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Gemeinde: Mitarbeit beendet, „Freunde“ weg

Oft brechen Kontakte weg, wenn Christen aus der Mitarbeit in ihrer Gemeinde aussteigen. Gemeindeleiterin Christine Kernstock erklärt: Freundschaften und Arbeitsbeziehungen sind nicht das Gleiche.

Unsere Gemeinde hat die meisten Gemeindeevents eingestellt. Schon vor Jahren, schon vor Corona. Keine Worship-Nights, keine Bibelstunden, keine Themenabende. Es ging einfach nicht mehr. Wir mussten uns eingestehen: Wir sind nicht nur eine kleine Gemeinde, wir sind auch eine Gemeinde mit kleiner Kraft.

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Für viele unserer Mitglieder stellt es eine Herausforderung dar, die Anforderungen aus Familie, Beruf, sozialem Engagement, Haushalt, Sport (oder wenigstens etwas Bewegung, damit der Rücken nicht ganz so weh tut) unter einen Hut zu bekommen. Die Gemeindetermine, so wichtig man sie auch fand, wurden zunehmend zum Stressfaktor. Stress, der nach und nach alle Freude verdrängt hat.

Nachdem dann die Gesichter bei diversen Vortreffen immer länger und die eigentlichen Events immer spärlicher besucht wurden, beschlossen wir: Wir lassen es. Nicht als ewig geltende Grundsatzentscheidung, aber als momentanen Befreiungsschlag. Einzig der Gottesdienst blieb, ein Gemeindefamilientreffen mit Blick auf Jesus.

Diese Entscheidung tat den meisten Leuten in der Gemeinde gut. Leben und Gemüter entspannten sich. Doch mit dieser Entscheidung kam ein neues Problem: Anstatt automatisch Teil einer Mitarbeitergruppe zu sein, die sich regelmäßig sieht und austauscht, begannen Kontakte zu verblassen. Plötzlich saß man allein zu Hause. Auch ich, und dabei hätte ich als Teil der Gemeindeleitung doch deutlich besser eingebunden sein sollen. Oder?

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Immer wieder höre ich von Christinnen und Christen, die enttäuscht davon berichten, dass sie erst durch Mitarbeit in ihrer Gemeinde Anschluss fanden – und dass sie den Kontakt wieder verloren, sobald sie aus der Mitarbeit ausstiegen. Es fühlt sich an wie ein Schlag ins Gesicht, wenn man scheinbar nur für seine Arbeitskraft gebraucht wird.

Wen macht man dafür verantwortlich? Instinktiv ist es „die Gemeinde“, die sich nicht kümmert. Doch auf wen zeigt man, wenn man auf „die Gemeinde“ zeigt? Auf die gesamte Gruppe? Wer aus der Gemeinde soll sich wie genau kümmern? Bin ich, Tine, als Gemeindeleitung dafür verantwortlich oder muss ich Verantwortliche einsetzen?

Es fühlt sich an wie ein Schlag ins Gesicht, wenn man scheinbar nur für seine Arbeitskraft gebraucht wird.

Würde ich, wenn ich einsam bin, es wollen, dass sich diese berufenen Verantwortlichen bei mir melden? Eigentlich will ich so etwas nicht. Ich will nicht, dass sich jemand aus Pflichtgefühl um mich „kümmert“, ich bin ja keine Topfpflanze. Ich möchte, dass ich Menschen wichtig bin. Und dass Menschen aus echtem Interesse fragen, wie es mir geht.

Eine Bekannte fasste es dann in folgende Worte: Wir haben Arbeitsbeziehungen mit Freundschaften verwechselt. Dieser Satz beschäftigt mich. Denn es stimmt: Freundschaften und Arbeitsbeziehungen sind nicht das Gleiche. Auch wenn es Schnittstellen geben mag und auch wenn ich mir nicht sicher bin, wo ich bei den einzelnen Begriffen die Grenzen ziehe. Dennoch hilft mir der Satz, mich selbst und meine Beziehung zu hinterfragen.

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Viele Arbeitsbeziehungen

Arbeitsbeziehungen hatte und habe ich in der Gemeinde viele. Der Kontakt zu diesen Leuten ist in der Regel herzlich und warm. Ich mag diese Menschen und natürlich spricht man bei Treffen nicht nur über die Arbeit, sondern auch über das, was im eigenen Leben los ist. Dennoch ist der Anlass für ein Treffen die Arbeit, und Gemeindethemen bestimmen den Großteil unserer Gespräche.

