Protestaktionen von Abtreibungsgegnern sind nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von der Meinungsfreiheit gedeckt.
Dies gelte auch für Proteste in der Nähe von Arztpraxen, in denen Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden, heißt es in einem am Dienstag in Karlsruhe veröffentlichten Beschluss. (1 BvR 1745/06)
Die Karlsruher Richter hoben damit ein gerichtliches Protestverbot für einen Abtreibungsgegner gegen eine Münchner Arztpraxis auf. Jetzt muss das Münchner Landgericht neu entscheiden.
Der Beschwerdeführer hält aus religiöser Überzeugung Abtreibungen für verwerflich und veranstaltet Protestaktionen gegen Frauenärzte, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Dazu stelle er sich in die Nähe der Arztpraxis, verteile Flugblätter und versuche, mögliche Patientinnen zu einer Überprüfung ihrer Haltung zur Frage der Abtreibung zu bewegen. Im Internet hatte der Mann den Mediziner zudem als Abtreibungsarzt bezeichnet.
Der Arzt hatte in den Vorinstanzen erfolgreich eine Unterlassung der Aktionen verlangt und dies mit der Verletzung seines Persönlichkeitsrechts begründet. Dagegen werteten die Karlsruher Richter die Meinungsfreiheit höher als die Persönlichkeitsrechte des Arztes. Die dem Beschwerdeführer in der Vorinstanz untersagten Äußerungen seien «wahre Tatsachenbehauptungen».
Der Arzt werde weder in seiner besonders geschützten Intim- noch in seiner Privatsphäre getroffen, sondern es würden lediglich Vorgänge aus seiner Sozialsphäre benannt. Derartige Äußerungen müssen grundsätzlich hingenommen werden, sofern sie nicht schwerwiegend die Persönlichkeitsrechte verletzten, heißt es weiter. Ferner hätten die Gerichte zuvor nicht ausreichend berücksichtigt, dass das Thema Schwangerschaftsabbrüche ein Gegenstand von wesentlichem öffentlichem Interesse sei.
Bei der erneuten Verhandlung vor Gericht muss auch geprüft werden, ob sich Patientinnen auf dem Weg zum Arzt durch die Aktionen «gleichsam einem Spießrutenlauf ausgesetzt sehen könnten». Dies könnte im Einzelfall ein verfassungsrechtlich tragfähiges Verbot von bestimmten Formen von Protestaktionen stützen, betonten die Karlsruher Richter.
(Quelle: epd)