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Mein kleiner Bibelbetrug

Ist die Bibel tatsächlich ein Buch von „gestern“? Oder sogar „vorgestern“? Welche Bedeutung kann sie für unser Leben heute noch haben? Stephan Zeipelt begegnet dem Buch der Bücher und seiner Wirkung in seinem Alltag immer wieder. Persönliche Erfahrungen zwischen Enttäuschung und Glück.

Von Stephan Zeipelt

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Wenn ich durch die Buchhandlung meines Vertrauens schlendere, fällt mir oft direkt eine Bibel ins Auge: Weber’s Grillbibel. Nicht das, was ich erwarte, wenn ich an Bibel denke. Aber dieses Buch zeigt: Der Begriff „Bibel“ ist heute noch etwas wert. Im gut sortierten Zeitschriftenladen und Buchhandel stößt man noch auf jede Menge anderer „Bibeln“: die iPhone-Bibel, die Mode-Bibel, die Auto-Bibel, die Foto-Bibel und vieles mehr. Der Kunde soll sofort wissen: Hier findet er alles Wichtige zu dem betreffenden Thema bzw. Produkt. Das Wort „Bibel“ steht für ein Kompendium des Wissens, für aussagekräftige Aufbereitung. Nur bei der „Bibel“- Bibel scheint das nicht zu funktionieren. Vielleicht sollten in Zukunft die „Menschen“-Bibel, „Lebens“-Bibel und die „Sinn“-Bibel angeboten werden, um deutlich zu machen, was die Heilige Schrift alles enthält?

Ein Buch von gestern?

Wenn Zeitgenossen über diese Bibel – das Original – sprechen, was für Meinungen hört man dann? „Das Buch ist doch von gestern!“, sagte mir einmal ein Bekannter und zeigte auf eine Bibel. Damit gab er wieder, was wohl viele denken. Glaube, Kirche und Bibel erscheinen in unserer aufgeklärten und multikulturellen Welt nicht zeitgemäß, sondern eben von gestern. Ich entgegnete: „Die Bibel ist sogar mindestens von vorgestern. Sie ist ein uraltes Buch. Und das Erlebte hinter den Aufzeichnungen ist sogar oftmals noch älter.“ Das Gesprächsthema wechselte und irgendwann begann mein Gegenüber von „früher“ zu erzählen: als er noch jünger, seine Kinder kleiner, das Leben leichter und – so wirkte es auf mich – der Himmel blauer, die Wolken weißer, der Nachtisch süßer und das Leben insgesamt besser war. „Du beklagst dich über ein Buch von gestern, und gleichzeitig verklärst du dein Gestern?“ fragte ich ihn. „Ich mag die Bibel gerade deswegen, weil sie nicht im Gestern bleibt.“ Die Bibel ist ein Buch von gestern, ja von vorgestern. Sie ist ein Buch der Erinnerungen. Erinnerungen sind notwendig. Aber nicht um darüber zu lamentieren, wie gut früher alles war. Wir brauchen sie, um unseren gegenwärtigen Standpunkt zu orten. Wir erinnern uns, um auch nach vorn zu blicken.

Geschichten wie ein Spiegel

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Genau diese Möglichkeit, die Geradlinigkeit der Zeit gewissermaßen zu überlisten, bietet uns die Bibel. Wenn wir in sie hineinschauen, treten wir aus der Linearität unseres Lebens heraus, um gleichzeitig Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu betrachten. Die Bibel ist vor allem ein Geschichtenbuch. Kein Geschichtsbuch. Natürlich wollen auch die alttestamentlichen Bücher die Geschichte des Volkes Gottes und ihrer Umwelt erzählen. Natürlich wollen auch die neutestamentlichen Bücher die Geschichte des Wirkens Jesu und der ersten Gemeinde erzählen. Aber eben nicht als historisches Lexikon, an dem man ablesen kann, wie wer wann was wieso getan oder gelassen hat. Denn: Historische Geschichten hat man hinter sich. Die Geschichten der Bibel hat man immer wieder neu vor sich. Sie sind Spiegel der Menschheit und Wegweiser gleichermaßen. Im Rückblick auf das, was zur Identität des Volkes Gottes und der ersten Christengemeinde gehört, können wir unser Leben als Volk Gottes und Christengemeinde gestalten und führen.