Ich empfinde diese Beziehungen als freundschaftlich. Doch um ehrlich zu sein: Wenn es mir in unserer Gemeindesommerpause nicht gut gehen und ich sechs Wochen zu Hause im Bett liegen würde, würde es von diesem Personenkreis wahrscheinlich niemand mitbekommen. Nicht, weil ich ihnen egal bin, sondern schlicht, weil wir uns in unserem Privatleben kaum treffen.

Ich weiß aber, dass ich mich melden und um Hilfe oder Besuch bitten dürfte. Einander zu helfen und zu tragen, ist ein elementarer Teil der christlichen Gemeinschaft. Es ist ein Auftrag von Jesus. Wir sollen einander unterstützen, wie Jesus es mit uns tut: mit Aufmerksamkeit, Hingabe, Liebe und in Echtheit. Auch außerhalb von Teamtreffen!

Manchmal passiert solches Miteinander von allein, weil Leute mitbekommen haben, dass da ein Bedürfnis ist. Oft muss man sich als Betroffene aber auch melden und sagen, was man braucht. Ich persönlich bin dankbar, wenn Kranke durchblicken lassen, dass sie Besuch schön fänden. Denn manchmal bin ich einfach schrecklich betriebsblind.

Kleiner Kreis von Freunden

In meinem engen Freundeskreis hingegen fällt es auf, wenn ich mich mal ein paar Tage nicht melde. Und wenn ich Probleme oder Sorgen habe, sind sie die Ersten, die es erfahren. Meine Freunde, das ist ein kleiner Kreis von Menschen, die ich nah an mich heranlasse und bei denen ich verletzlich bin. Daher wähle ich diese Menschen sehr bewusst aus. Es sind Menschen, bei denen ich auftanken kann und die mir guttun.

Ich habe gelernt, dass ich für meine Freundschaften selbst verantwortlich bin. Ich darf und muss selbst entscheiden, wen ich in diesen engen Kreis meiner Beziehungen lasse. Und ich muss Zeit und Aufmerksamkeit investieren, damit diese tiefen Freundschaften entstehen und bestehen bleiben.

Innerlich mache ich inzwischen eine Unterscheidung.

Inzwischen sind einige Jahre vergangen und in meiner Gemeinde gibt es wieder vereinzelte Aktionen. Das heißt, es gibt auch wieder mehr Treffen unter der Woche. Und es stimmt: Vieles davon sind „Arbeitsbeziehungen“. Aber um ehrlich zu sein: Auf Nachfrage würde ich die meisten immer noch als meine Freunde bezeichnen. Weil wir uns nah sind und mögen. Aber innerlich mache ich inzwischen eine Unterscheidung.

Denn trotz der Sympathie treffe ich mich mit den wenigsten gezielt außerhalb von Gemeindeveranstaltungen. Einfach, weil unsere Leben wenig Schnittstellen haben, weil wir uns die Zeit nicht nehmen oder weil unsere Interessen oder Erwartungen nicht zueinander passen. Und das ist gar nicht schlimm. Solange jeder von uns in Freundschaften eingebunden ist und gleichzeitig weiß, dass er oder sie sich an die anderen Leute aus der Gemeinde wenden kann, wenn konkrete Hilfe gebraucht wird.

Christine Kernstock lebt mit ihrem Mann in Waiblingen, arbeitet in Vollzeit ehrenamtlich für ihre Gemeinde und bloggt unter www.nurheute.net


Ausgabe 4/22

Dieser Artikel ist in der Frauenzeitschrift JOYCE erschienen. JOYCE ist Teil des SCM Bundes-Verlags, zu dem auch Jesus.de gehört.

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3 Kommentare

  1. “ Die meisten Menschen sind keine Telepathen und konnten auch solches nicht erahnen. Soziale Beziehungen fallen allerdings auch nie vom Himmel. “
    Ohne Sie, Herr Hehner, würde es hier auch sehr mau aussehen. Die Artikel lassen sehr zu wünschen übrig, sind uninspirierend und langweilig.
    Ich habe mich gewundert, warum es nötig ist, den Unterschied zwischen einer kollegialen, oder gemeindlichen und einer freundschaftlichen Beziehung so weit auszuführen, wie es der Titel suggeriert.
    Aber es ist ein Auszug aus einem persönlichen Blog,
    Natürlich kann ich nicht erwarten, dass sich die Leute bei mir melden, ich muss selbst auch aktiv werden, aber ich habe gemerkt, dass ich wohl nie solche Kontakte hatte , die es wert waren, erhalten zu werden.
    Die , an denen es mir noch heute was liegt, habe ich vernachlässigt, weil ich es nicht erkannt habe, oder die Umstände es nicht möglich machten.

