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Johannes Hartl: Das Geschenk der unerhörten Gebete

Wie können wir im täglichen Allerlei dem Gebet feste Orte und Zeiten geben? Gebetshausleiter Johannes Hartl hat verschiedene Tipps – und eine Menge Erfahrungsweisheit.

Ulrich Wendel: Johannes, angenommen, ich habe intensive Tage in einem Gebetshaus verbracht. Jetzt komme ich wieder nach Hause und frage mich: Was von meinen Erfahrungen kann ich hinüberretten in meinen Alltag?

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Johannes Hartl: Wir versuchen als Gebetshaus generell, eine Spiritualität zu kultivieren und zu pflegen, die alltagstauglich ist. Eine Möglichkeit wäre, unserem Livestream zu folgen, der Tag und Nacht Einblick gibt, was in unserem Gebetsraum geschieht. Noch wichtiger aber: Wir merken, dass Musik es Menschen oft leicht macht, ins Gebet zu kommen. Zu Hause kann man also selbst ein Lied singen oder Lobpreismusik laufen lassen und dabei sich einfach Zeit nehmen, bei Gott anzukommen. Die Formen sind meines Erachtens weniger wichtig, als dass man es überhaupt tut.

Ist es also nicht so sehr eine Sache der Umgebung als vielmehr eine Sache des Kalenders?

So ist es. Wir brauchen zwar durchaus manchmal Räume, die uns herausfordern. Manche Leute nehmen sich vor, Fitness zu machen, tun es aber nur, wenn sie wirklich beim Fitnessstudio einen Vertrag abschließen. Über kurz oder lang aber geht es schon um die Frage: Integrierst du es in deinen Alltag?

Hast du da Tricks zur Selbstüberlistung – oder ist es einfach so: Entweder du hast die Disziplin oder du hast sie nicht?

Es gibt immer Tricks zur Selbstüberlistung. Wir sind Gewohnheitstiere. Eine feste Zeit und einen festen Ort zu etablieren und dies sogar in den Kalender einzutragen, macht es leichter. Leichter wird es auch, wenn man eine zweite Person hat, einen Freund, eine Freundin, mit der man sich verabredet. Und sich einmal in der Woche austauscht, ob man Zeit zum Beten genommen hat oder nicht. Und schließlich ist es einfacher, wenn man sich eine Zeit am Tag überlegt, wo man nicht so leicht gestört wird – auch nicht vom Handy. Das ist bei vielen Leuten in der Frühe, es könnte aber auch am späteren Abend sein, wenn die Kinder im Bett sind.

Und über die geplante Zeit hinaus – wie kann ich mir zu Hause einen Ort schaffen, der das Gebet oder die Einkehr begünstigt und an dem mein Blick nicht gleich darauf fällt, dass das Hemd gebügelt oder die Wand gestrichen werden muss?

Ich würde mir einen buchstäblichen Gebetsort schaffen. Der muss nicht viel Platz erfordern. Schon in beiden Studentenbuden, die meine Frau und ich hatten, habe ich mir eine abgetrennte kleine „Höhle“ gebaut. Eine war tatsächlich in einer Speisekammer. Das andere Mal war es einfach ein kleiner abgetrennter Bereich in einem Zimmer. Wenn so etwas nicht möglich ist, dann kann man sich zumindest eine Gebetsecke einrichten. Wir sind auch visuelle Menschen, und da kann eine Kerze sein, da kann ein Bild sein, das mir hilft – und es sollte eben nicht direkt die Liste mit den To-Dos drinhängen.

Wenn ich also so einen Ort habe und mir auch im Kalender die Zeit freigeschaufelt habe, dann ist ja noch nicht gesagt, dass ich das auch fokussiert füllen kann. Was hilft zur Ausrichtung?

Zunächst ist die äußere Stille Vorbedingung für die innere. Die äußere ist ein wichtiger erster Schritt. Das heißt, dafür zu sorgen, dass ich in dieser Zeit nicht gestört werde. Das Handy darf nicht dabei sein. Oder es muss ausgeschaltet sein, aber die Gefahr ist groß, dass man es dann in die Hand nimmt. Ich würde dafür plädieren, das Handy in ein anderes Zimmer zu verfrachten. Und auch wenn man mit Familie lebt oder in einer WG: Es muss klar sein, in der Zeit darf man mich nicht stören, außer es ist wirklich lebensbedrohlich.

Warum reicht es nicht, das Handy einfach auszumachen oder auf Flugmodus zu schalten? Warum willst du es wirklich in das andere Zimmer bringen?

Ich persönlich bin versucht, noch kurz was nachzuschauen. Und schnell bin ich ’ne halbe Stunde am Handy, leider ist das bei mir so. Neben der äußeren geht es um die innere Stille. Erst einmal Stille und Ruhe aushalten lernen – das ist ein Weg der jahrelangen Einübung. Ein paar kleine, bewährte Dinge helfen dabei.

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Das Erste: Man fängt vielleicht nicht sofort mit der völligen Stille an, sondern zum Beispiel mit einem Musikstück oder einem Song, der mich irgendwie runterbringt. Zweitens: Die Sachen, die mir im Kopf rumschwirren, mal aufschreiben. Und zwar nicht in epischer Breite, sondern in Stichpunkten. Wenn mir während des Gebetes eine Idee kommt oder ich muss noch einkaufen gehen, dann schreibe ich das auf und so habe ich es aus meinem mentalen Speicher erst mal abgelegt.

Und grundsätzlich gilt, was Franz von Sales mal so schön gesagt hat: Wenn man eine Stunde lang nichts weiter tut, als seine herumschweifenden Gedanken wieder zurückzuholen, dann soll man wissen, man hat sehr gut gebetet.

