„Wir wollen Leute anziehen, die Flexibilität nicht scheuen“: Prälat Burkhard zur Nieden hält es für sinnvoll, Pfarrpersonen künftig in einem klassischen Arbeitsverhältnis anzustellen.
Der Prälat der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Burkhard zur Nieden, hat den Beamtenstatus von Pfarrerinnen und Pfarrern infrage gestellt. «Im Kern geht es um ein Kirchenbild: Wir wollen Leute anziehen, die Flexibilität nicht scheuen», sagte der Prälat der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. «Als angestellte Person kann man ohne Schwierigkeiten für einen anderen Arbeitgeber arbeiten und später wieder zurückkehren – das ist für die Kirche gut, weil ein Wechsel neue Horizonte eröffnet.»
Angestellte könnten am Ende ihres Berufslebens auch einen Schritt auf der Karriereleiter zurückgehen, ohne wie Beamte die Höhe ihrer Pension zu gefährden, fügte Prälat zur Nieden hinzu. Zum Punkt Sicherheit sagte der Theologe: «Keine aktive Pfarrperson muss sich heute Sorgen um ihre Pension machen. Aber wer jetzt erst den Pfarrberuf ergreift, tritt nach 2060 in den Ruhestand. Bis dahin sinkt unsere Finanzkraft. Und die Beamtenpensionen sind auch nicht in vollem Umfang gegenfinanziert.»
„Niemand muss entlassen werden“
Auch die Kosten der Beihilfe für Verbeamtete, also für deren medizinische Versorgung, seien nicht zu steuern, sagte der 61-Jährige: «Ich würde als Berufsanfänger im Angestelltenverhältnis daher ruhiger schlafen. So ist man gesetzlich rentenversichert und unabhängig von der kirchlichen Entwicklung.»
Es müsse sich auch niemand Sorgen machen, als angestellter Pfarrer entlassen zu werden: «In unserer Landeskirche geht bis 2032 etwa die Hälfte aller Pfarrerinnen und Pfarrer in den Ruhestand. An vielen theologischen Fakultäten sehen wir zugleich sehr niedrige, sogar einstellige Anfängerzahlen. Selbst bei einer sehr schwierigen Entwicklung könnten wir die wenigen Pfarrpersonen, die nachkommen, immer noch bezahlen.»
Man suche die enge Abstimmung mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und den anderen Landeskirchen, sagt der Prälat, der der theologische Stellvertreter von Bischöfin Beate Hofmann ist: «Wir möchten, dass ernsthaft und offen über die drängenden Zukunftsfragen gesprochen wird und wollen auch zu gemeinsamen Lösungen kommen.» In der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck leben nach eigenen Angaben etwa 710.000 evangelische Christinnen und Christen in rund 700 Kirchengemeinden, die meisten davon in ländlichen Regionen.
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Es gibt Gründe für Kirchenbeamtentum
Chey, du schreibst: „Es gibt keinen Grund, Pfarrern einen besonderen Schutz für Unabhängigkeit einzuräumen. Sie sind schließlich lediglich Beschäftigte einer privaten Organisation“! Das hat schon einen Grund, gleichwohl kann man über den Grund streiten – aber er besteht. Pfarrer sind unabhängig wie Richter. Sie unterliegen keinen Weisungen. Pfarrer:innen die Weisungen empfangen, vielleicht einmal von reichen Gemeinden, sollen der Wahrheit und dem Glauben dienen, aber nicht dem Weisungsgebern. Gegen Weisungen der Kirchenleitung können sie vor kirchlichen Gerichten klagen, oder umgekehrt die Kirchenleitung auch gegen Pfarrer:innen. Dies hat zutiefst zu tun mit dem kirchlichen Trauma der Nazizeit, als die Bekennende Kirche aus jenen Religionsdienern bestand, die ein Gerichtsvollzieher die Dienstsiegel und die Kirchenschlüssel abnahmen, die kein Gehalt mehr bekamen und von den Gemeindegliedern privat bezahlt wurden. Das betraf vorallem die Pfarrerinnen und Pfarrer, die Hitler