    “ Ich habe gelernt, dass ich für meine Freundschaften selbst verantwortlich bin. Ich darf und muss selbst entscheiden, wen ich in diesen engen Kreis meiner Beziehungen lasse. Und ich muss Zeit und Aufmerksamkeit investieren, damit diese tiefen Freundschaften entstehen und bestehen bleiben. “
    Solche und ähnliche psychologischen Selbsterkenntnisse häufen sich in letzter Zeit im Internet.
    “ Tiefe Freundschaften “ sind eine Illusion, oder auch Glück.
    “ Ich muss Zeit und Aufmerksamkeit investieren “ ?
    “ Muss “ ? Das funktioniert nicht. Eine Freundschaft, die Zeit “ kostet „, ist keine Freundschaft, sondern falsch verstandener Ehrgeiz, der eine Freundschaft eher belastet, als dass es sie trägt.

    “ Meine Freunde, das ist ein kleiner Kreis von Menschen, die ich nah an mich heranlasse und bei denen ich verletzlich bin. Daher wähle ich diese Menschen sehr bewusst aus. “
    Das stößt mich ab, denn die Person, die so zielstrebig über ihre Freunde bestimmt, benutzt diese Freunde und manipuliert sie, wenn nötig.
    Natürlich gibt es unterschiedliche Sichtweisen und Erfahrungen.

    Der ganze Artikel wird in diesem extrovertierten Stil gehalten, sehr Ich betont, und selbstgefällig. Eben ein Blog,

    • Unterschiedliche Formen von Beziehung

      Liebe Gabrielle: Sie schreiben „der ganze Artikel (von Gemeindeleiterin Christine Kernstock) wird in diesem extrovertierten Stil gehalten, sehr Ich-betont und selbstgefällig“! Ich habe beim Lesen den Eindruck gehabt, dass da jemand ehrlich beschreibt, wie es ihr geht, wie sie Freundschaften empfindet und wie sich für sie Arbeitsbeziehungen von Freundschaften unterscheiden. Ich halte ihren Stil nicht für extrovertiert und überhaupt keinesfalls selbstgefällig. Ich selbst habe ganz allgemein von sozialen Beziehungen geschrieben, die in der Coronazeit (gerade auch in Kirchen) gelitten haben. Das können durchaus auch Freundschaften gewesen sein, obwohl solche naturgemäß engere Beziehungen darstellen. Niemand muss sein wie Gabrielle, und genauso wenig wie Bernd Hehner. Es gibt Menschen, die haben viele Freundschaften, andere weniger und nicht selten sind Menschen eher Einzelgänger mit keinen oder wenigen Freunden bzw. Freundinnen. Arbeitsbeziehungen, also wo man – etwa auch in Beratungsstellen – eng zusammenarbeitet, sind durchaus aber keine freundschaftlichen Beziehungen, aber als Arbeitsbeziehungen auch nicht weniger wert – sie sind nur anders. Dies alles muss man differenzieren und in manchen Fällen auseinander halten. Am schlimmsten wird es, wenn ein Mensch diese Ebenen öfters oder spontan wechselt. Dann kann er einmal der Chef sein, dann der Kollege, später ein Freund, oder sogar mein Therapeut. Seelsorger*in habe ich noch vergessen. Dazu kommen noch die sogenannten Beziehungskisten, die nicht nur in normalen Vorzimmern praktiziert werden, sondern auch in Gebäuden mit frommen Zwecken. Das stört nicht wegen einem moralisieren, aber oft doch den Arbeitsfrieden. Das was man bei uns Christen als Geschwisterlichkeit bezeichnet, mit der jede/r eigentlich (im Idealfall versuchten sollte) dem Mitmenschen zu begegnen, ist nicht unbedingt zugleich eine freundschaftliche Beziehung oder Arbeitsbeziehung. Eher würde ich dies als eine sehr grundpositive Haltung dem Anderen gegenüber bezeichnen. Selbst Jesus hatte Freundschaften, aber mit seinen anderen Jüngern und auch allen Menschen praktizierte er eine sehr gewinnende und freundliche Begegnung. Aber wenn man dies mit anderen Formen verwechselt und vermischt, wie sich Menschen einander zuwenden oder auch nicht, dann bekommt man einen großen Kuddelmuddel. Auch der christlichen Glauben ist durchaus auf andere Menschen anwendbar unangemessen, in dem er missbräuchlich zu einer besondere Form von Gewalt oder Fremdbestimmung wird. Und ich will hier auch gar nicht behaupten, dass diese Form des Mißbrauch nur in fragwürdigen Sekten geschehen kann. Luther hat dies gut ganz gut zusammengefasst, dass (richtiger) Glaube zu einer großen inneren Freiheit von allen Mächten und Menschen wird, und zugleich aber ist dennoch jeder Gläubige allen untertan. (Letzteres meint, ich kann trotzdem gegenüber jedem anderen Menschen eine Bringschuld haben: Die nennt sich Nächstenliebe) Aber ein „Muss“ gibt es nicht. Weder muss ich Christin oder Christ sein und niemand zwingt mich Nächstenliebe auszuüben. Die Freiheit des Christenmenschen besteht eben in dieser Freiheit, freiwillig den Glauben zu leben. Frömmigkeit, egal in welcher Form, sollte (nicht nur idealerweise) immer ein Eigenprodukt sein und nicht fremdbestimmt. Die Psychologie beschreibt, dass grundsätzlich eine angemessene Form von Nähe und Distanz immer erforderlich ist, wobei jede und jeder hier unterschiedliche Bedürfnisse hat. Deren Ausgewogenheit ist zugleich die Kunst, wie man ein richtiger Mensch sein kann: Zuwendung kann erdrücken, Hass und Unfrieden unglücklich machen, eine Umarmung gut tun

