Stefanie Böhmann engagiert sich für Versöhnung zwischen Deutschen und Israelis und ist zugleich Lehrerin an einer Schule mit einem hohen Anteil an Muslimen. Wie gelingt es ihr, Brücken zu bauen?
Auf welcher Seite sind Sie?“ Das ist eine Frage, die mir als Religionslehrerin und interkultureller Koordinatorin nach dem Angriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023 von unseren Schülerinnen und Schülern an der Stadtteilschule Öjendorf oft gestellt wird. Wir haben einen Migrationsanteil von über 75 Prozent. Würde ich antworten: „Ich bin für Israel!“, würden mir aus Protest jeden Tag die Worte „Free Palestine!“ entgegengeschmettert. Und ich hätte jegliche Chance auf ein Gespräch auf Augenhöhe verwirkt. Würde ich aber sagen, dass ich auf der Seite der Hamas stehe, würde ich lügen. Also antworte ich voller Überzeugung: „Ich bin für die Menschen und gegen Gewalt!“
Eine syrische Geflüchtete erklärt mir, dass sie gern auf eine „Free Palestine“-Demonstration gehen würde, weil sie es den Palästinensern gönnen würde, endlich ein Land zu haben. Im gleichen Atemzug wünscht sie genau das auch den Israelis. Ich bin überrascht. Wir kommen ins Gespräch, in dem ich ihr auch meine Betroffenheit über die vielen Todesopfer auf palästinensischer Seite vermitteln kann. Um das harte Eingreifen Israels ein bisschen erklären zu können, gehe ich in meinem Religionskurs, zu dem sie gehört, intensiver auf geschichtliche Hintergründe zum Nahostkonflikt ein. Als ich den Raum verlasse, bleiben nachdenkliche Schüler zurück.
Das große Dilemma
Leider verlaufen die Gespräche nicht immer so offen. Ein Sechstklässler kommt mir einige Tage später mit der Forderung für ein freies Palästina entgegen. Als ich ihn frage, ob er das gut finde, was die Hamas gemacht habe, schaut er mich groß an. „Was meinen Sie mit Hamas? Wer ist das?“ Als ich ihm kurz erkläre, dass es sich dabei um eine Terrororganisation handele, die brutal Menschen in Israel abgeschlachtet habe, schaut er mich verwirrt an. Er hat noch nie von der Hamas gehört. Sein Blick suggeriert mir, dass er mir nicht glaubt und auch nicht zwischen den Palästinensern und der Hamas unterscheiden kann. Ein Freund von ihm, der mit halbem Ohr zugehört hat, ruft: „Die Juden werden schon sehen, wie die Rache schmeckt.“ Da wird mir das große Dilemma des jüdischen Volkes wieder bewusst. Israel ist umgeben von vielen arabischen, muslimisch geprägten Ländern. Es liegt nahe, dass die Nachbarn sich mit dem palästinensischen Volk solidarisieren und eher ihr Leid mitfühlen. Es sind zahlenmäßig aber viel mehr als die Israelis.
Nachrichten, die aus dem Gazastreifen in die Welt gesandt werden, kommen meist von der Hamas, weil es kaum mehr neutrale Berichterstatter vor Ort gibt. Die Bilder von Bomben, die auf Krankenhäuser abgeworfen wurden, verbreiten sich in Windeseile in den sozialen Netzwerken, werden oft nicht auf Echtheit überprüft und brennen sich in den Köpfen ein. Nie berichtet wird dagegen, dass Israel ein Rechtsstaat ist und die Soldaten, die Fehler machen, sich vor Gericht verantworten müssen. Israel verteidigt sich nach einer brutalen Geiselnahme unter Zivilisten und einer Abschlachtung von über 1.300 Menschen.