Auch wenn ich den Eindruck habe, ich war nur mit mir selbst beschäftigt und habe noch gar nicht mit Gott den Kontakt aufgenommen?

Ja, das Abschweifen ist einfach menschlich. Mit der Zeit wird es zwar einfacher, das in den Griff zu kriegen, doch es ist immer auch von der Tagesform abhängig und davon, wieviel gerade los ist. Ich würde da keinen inneren Leistungsdruck erzeugen. Es ist nicht so wichtig, ob die einzelne Gebetszeit jetzt unglaublich konzentriert und gut war, sondern täglich dranzubleiben macht im Laufe von Monaten einen ganz großen Unterschied. Auch wenn sich das nicht heroisch anfühlt.

Ob ich „gut gebetet“ habe, wie Sales sagt, das kann ich also gar nicht jeden Tag feststellen, sondern vielleicht erst nach einem Jahr?

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Genau. Das Gebet trägt auf jeden Fall Früchte und im Idealfall merken das Leute um uns herum, dass sie sagen: Bei dir verändert sich was. Aber ob sich jetzt eine bestimmte Gebetszeit besonders fromm angefühlt hat oder ob man sich selbst besonders konzentriert erlebt hat – das ist zweitrangig.

Ein Element meines persönlichen Gebets ist häufig die Fürbitte. Anliegen gibt es meist mehr als genug. Dann kann es schnell dahin kommen, dass ich so eine Agenda habe, die ich quasi abzuarbeiten versuche. Agenda-getriebenes Gebet führt aber nicht automatisch dazu, dass ich in Gottes Gegenwart verweile. Wie gelingt der Schritt in das Verweilen hinein?

Diesen Schritt, den macht Gott allein – durch ein großes Geschenk an uns. Und das ist das Geschenk der unerhörten Gebete. Wenn ich vorrangig bete, um irgendetwas zu bekommen, dann wird Gott mich in seiner Liebe enttäuschen, „ent-täuschen“, und dadurch aus dieser Täuschung herausholen.

Und der zweite Schatz sind die unerfreulichen Gebetszeiten, die mich nicht trösten, sondern die langweilig sind. Da scheidet sich dann die Motivation: ob es mir nur um mich selbst ging oder ob ich tatsächlich Gott meinte. In solchen Zeiten lässt Gott das Gebet dann reifen.

Wenn mein Gebet nicht erhört wird, ist es also nicht die einzig mögliche Reaktion, noch häufiger für diese Sache zu beten? Meine Agenda noch weiter zu füllen? Sondern mein Gebet stattdessen zweckfreier zu gestalten?

Ja, und das macht Gott auch souverän. Es passiert eigentlich von allein. Das ist so ähnlich wie bei zwei Menschen, die sich wahnsinnig viel erzählen – und irgendwann so gut kennen, dass sie sich auch im Schweigen verstehen. Ich glaube, das muss man gar nicht planen, sondern es kommt mit der Zeit.

Lieber Johannes, vielen Dank für das gute Gespräch.

Die Fragen stellte Dr. Ulrich Wendel (Gebetsmagazin sela.)

Dr. Johannes Hartl ist Autor, Vortragssprecher und Leiter des Gebetshauses Augsburg.

Das Interview ist eine gekürzte Fassung des Gesprächs, das vollständig in der 2025er-Ausgabe von sela.Das Gebetsmagazin abgedruckt ist.



Dieser Artikel stammt aus sela. Das Gebetsmagazin 2025. sela. wird vom SCM Bundes-Verlag herausgegeben, zu dem auch Jesus.de gehört.

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  1. Gott ist überall und hält Sprechstunde

    Spiritualität, also wie ich konkret Gebet und Stille vor Gott ausgestalte und strukturieren, ist mir wichtig. Aber jede/r dem dies wichtig ist und so auch Priorität einräumt, wird es anders machen, unterschiedlich und individuell. Ich rede überall, an fast jedem Ort und anlässlich vieler Anlässe mit Gott. Meine Ordnung ist die Unordnung, so wie man auch Liebe nicht strukturieren und nach Stundenplan durchführt, auch nicht jene zum Schöpfer und Erhalter aller Dinge. Als junger Mensch bin ich stundenlang durch die heimatlichen Wälder gelaufen, wo man so gut wie niemand auf dem Wege begegnete, also ganz alleine ist mit der Schöpfung und Gott. Ich wußte immer: Da der himmlische Vater nur als Liebe und purer Barmherzigkeit personhaft handelt und alles weiß – mehr als ich selbst – an was ich leide, mich erfreue, erhoffe, plane, wünsche und tue, auch alle meine Abgründe, brauche ich mich niemals wirklich verstecken oder lügen. Er verwendet es nicht gegen mich. Gott ist eine das ganze Universum durchdringende Wirklichkeit, eine Wirklichkeit hinter der Wirklichkeit, alles ist in Gott und Gott ist in allem. Wenn ich mich auf ihm gründe, er mein Fundament ist, dann habe auch ich nicht auf Sand gebaut. Gebet macht dies aus, sich dem Absoluten auszuliefern und auch gerne in die Arme zu werfen. Wir kamen vom Himmel, Geist von Gottes Geist und gehen alle zu ihm zurück. Wir existieren, weil Gott uns liebt. Und daher ist das Beten wie geistliches Atmen. Gottes Messias, der Menschensohn, war das liebende Angesicht des allmächtigen Schöpfergottes. Schlußsatz: Gott ist wirklich überall und hält Sprechstunde.

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