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TV-Pastor Jürgen Fliege: Einmal Aberglaube und zurück

Der Ex-Fernsehpfarrer ist noch immer ein Star. Doch inzwischen bewegt sich der 64-Jährige bevorzugt inmitten von Geistheilern und anderen dubiosen Gestalten – und bietet sogar für viel Geld per Internet ein von ihm persönlich "mit Gebeten und Handauflegen bereichertes" Wunderwasser an. Was ist in ihn gefahren?

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Mit den Worten "Begleiten Sie uns ins Land der Magie!" lädt die Webseite www.fliege.de ihre Leser zu einer Pilgerreise mit Jürgen Fliege nach Kappadokien (Türkei) ein – der beurlaubte Pastor und Talkmoderator hat sein Geschäftsfeld inzwischen erheblich erweitert. Als Menschenversteher setzte er von 1994 an in der nach ihm benannten Nachmittagsshow einen Gegenakzent zu den Privatsendern.

 Menschen erzählten von ihrem Schicksal, ohne sich vorgeführt zu fühlen. Was manche Kritiker eine "Revue der Trauerklöße" nannten, nahm Anteil, wollte Denkanstöße und christliche Werte vermitteln und bot Lebenshilfe – "Glaubwürdigkeit, Sensibilität und Einfühlungsvermögen" bescheinigte der "Rheinische Merkur" dem Moderator. Der warb seinerseits mit seiner Popularität für Kirche und Gott.

Wie loyal ist der Pastor?

 "Passen Sie gut auf sich auf!" Mit diesem Appell verabschiedete sich der Pastor der Rheinischen Landeskirche regelmäßig seine Millionen Fernsehzuschauer. Er selbst beherzigte den Tipp nicht unbedingt, denn ebenso wie Fliege für viele ein Sympathieträger war, provozierte er die Amtskirche stets aufs Neue. Für einen Skandal sorgte Flieges indirekter Vergleich der Kirche mit dem DDR-Regime: "Ich sage allen Leuten: Wenn ihr austreten wollt, tretet aus, völlig in Ordnung, wie in der DDR weiland." Das war flapsig dahingesagt, weckte aber erhebliche Zweifel an Flieges Loyalität.

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 Auch dass Fliege in Interviews mit der Klatschillustrierten "Bunten" und dem Erotikmagazin "Penthouse" Gott den "alten Gangster da oben" nannte, machte das Verhältnis nicht leichter. Am Ende reagierte die EKD zwar mit einer Missbilligung, doch der damalige Ratsvorsitzende Manfred Kock bestätigte dem TV-Star nach einem persönlichen Gespräch versöhnlich, dieser stehe "auf dem Boden des Bekenntnisses unserer Kirche".

"Willkommen in meiner Internet-Kirche!"

 Genau das darf inzwischen bezweifelt werden. Es beginnt damit, dass Fliege die Besucher seiner Webseite akustisch "in meiner Internet-Kirche" willkommen heißt. Auf den Unter-Seiten von "Flieges Kirche" dreht sich folgerichtig alles um seine Person nebst einer reichhaltigen Produktpalette: Der nach eigenem Bekunden "bekannteste Pfarrer Deutschlands" gibt eine nach ihm benannte Zeitschrift heraus, produziert auch nach dem Aus seiner Sendung im Ersten nach ihm benannte Talkshows für TV-Regionalfenster, offeriert Reisen, Seminare, Coachings. Daneben bittet die "Stiftung Fliege" um Spenden. Die "Süddeutsche Zeitung" nannte das die "Über-Ich-AG Jürgen Fliege". Bei ihm komme "alles zusammen: der Glaube, die Medizin, das Geschäft".

 Doch nicht der unverhohlene Kommerz ist es, den ihm Kritiker in erster Linie vorwerfen, sondern sein Abdriften in obskure Zirkel, verbunden mit kaum glaubbaren Heilsversprechen. "Pfarrer Fliege macht Reibach im Esoterik-Business", titelte das "Hamburger Abendblatt" in diesen Tagen.

