selbstbezogenheit. Die Ego-Anbetungs-Religion (ich nenn das mal so) sagt „es geht um mich, ich bin am wichtigsten“! Von daher ist Geld alles (oder fast alles). Denn ohne Geld, also einem Versprechen auf Gegenwert, kann ich nicht sein der ich bin und der ich sein werde. Nun allerdings ist die Superkrise da, von der seit den 70erJahren gesprochen, diskutiert, Bücher und Romane geschrieben wurden. Der Supergau, dass es (nur auf Zeit ???) kein Wachstum gibt oder geben könnte. Wenn etwa sogar Kriege nicht nur um Energie, sondern klimakrisengerecht auch um Wasser geführt werden. Wenn immer mehr und mehr ein zwangsläufiges Verzichten zum Credo werden könnte. Nicht freiwillig, beileibe nicht, sondern wegen dem Krieg in der Ukraine. Einem Krieg, an dem wir indirekt beteiligt sind. Ein brutaler Waffengang Putins gegen einen anderen Staat. Und dann wird ein Energiekrieg ausgetragen. Es geht um Energie in Form von Gas, Strom, erneuerbare Energien und dergleichen. Wir sollen sparen, die Heizung herunter drehen, die Lichtermeere unserer Städte dimmen und dies alles, um über den Winter zu kommen. Auch ohne damit das zugrundeliegende Problem zu lösen. Schon wird ein heißer Herbst angekündigt, die ganz Linken und die ganz Rechten gehen auf die Straße. Schuld ist die Regierung, natürlich. Denn die machen immer alles falsch, weil Regierungen angeblich so ticken. Wo bleiben wir mit dem Lebenssinn, wenn wir ärmer werden ? Wird dann der Egoismus noch ausufernder. Der Rabatz größer. Oder werden wir mehr teilen miteinander.

    Mir ist dazu die alte biblische Geschichte eingefallen von den sieben fetten und den sieben mageren Jahren. Oder von dem guten Wirtschafter, welcher aber nicht auf seine Seele achtet. Er hat seine Kornvorräte optimiert, aber dann ist er gestorben und alles Mühen war völlig umsonst. Was bleibt denn, wenn der Wohlstand sich zumindest reduziert, die Urlaubsreise ins Wasser fällt, das Fahrrad zum Auto mutiert und das Haushaltsgeld wirtschaftlich auf der Intensivstation liegt ? Oder wenn es böse kommt mit Arbeitslosigkeit, Firmenpleiten sowie menschliche und wirtschaftliche Depression ? Geht uns dann der Sinn des Lebens, jeglicher Humor, selbst unser Glaube und das Urvertrauen flöten ? Oder gibt es Alternativen ?

    Auch wenn das Tom Laengner von der humorvollen Seite nimmt, den sympathischen Gürtelverkäufer zurecht als Beispiel hinstellt für menschliche Großzügigkeit: Wo bleibt dann unsere Großzügigkeit, wenn es ums Eingemachte geht ? Dazu gibt auch die Bergpredigt und das Beispiel Jesu zahlreiche Antworten. Eine könnte sein: Seid doch solidarisch, teilt dort wo das für jeden zumutbar ist und beerdigt schnell euren alten Egoismus. Es sind ja sogar die kleineren Krisen, die doch wieder unsere Menschlichkeit hervorrufen. Und dabei auch Gott zu lieben sowie den Mitmenschen nebenan oder in der Ferne. Dann kann man auch in dunkler Nacht fröhlich seiner Straße ziehen. Denn niemand fällt tiefer als in die liebende Hand Gottes.

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