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Fußball-WM: Schauen oder Nichtschauen, das ist hier die Frage

Seitdem die FIFA die WM an Katar vergeben hat, sind dort offiziell 35 Arbeitsmigranten auf Stadionbaustellen gestorben. Ethiker Alexander Maßmann fragt: Können Gemeinden guten Gewissens die Spiele übertragen?

35 tote Arbeitsmigranten auf Stadionbaustellen seit 2010, als die WM an Katar vergeben wurde – das ist die offizielle Bilanz. Zahlreiche Kirchengemeinden haben bei den letzten WMs zum Public Viewing eingeladen. Kann das diesen Winter mit der WM in Katar guten Gewissens wiederholen, fragt sich der Ethiker Alexander Maßmann in der evangelisch.de-Kolumne „evangelisch kontrovers“.

Laut internationalen Statistiken sei das Risiko eines tödlichen Arbeitsunfalls in Katar etwa acht Mal so hoch wie in zahlreichen, relativ armen Ländern, schreibt Maßmann. Und das, obwohl Katar eines der reichsten Länder der Welt sei.

Hitzeschutzmaßnahmen verweigert

Die Arbeiter dort werden ausgebeutet. Reisepässe werden beschlagnahmt, unbezahlte Überstunden angeordnet, Mindestlöhne nicht eingehalten, Ruhepausen und -tage verweigert, Hitzeschutzmaßnahmen verweigert sowie Löhne zu spät oder gar nicht gezahlt, schreibt das RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Katar liefere wie Putin 2018 eine „Hochglanz-WM“, um seine Gräber weiß zu tünchen. „Es dürfte schwierig sein, ein stimmiges Format zu finden, mit dem die Gemeinden nicht ihre eigene Botschaft untergraben“, schreibt Maßmann. Dazu müsse man die Liebe für die fernen Nächsten in Katar ausblenden, „die so bitter gerade für diese Spiele bezahlt haben.“

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Kirchengemeinden müssten aber nicht zwei Jahre bis zur EM der Männer warten, um wieder gemeinsam Fußball schauen zu können. Nächstes Jahr im Sommer werde die Fußball-WM der Frauen in Australien und Neuseeland ausgetragen. Im Sommer sei die Stimmung ohnehin besser, schreibt Maßmann.

Link: „Fußball-WM aus Katar in der Kirchengemeinde?“ (evangelisch.de)

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3 Kommentare

  1. > Die herrschenden Männer in Katar werden keine besseren Menschen, und sie laufen nicht über zu unseren ethischen Vorstellungen, wenn wir die Fußballübertragungen nicht mehr einschalten würden.

    Das ist nicht der Boykottgrund.

    Die Fussball-WM ist ein nahezu reines Wirtschaftsunternehmen. Es geht um Geld. Und Katar hat die WM genau wegen dieses Geldes, von dem sie reichlich haben, bekommen.

    Das Geld wird vor allem durch Werbung verdient. Wird die WM von vielen boykottiert, wird weniger Werbung gesehen, die Sponsoren und Werbekunden machen Verlust.

    Das wird an dieser WM nichts mehr ändern. Aber es hätte einen zukünftigen Effekt, solche Ereignisse nicht mehr an solche Staaten zu geben.

    Es macht die tausende Toten Arbeitsmigranten nicht wieder lebendig, aber es könnte helfen, dass es solche Blutspiele nicht mehr gibt.