  2. Wieder Aufbauarbeit leisten

    Die Corona-Phase, in der Gottesdienste, Gemeindeaktivitäten – auch in den beiden großen Mitgliedskirchen – kaum noch oder nicht mehr wirklich stattfinden konnten: Sie hat viele Menschen gebeutelt. Es besteht offensichtlich immer noch vielfach so eine Art „mildes Trauma“. Daher scheint auch derzeit noch so mancher nicht in die Puschen zu kommen. Die Chorproben, Gemeindegruppen und unterschiedliche Kreise laufen wieder an, aber noch langsam und oft zeitlupenhaft. Ich hatte eher in der Hochphase der Pandemie die Phantasie, die aktiven Christinnen und Christen würden (jetzt) versuchen sogar nachzuholen, was sie an Gemeinschaft und damit an sozialen Beziehungen in zwei langen Jahren nur noch sehr spärlich genießen konnten. Aber dieser Effekt, sowohl in den Großkirchen als auch in den oft kleineren freikirchlichen Gemeindegruppen, scheint mir im Gegensatz zum Party machen, zumindest teilweise auszubleiben. Ich denke, da müssen dann die Aktiven in der Gemeinde wieder ran und die anderen motivieren. Vielleicht muss ganz einfach gute Aufbauarbeit geleistet werden. Die Frage der Einsamkeit beschreibt ein Trauma, dass wenn ich lange Zeit zuhause gesessen habe, auch niemand (oder weniger Leute) wissen können wie es mir geht. In freikirchlichen Gemeinden ist man wahrscheinlich als Hauptamtlicher eher ein selten vertretenes menschliches Exemplar, in landeskirchlichen und katholischen Gemeinden ist eben die Gemeindesekretärin eher eine ganz normale Arbeitnehmerin. Ob und mit wem ich befreundet bin, also auch als Christ Gemeinschaft habe, hat nun überhaupt nichts damit zu tun (oder sollte es auch nicht), ob Derjenige oder Diejenige ein bezahltes oder unbezahltes Amt in der Gemeinde hat, oder einfach nur die Gottesdienste besucht und/oder ein Angebot. Vielleicht sollte man auch soziale Beziehungen mit Nichtchristen pflegen, wenn sie sich denn selbst so bezeichnen. Dies könnte durchaus für beide Seiten sehr gut sein. Jesus jedenfalls machte das sehr gerne.

    Ich lag außerhalb Corona auch mal volle sechs Wochen im Krankenhaus, und von der Gemeinde hat mich niemand besucht, obwohl ich am Ende 38 Jahre in einem Kirchenvorstand war. Allerdings: Die meisten Menschen sind keine Telepathen und konnten auch solches nicht erahnen. Soziale Beziehungen fallen allerdings auch nie vom Himmel. Da muss ich, wenn ich mich einsam fühle, egal ob das nun objektiv oder nur subjektiv stimmt, auch selbst die Schritte auf andere hin tun. Man kann ja einfach auch Leute einladen. In der Regel ist das unkompliziert. Oder ich bin kompliziert, und dann muss dieses Hemmnis beseitigt werden. Hemmungen und Angst vor Kontakten sind sehr menschlich und leider weit verbreitet. Ich will nicht besserwisserisch klingen, aber so denke ich.

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