Gescheiterte Betrugspläne

Als ich am Anfang meines Theologiestudiums war, musste ich zuerst die Ursprachen Hebräisch und Griechisch lernen und darin eine Prüfung ablegen. Ich war nie besonders sprachbegabt und so ging ich mit großer Nervosität auf meine Hebräischklausur zu. Es sollte irgendein Text des Alten Testaments übersetzt werden. Ich hatte vor, meiner Unkenntnis ein wenig nachzuhelfen. So kaufte ich mir eine kleine „Senfkornbibel“ (das ist eine Ausgabe im Mini-Format), die ich auf der Toilette deponieren wollte, um in einer Pause während der Klausur im Text nachzuschlagen. Während ich die Schummelei plante, blätterte ich in der neuen Ausgabe. Wenn man die Bibel in der Mitte aufschlägt, landet man ja meistens bei den Psalmen – jedenfalls bei Ausgaben ohne die Apokryphen. Ich landete bei Psalm 119, Vers 9: „Wie wird ein junger Mann seinen Weg unsträflich gehen? Wenn er sich hält an dein Wort.“ Und da wusste ich: Der Weg, den ich gehen wollte, war nicht „unsträflich“. Das wäre Betrug und nicht mit Gottes Wort vereinbar. So verzichtete ich auf den Plan und bat Gott um seine Hilfe für die Klausur. Ich las noch hier und da andere Stellen. In der Klausur am nächsten Tag kam dann genau einer dieser Texte dran, den ich am Abend zuvor gelesen hatte! Meine Note war nicht überragend, aber ich bestand die Prüfung – auch dank Gottes Wort und Hilfe.

Erst enttäuscht, dann beglückt

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Nach dieser Erfahrung fiel mir mein Konfirmationsspruch wieder ein. Er steht in Josua 1,9: „Siehe, ich habe dir geboten, dass du getrost und unverzagt seist. Lass dir nicht grauen und entsetze dich nicht, denn der Herr, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tun wirst.“ Wir durften uns damals die Konfisprüche selbst aussuchen. Allerdings sollten wir drei Verse auswählen, von denen dann einer genommen wurde. Ich wollte eigentlich einen anderen, dieser hier aus Josua 1,9 war nur dritte Wahl. Aber ich hatte damals den abzugebenden Zettel nicht verstanden: Ich schrieb meine ausgesuchten drei Verse in biblischer Reihenfolge auf und nicht nach meiner Wunsch-Rangliste. Daher war ich zuerst auch enttäuscht, dass ich diesen Vers zugesprochen bekam. Aber im Laufe meines Lebens wurde und wird er mir immer wichtiger. Es war so, wie der Psalmbeter beschreibt: „Dein Wort ist meinem Munde süßer als Honig.“ (Psalm 119,103). Süße entfaltet sich manchmal auch erst nach längerem Kauen. So war es mit mir und meinem Konfirmationsspruch. Wie wäre es, wenn wir das wiederentdecken würden: die Bibel lesen, jeden Tag ein Häppchen, und dann darauf kauen? Ob sich dann nicht mit der Zeit der Geschmack von Gottes Wort verbreitet, süß wie Honig? Auf jeden Fall bekommen oder behalten wir dann einen Blick dafür, auf welches Buch es wirklich ankommt, und finden neben Weber’s Grillbibel die eine Bibel: die Lebensbibel, Sinnbibel – oder: die Bibelbibel.


Dieser Artikel ist zuerst in der Zeitschrift Faszination Bibel erschienen, dem Magazin für Bibelliebhaber – reich gefüllt mit Fakten, Erfahrungsberichten und Praxistipps.

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