    • Es gibt auch einen Denk-Fundamentalismus

      „Die Fussball-WM ist ein nahezu reines Wirtschaftsunternehmen. Es geht um Geld. Und Katar hat die WM genau wegen dieses Geldes, von dem sie reichlich haben, bekommen“! Das ist richtig, lieber Joerg – und selbstverständlich nicht besonders erfreulich. Aber ich muss mich doch fragen, wo es denn im öffentlichen Leben n i c h t um Geld geht. Also was kann ich noch tun und mich daran erfreuen, wenn damit kein Geld verdient wird oder kein größeres Geschäft zu machen ist. Leider: Geld bestimmt die Welt. Geld ist ein Versprechen auf Gegenwert. Die großen Fußballspiele sind – dabei nicht unerheblich – auch psychologischer Kitt in einer Gesellschaft, in der neben vielen anderen Aktivitäten Sinnstiftung wenig stattfindet. Nun ist der große Fußball keine Sinnstiftung, aber hier ist es wie bei den Tieren. Auch sie spielen selbst als Ausgewachsene. Offensichtlich hat dies eine wichtige Funktion, etwa sich auf den Kampf des Lebens vorzubereiten. Nun ist Fußball kein Boxsport – da hätte ich bedenken – aber bei den 2 mal 11 Leuten auf dem Platz und den tausenden im Stadion, den Millionen im Fernsehen und Netz, geht es um das eher friedliche Siegen und um die Einhaltung fairer Regeln. Dabei darf der Fan in seinem Geist mitgewinnen oder muss mitverlieren. Die Spiele im Altertum waren dagegen sehr blutrünstig. Aber niemand muss den Fußball lieben, aber jede und jeder darf auch einfach mal Mensch sein und sich etwas gönnen, was wie fast alles in der Welt keine Vollkommenheit hat und auch über Widersprüche verfügt. Es gibt bisweilen einen Denk-Fundamentalismus, der es durchaus mit Fakten belegen kann, dass fast alles was wir tun können negative Effekte erzeugt.

  2. Fernsehboykott ist kein Wundermittel

    In vielen Staaten weltweit herrschen menschenunwürdige Zustände, sowohl sozial und/oder auch politisch. Unsere Empörung alleine, oder keine Fußballspiele mehr zu verfolgen aus sogenannten Bananenrepubliken, hilft überhaupt nicht. Auch wenn ich immer wieder in eigene Zweifel komme. (Man könnte es auch unethisch empfinden, dass Fußballer so gut dotiert werden. Aber wo hört diese Betrachtungsweise denn auf ?)Es helfen auch in maroden Staatsgebilden nur Diplomatie mit vielen Gesprächen, sowie (gute !) Wirtschaftsbeziehungen und Entwicklungshilfe. Die herrschenden Männer in Katar werden keine besseren Menschen, und sie laufen nicht über zu unseren ethischen Vorstellungen, wenn wir die Fußballübertragungen nicht mehr einschalten würden. Ich frage mich sodann, wo wir überhaupt noch hinreisen dürften – wenn wir trotz einer Klimakrise überhaupt noch fliegen wollen – da doch in den meisten ferneren Reiseziele Menschenrechte in den Boden treten. Schon gar nicht zu reden von schlechter Bezahlung, miserabler Betreuung von ausländischen Arbeitskräften oder mangelnder bzw. nicht vorhandener Frauenrechte.

    In jüngeren Jahren bin ich viel gereist, war in Ägypten, und in Israel (ein Land das ich liebe), und auch da hätte man schon aussortieren müssen. Als wir in einem Boot über die Nil geschippert wurden, haben wir dem Bootsfahrer so viel Trinkgeld gegeben (es war minimal), allerdings für ihn war es wie ein Wochenlohn. In Guatemala entsetzten uns die riesigen Einschusslöcher durch Kriegswaffen in einer Bischofskirche, wo man den dortigen Bischof erschießen wollte, weil er sich um arme Leute kümmerte. In El Salvador herrschte gerade Generalstreik. Man bat uns über alles, aber auf keinen Fall über Politik zu reden, weil dies lebensgefährlich sei. Aber überall sind wir sehr (gast)-freundlichen Menschen begegnet, auch in China. Doch gerade dort werden die Menschenrechte mit Füßen getreten. Ich werde also Fußballspiele sehen, obwohl dieses Stattfinden unter den Klimaverhältnissen in Katar ein fußballpolitisches „Geschmäckle“ hat.

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