den Treueeid nicht leisteten, indem sie ein Verpflichtungs-Schriftstück in der Kirchen nicht vorlasen. Die Kirche wurde vom Nazistaat okupiert, es entstanden die Deutschen Christen, die in Hitler ein Werkzeug Gottes sahen. Zudem haben Nazi Wahllisten aufgestellt und schlicht dann auch die Kirchenvorstände übernommen. Die Pfarrer:innen sollten dem Staat gehorchen, der Reichsbischof Ludwig Müller suchte den Schulterschluss mit Hitler. Deshalb sind Religionsdiener keine Angestellten, sie sind – in herkömmlicher Sichtweise – nicht Arbeit, die dem Kapital des Arbeitgebers gegenüberstehen. Millionäre oder Großspender könnten auch Einfluss auf die Art und Weise von Pfarrherren und -frauen nehmen, die ihnen nicht genehm sind. Und Pfarrer:innen bekommen kein Gehalt, sondern Alimentation. Die Sichtweise hat also durchaus etwas für sich. Man kann also evangeliumstreue Pfarrer:innen, wenn sie nicht funktionieren, nicht einfach in die Wüste schicken. Damals machte man das so und in Hitlers Reich war es völlig unmöglich, gegenüber der Politik und Hitler neutral zu bleiben. Da die christlichen Juden durch Hitlers Edikt aus der Kirche hinaus
geworfen werden mussten, haben allerdings Seelsorger Kirchenbucheintragungen gefälscht. Irgendwann wird es keine Kirchensteuer mehr geben. Der Nachteil davon – es gibt auch Vorteile – wäre, dass dann sich reiche Gemeinden gute hauptamtliche Theolog:innen leisten können, es ist dann wie bei den finanziell klammen oder reichen Fußballvereinen. Dabei ist allerdings die Frage, was man unter guten Seelsoger:innen versteht. Mein Kriterium wäre, daß sie gut und fundiert predigen können. Die Redebegabung halte ich für eine ganz wichtige Kernkompetenz.. Natürlich gehört auch die Gabe dazu, etwa auch schwierige theologische Sachverhalte in einfacher Sprache zu vermitteln. Das kann nicht jede/r. Aus den Erfahrungen des Dritten Reiches hat man es im Nachkriegsdeutschland auch abgelehnt, eine Staatskirche – wie etwa in Dänemark oder England – zu rekonstruieren. Abschließend: Heutige evangelische Pfarrer:innen können begründet gegen jeden kirchlichen (Verwaltungs-)Akt klagen.
Pfarrer als Angestellte – da werden sie ja fast schon zu ganz normalen Leuten, da könnte man sie ja womöglich auch entlassen …
Ein gräulicher Gedanke für das Amtsverständnis der Amtskirchenbeamten, der niemals eine Chance haben wird!
Finde ich sehr vernünftig, gerade die Amtskirchen leiden unter dem Priesterbeamtentum. Einmal eingesetzt, bleiben katholische Priester zum Beispiel im Amt und in der Pfarrei, ungeachtet dessen was sie alles anrichten!
Das zerstört viele lebendige Pfarreien, da die Laien vollkommen hilflos sind und natürlich keine Unterstützung vom Bischof bekommen.
Das geschieht zum Beispiel in München und wer meint es bringt etwas den Kardinal Marx einzuschalten, täuscht sich gewaltig.
Um die katholische Kirche geht es doch gar nicht.
Es geht um den Beamtenstatus und für Auswüchse, die in den Amtskirchen überall zu erleben sind.
Hier sind die Unterschiede nicht allzu groß.
Dennoch wird er in der r.-katholisch. Kirche nicht in Frage gestellt. Auch weil.man dort Pfarrer nicht auf Zeit angestellt versteht.
Das ist eine Luftnummer der EKD.
Warum Luftnummer? Weil es nicht zu finanzieren ist. Das hat schon Simonis damals in Schleswig-Holstein gemerkt, als sie Lehrer*innen nur noch als Angestellte einstellen wollte..
Für Angestellte fallen nämlich sofort Sozialabgaben an und zwar ohne dass es bei den bestehenden Beamtenverhältnissen Einsparungen gibt.
Ich glaube S-H hat das 1 Jahr durchgehalten.
@Chey, wir sind doch flexibel?