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Werbung für Wunderheiler und Numerologen

 So verlinkt die Internetpräsenz des Bundesverdienstkreuz-Trägers in der Rubrik "Service" gegen Gebühr auf Webseiten für Astrologie, Energiearbeit, Heiler, Heilpraktiker, Lebensbegleitung und Numerologie. In der dicht gedrängten Anzeigenspalte tummeln sich daneben Geist- und Fernheiler sowie Versandangebote für Edelsteinwasser und Heilmagnete.

 Als Krönung offeriert fliege.de gar die Flüssigkeit "Fliege-Essenz". In ihr seien "spirituelle Informationen vereint mit lebendigen biologischen Trägern". Fliege: "Ich habe über sie gebetet wie über Weihwasser. Ich habe immer wieder meine Hände aufgelegt, um den Trost und die Kraft in die Essenz zu senden." Eine 95-Milliliter-Flasche kostet 39,95 Euro plus Versand.

 Die Hamburger Sektenexpertin Ursula Caberta warnt vor derlei Heilsversprechen. In ihrem soeben vorgestellten "Schwarzbuch Esoterik" will sie über Hintergründe und Methoden der Szene informieren. Jürgen Fliege wirft sie vor, "ohne Hemmungen vom evangelischen Pastor zum Esoteriker mutiert" zu sein. Er habe sich "als netter Mensch" in die Köpfe der Menschen eingeschlichen, und heute verkaufe er sein "komisches Weihwässerchen".

 Fliege kontert die "vernichtenden Anschuldigungen", die "Essenz", über der die Worte "Heilen" und "Energie" prangen, sei bei ihm nicht teurer als beim Hersteller "Dr. Niedermaier Pharma", der in Hohenbrunn bei München residiert. Dort freilich gibt es das "RechtsRegulat", das mit Auszügen aus Nüssen und Obst der "Unterstützung biologischer Regulationsvorgänge" dienen soll, schon für einen Bruchteil der Summe.

"Dialog" oder Esoterik-Kongress?

 Auch Flieges "3. Wörishöfener Herbst" Ende Oktober steht in der Kritik, weil neben Prominenten wie der Schriftstellerin Karen Duve, der Sängerin Katja Ebstein und der Schauspielerin Marianne Sägebrecht auch Dutzende Geistheiler, Besprecher und Schamanen auftreten. Preis einer Dauerkarte: gut 200 Euro. Dass es sich um eine Art Esoterik-Kongress handele, weist Veranstalter Fliege weit von sich: Er pflege lediglich den Dialog.

 Eher handfesten wirtschaftlichen Interessen dient freilich sein Werbeauftritt für einen zweifelhaften Raumtrockner, der Kraftfelder aussenden soll, um Feuchtigkeitsmoleküle aus verschimmeltem Mauerwerk ins Erdreich zu verbannen. Der Apparat kostet 4.000 Euro, und der Chef der Herstellerfirma gehört der Psychosekte Scientology an, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Fliege beteuert, bei ihm wirke die seltsame Maschine. Es bereite ihm auch "keine Mühe, Scientologen gegenüber tolerant zu bleiben", ließ er per Pressemitteilung verbreiten. Und ergänzte: "In schwierigeren Zeiten hätte ich antworten müssen: ‚Ich kaufe auch bei Juden!’"

 An einem Kirchentag nahm Pastor Fliege zuletzt 2007 teil. Dort, so der 64-Jährige im Gespräch mit evangelisch.de, rede die Kirche sowieso "nur mit sich selber und irgendeinem eingeflogenen Bischof aus Namibia".

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Zu der aktuellen Kritik an seiner Person bezieht Jürgen Fliege in einem Interview mit evangelisch.de Stellung.

(Quelle: Evangelisch.de)

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