Der Heilige Geist ist aktiv. Er spricht zu uns. Er wirkt in uns. Das ist Realität! Heinrich Christan Rust, promovierter Theologe und Pastor der Friedenkirche der Baptisten in Braunschweig, ist davon überzeugt. Auch andere Geister, vor allem Satan, wirken in unserer Realität und stellen einen Gegenpol zu Gott dar. Daher plädiert Rust sehr für eine realitätsnahe Unterscheidung der Geister (!).
Der Autor sieht die Notwendigkeit, diese Überzeugung sehr ausführlich zu belegen. Er beschreibt den Heiligen Geist und seine Wirkungsweise heute. Eer skizziert und kommentiert die historische Entwicklung und begründet beides mit vielen biblischen Verweisen. Dabei führt er mit dem Leser ein Gespräch. Der Pastor schreibt aus einer „Ich“-Perspektive und spricht den Leser mehrmals direkt an. Das unterstützt den Lesefluss gut und schafft Verbindung. Innerhalb seiner fachlichen Ausführungen untermauert er seine Ergebnisse mit Beispielen aus seiner Seelsorgepraxis und seinem eigenen Leben. Dadurch entzieht sich der Autor der Kritik und macht sich dennoch sehr verletzlich gegenüber Angriffen. Denn: Wer kann wirklich Erlebtes in Frage stellen? Und er lässt sich in seine Seele blicken. Dabei bin ich nicht sicher, ob der Pastor sich der Tiefe des ermöglichten Blickes bewusst ist.
Theologisch sind seine Ausführungen fundiert. Das geschieht vor allem durch die Benennung seiner Grundlagen: die Bibel sowie die Theologen Rudolf Bohren und Jürgen Moltmann. So ist Diskussion möglich, auch wenn persönliche Berichte sie einschränken. Auffällig ist, dass Rust von keinem nennenswerten theologischen Grundwissen des Lesers ausgeht. Betrüblich ist, dass der Autor Kirchenväter aus Arbeiten über sie zitiert. Er übernimmt daher Interpretationen, die sich aus unserer Sicht der Welt ableiten, nicht aus den theistischen Gottesmodellen der Spätantike. Passend hierzu sind Ungenauigkeiten wie die falsche Schreibweise des Vornamens Ratzinger.
Rust bemüht sich um eine übergreifende theologische Perspektive. Weswegen er Ignatius von Loyola als Kronzeugen für den Katholizismus benennt, führt er nicht aus. Zwar unterstellt Rust den Leser geringe Kenntnisse, die des Inhaltes der Mülheimer Erklärung 1909 jedoch schon. Auch streift er das gemeindliche Verhältnis zwischen Gemeinschaft und Individuum, lässt es dann einsam stehen.
Der Text auf der Deckelrückseite wirbt: Wie lernen wir diese Stimmen zu unterscheiden? Dies wird am Rande behandelt. Rust beschreibt Kriterien, die er „Checkpoints“ nennt. Deren Praxiswert erscheint mir gering. Die Ankündigung lässt eine Erwartungshaltung entstehen, die unerfüllt bleibt.
Von Björn Röhrer-Ertl