Man koennte zB einfach ein „Gute-Zukunft-unserer-Kirche-mittels-Foerderung-zukuenftiger-Pastoren-Solidaritaets-Gesetz“ verabschieden:
Die „Anpassung“ der ausgereichten Pensionen aller Kirchenbeamten um 15% zu Gunsten/Finanzierung zukuenftiger angestellter Pastoren? Wo ist da ein Problem? Einfach machen …
LG Joerg v NRW
PS: Kaum heisst es, „wir muessen den Guertel engerschnallen“ faengt jeder an am Hosenbund seines Naechsten zu fummeln … 😂😉
letztlich wird irgendsowas kommen. Denn die Pensionszahlungen wird die EKD in absehbarer Zeit nicht mehr leisten können.
Und den Kirchenmitgiedern wird auch nicht zu vermitteln sein, dass fast alle ihre Beiträge nur noch dafür verwendet werden.
Schließlich hält die Kirche ja hartnäckig an der Mär fest, dass von den Kirchensteuern viel Soziales finanziert wird .
Es ist alles etwas schwieriger
Antwort an Chey: Die Kirchensteuer ist für den gesamten Dienstbetrieb der Kirche als Institution gedacht. Kollekten dienen, neben dem Haushalt, für bestimmte Projekte inhaltlicher Art, oder wenn an sachlicher Aufwand entsteht. Spenden gehen ohne Abzug in Ausgaben für Hilfsprojekte oder soziale Aufgaben oder eigene Projekt der Gemeinde. Wenn ein staatlicher Beamter den Dienst quittiert und wieder Arbeitnehmer wird, dann wird es für den staatlichen Dienstgeber teuer. Ähnlich dürfte das sein, wenn alle Kirchenbeamten am Tag X keine mehr wären. Ich weiß auch nicht, ob man so ohne weiteres aus einem Religionsdiener einen Angestellten machen kann und darf, denn der hat – vergleichsweise wie ein Richter auf staatlicher Ebene – eben durch sein Amt eine Unabhängigkeit. Ein Kirchenbeamter kann nur, wie ein staatlicher Richter, letztlich also durch ein kirchliches Gericht reglementiert bzw. bestraft werden, andererseits hat er auch das Recht ein Gericht (als neutrale Instanz) anzurufen. Aber ein normaler Angestellter könnte, wenn er einen Arbeitgeber als Kirche hätte, wegen einer guten Predigt genauso gekündigt werden wie für eine schlechte, wenn es dem Dienstherren nicht gefällt (theoretisch). Dann müsste er auch vor einem Arbeitsgericht klagen. Um ein Missverständnis zu vermeiden: Ich will keine Sonderrechte für eine Personengruppe. Aber hier handelt es sich auch um Fragen jenseits von Sonderrechten. Denn die Pfarrer:innen sind in unserer Ev. Kirche auch eher auf Kollegialität angewiesen mit den gewählten Kirchenvorsteher:innen, um mit ihnen beispielsweise gemeinsam die Gemeinde zu leiten. Im übrigen: Pfarrer:innen werden zumeist von der Kirchengemeinde gewählt. Sie haben also ein Wahlamt.
Du verwechselst Pfarrer mit Staatsbediensteten.
Es gibt keinen Grund, Pfarrern einen besonderen Schutz für Unabhängigkeit einzuräumen. Sie sind schließlich lediglich Beschäftigte einer privaten Organisation.
Jede Freikirche kommt gut ohne Beamte aus.
Und selbst andere Körperschaften des öffentlichen Rechts, die teilweise wirklich hoheitliche Aufgaben haben wie Handels- und Handwerkskammern verzichten heutzutage auf Beamte.
Diese wären übrigens hier durchaus Vorbild. Auch sie konnten keinen ihrer früheren Beamten zwingen, Angestellter zu werden, haben aber mit Angeboten und wohl auch mit sanften Druck dafür gesorgt, dass es die meisten machen.
Aber in der Tat ist das durch die Nachversicherung sehr teuer. Hier sind die Kirchen in einem Teufelskreis.
Aber das ist ihr Problem.
Übrigens hat hier keiner was von Kollekte geschrieben. Aber an der Mär der wohltätige Kirche muss man ja irgendwie festhalten.