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Vorbild und Reizfigur – Theologin Margot Käßmann wird 65

Die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann wird am Samstag 65 Jahre alt. Sie hat eine bemerkenswerte Karriere in der evangelischen Kirche hingelegt – mit allen Höhen und Tiefen.

Von Corinna Buschow und Michael Grau (epd)

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Da vorne steht sie unter freiem Himmel, in roter Jacke, das Mikrofon in der Hand. Von hinten in der Menge kaum sichtbar, aber weithin hörbar über die Boxen. Mehr als tausend Menschen hat Margot Käßmann als Rednerin wieder einmal in eine Kirche gelockt, hier beim Ostermarsch 2023. Nur dass die Kirche diesmal kein Dach hat. Es ist eine Ruine, die kriegszerstörte Aegidienkirche in Hannover, ein Mahnmal gegen Krieg und Gewalt. Es geht um Waffenlieferungen, die sie als Pazifistin ablehnt, und um einen Krieg, in dem sie für Verhandlungen plädiert.

Es ist wie immer: Wo Käßmann spricht, da strömen die Massen. Viele drängeln sich sogar noch draußen vor den Mauern. Denn Käßmann weiß, wie sie die Menschen erreicht, bringt auf den Punkt, was viele spüren. Am 3. Juni wird die prominente Theologin 65 Jahre alt.

In der Öffentlichkeit so präsent wie eh und je

Vor fünf Jahren hat sich Käßmann, die zu den bekanntesten und beliebtesten und zugleich polarisierendsten Personen der evangelischen Kirche gehört, aus dem aktiven Dienst verabschiedet, um in den vorzeitigen Ruhestand zu gehen. „Ich genieße es, nicht mehr so durchgetaktet zu sein, und dass der Druck im Alltag nicht mehr so hoch ist wie früher“, erzählt die frühere Landesbischöfin von Hannover und ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Inzwischen ist sie siebenfache Großmutter. Doch nicht nur die Enkel halten sie auf Trab: Durch Medienauftritte und Ehrenämter ist sie in der Öffentlichkeit so präsent wie eh und je.

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„Ich habe sehr viel gepredigt in den letzten Jahren, Lesungen und Vorträge gehalten und Bücher geschrieben“, erzählt sie. Allein im vergangenen Jahr hielt sie 25 Gottesdienste. Dabei scheut sie nie das klare Wort, bezieht immer wieder Position – und erntet damit neben Zustimmung auch Widerspruch. So wie im Frühjahr 2023 in der Diskussion um Waffenlieferungen. Von „weltfremd“ bis „Hut ab, Frau Käßmann“ reichten die Reaktionen in den Leserbriefspalten.

„Nichts ist gut in Afghanistan.“

Margot Käßmann

Für Auseinandersetzungen hat die Theologin häufig gesorgt. Ihre Neujahrspredigt 2010 mit dem Satz „Nichts ist gut in Afghanistan“ stieß nicht nur eine Debatte um Deutschlands Beteiligung an einem Krieg an. Politiker echauffierten sich über die einfache, aber wirkungsvolle Aussage. „Ich bin in Rechtfertigungsdruck geraten, der mich atemlos gemacht hat“, sagt sie rückblickend.

Geboren 1958 als Tochter eines Kfz-Mechanikers und einer Krankenschwester begann Margot Schulze 1977 ihr Theologiestudium. 1981 heiratete sie Eckhard Käßmann, mit dem sie vier Töchter hat, von dem sie aber inzwischen geschieden ist. Auch er wird Pfarrer – und nur er bekommt eine Stelle, als sie beide ihr Studium abschließen. Käßmann, auch Kämpferin für Gleichberechtigung, wird zunächst nur Pfarrfrau. „Margot fühlte sich unwohl“, berichtet Käßmanns langjähriger Berater Uwe Birnstein in einer Biografie über diese Zeit.

Rücktritt nach Alkoholfahrt

Käßmann beginnt eine Dissertation und engagiert sich im Ökumenischen Rat der Kirchen. Anfang der 1990er Jahre wird sie Studienleiterin an der Evangelischen Akademie Hofgeismar bei Kassel, 1994 Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentags. 1999 wird sie in Hannover zur Bischöfin von Deutschlands größter Landeskirche gewählt. Zehn Jahre später wird sie erste Frau an der Spitze der EKD, bleibt es aber nur für wenige Monate. Nach einer Fahrt unter Alkoholeinfluss tritt sie im Februar 2010 von allen kirchlichen Ämtern zurück.

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Doch ihre Glaubwürdigkeit und Beliebtheit scheinen nach dem Fehltritt sogar noch zu steigen. „Du kannst nie tiefer fallen als in Gottes Hand“, verabschiedet sie sich. Wie bereits beim öffentlichen Umgang mit ihrer Brustkrebs-Erkrankung 2006 fliegen ihr Sympathien zu. Käßmann wird zum Vorbild in Geradlinigkeit und Umgang mit Fehlern. 2016 wird sie wegen ihrer Fähigkeit, Menschen zu erreichen, sogar als Kandidatin für das Bundespräsidentenamt gehandelt. Käßmann lehnt ab und bleibt als Botschafterin des 500. Reformationsjubiläums weiterhin im Dienst der EKD.

Vom 65. Geburtstag an will sie nun kürzertreten. Sie hat Talkshows abgesagt, will Podcasts und eine Zeitungskolumne beenden, Ehrenämter und Predigten zurückfahren. Kritik, Spott und Häme seien nicht spurlos an ihr vorübergegangen, sagt Käßmann, die in Hannover und auf Usedom lebt. Das müsse sie sich nicht mehr antun. Jetzt seien Jüngere dran. Ihrer Rolle als aktive Großmutter will sie allerdings treu bleiben. Das wird der Stoff für ihr nächstes Buch. Der Titel: „Kostbare Zeit“.

Quelleepd

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1 Kommentar

  1. Ein Friedensplan trotz Putin

    Bei einem Vortrag von Margot Käßmann über die 10 Gebote, wurde mir ihre Aussage unvergesslich :“In jedem Krieg werden die 10 Gebote schlagartig und automatisch außer Kraft gesetzt – von uns selbst“! Käßmann ist Mahnerin des Friedens, auch wenn jene Gruppe der Mahner*innen für den Frieden derzeit weder ethisch noch politisch erfolgversprechende Konzepte verbreiten können. Irgendwie auch „gar keine“. Dennoch ist sie alleine bereits als Mahnerin für echten Frieden, also keinen faulen Frieden, eine sehr starke und mutige Frau. Nun meine ich nicht, wie Käßmann sicherlich auch, dass die Friedensfrage im Ukrainekrieg irgend etwas damit zu tun hat, ob man für Putin oder für die Ukraine ist. Die Ukraine hat selbstverständlich auch nicht den Krieg begonnen und betreibt auch keine fast flutartigen Kriegsverbrechen. Aber jesusgemäß zu sein in Sachen Frieden heißt ihm nachzujagen. Ich sehe nicht die Politik jeden Tag dem Frieden nachjagen und man verlegt sich eher auf immer mehr Waffen und mehr Krieg. Es fehlt an den vielen internationalen Konferenzen, die sich mit realisierbaren Strategien für nachhaltigen Frieden befassen, also auch nicht abwarten. Gerade wegen Herrn Putin ist dies notwendig. Denn ein Herr Im Kreml, der seine Macht verliert, droht gewissermaßen seine Atomwaffen einzusetzen mit der aberwitzigen Logik, dass es ohne ihn eine Welt nicht geben darf. Ob man solange abwarten kann, bis man Herrn Putin in seine wohlverdiente Rente schickt, scheint fragwürdig. Weil dieser Augenblick entweder nicht eintritt, oder er tritt ein mit weltweiter Apokalypse. Hat niemand einen Plan ???

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