Friedenskonferenz
So kommen einige Tage später unsere Schulsprecher in der Pause auf mich zu und halten mir ein Bild vom zerstörten Krankenhaus in Gaza-Stadt unter die Nase. „Frau Böhmann, was sagen Sie dazu? Was denken sich die Israelis eigentlich dabei?“ Und ich sehe mich herausgefordert, zwischen Tür und Angel zu prüfen, welche Fehler das israelische Militär vielleicht gemacht hat, welche Quelle meine Schüler haben, was Propaganda der Hamas ist und wie ich den Schülern eine fragende Haltung vermittele, die beiden Seiten die Möglichkeit gibt, zu Wort zu kommen. Im November und Dezember 2023 ringe ich um Worte und Methoden, wie ich meinen Schülern auf deutliche, aber einfühlsame Weise verständlich machen kann, dass ihre Medienrecherche einseitig ist und die sozialen Medien Algorithmen verwenden. In diesen Wochen fordern mich auch Medienanfragen heraus, ob wir als Schule bereit wären, darüber zu sprechen, wie wir den Nahostkonflikt thematisieren. Dabei lerne ich einfühlsame Medienleute vom NDR und heute journal kennen, die erschüttert darüber sind, dass ihnen von unseren Schülern Einseitigkeit vorgeworfen wird: „Sie sind doch alle pro Israel.“ Als das heute journal da ist, stelle ich mit meiner 10. Klasse eine Friedenskonferenz nach. Je drei bis vier Schüler sind in einer Gruppe und bereiten einen Friedensvorschlag im Nahostkonflikt für ein Land oder eine Gruppe vor. Da sind die USA genauso vertreten wie die PLO, die Hamas, Deutschland, Israel, der Iran … Jede Gruppe entsendet einen Vertreter oder eine Vertreterin an den Verhandlungstisch. Als D. als Vertreter der Hamas an der Reihe ist, sagt er deutlich: „Wir wollen Israel auslöschen. Sie haben kein Existenzrecht. Frieden kehrt nur ein, wenn Israel ausradiert ist.“ Völlig betroffen kommt dieser Schüler nach der Stunde zu mir und fragt mich, ob er das so richtig gesagt habe und es tatsächlich so sei. Er hat etwas Entscheidendes verstanden.
Begegnung auf Augenhöhe
Seit 2017 veranstalte ich mit dem Ebenezer Hilfsfonds Deutschland e. V. Jugendaustauschprogramme nach Israel. Auslöser war eine Äußerung eines geflüchteten Schülers in meinem Religionsunterricht, der mir androhte: „Frau Böhmann, wenn Sie das Judentum unterrichten, dann gehe ich.“ Mir wurde damals bewusst: Wenn sich am Antisemitismus einerseits und den Vorurteilen der Israelis gegenüber uns Deutschen andererseits etwas verändern soll, braucht es Begegnung. In den Begegnungsreisen hat sich genau das bewiesen. Als Ebenezer meine Freundin und mich im Januar 2024 für eine Woche nach Israel entsandte, um mit Menschen vor Ort ins Gespräch zu kommen, konnten wir den Kontakt zu einem Pre-Army-Kurs herstellen. In diesem sechsmonatigen Kurs kommen jüdische Jugendliche aus aller Welt in Israel zusammen, um mehr über Land und Leute zu erfahren. Danach startet für einige der Militärdienst, andere kehren in ihre Ursprungsländer zurück. Dieser Kurs hat sich bereit erklärt, an einem Zoom-Meeting mit Schülerinnen und Schülern aus unserer Schule teilzunehmen. Die waren überrascht, dass die Jugendlichen des Kurses auch aus unterschiedlichen Ländern kamen. Es fand ein gegenseitiges Kennenlernen und eine offene Fragerunde statt. Am Ende war für alle klar: Das müssen wir wiederholen! Die Offenheit und das Interesse am anderen haben mich begeistert. Ein muslimisches Mädchen meinte im Anschluss zu mir: „Ich gehe jetzt nach Hause und spreche mit meiner Tante. Sie hat so viele Fragen zum Nahostkonflikt. Ich bringe ihre Fragen zum nächsten Meeting mit, dann findet sie vielleicht auch endlich Antworten darauf.“ Deshalb bin ich überzeugt: Begegnung auf Augenhöhe kann Brücken zum anderen bauen, weil plötzlich der andere auch als Mensch wahrgenommen wird.
Stefanie Böhmann ist Pädagogin und individual-psychologische Beraterin.
Gott stellt durch Jesus unser Gottbild auf den Kopf
Alles richtig was Frau Böhmann schreibt:„Ich bin für die Menschen und gegen Gewalt!“ Antisemitismus hingegen ist auch weit verbreitet, in der muslimischen Kommunity gehört es zum gängigen Narrativ. Da hat der liebe Stammtischbruder recht. Die Wiedergeburt von Jerusalem ist ein sehr großes Wunder und Erfüllung biblischer Prophetie. Aber man muss auch im Auge behalten, daß nicht alle Israeliten in alle Welt zerstreut wurden, sondern sie 3000 Jahre ununterbrochen im heutigen Israel lebten. Rein äußerlich hätten wir sie unter den arabisch gekleideten Menschen vielleicht nicht wirklich erkennen können. Juden sind auch keine Ethnie, denn es gibt auch seltene blonde Juden oder mit schwarzer Hautfarbe.
Manche Theologen haben nicht völlig unrecht, dass das Christentum auch in gewisser Weise ein reformiertes Judentum ist. Wenigstens faktisch.
Ich glaube grundsätzlich, daß der Gott der Bibel auch ein Gott mit uns ist und eine das ganze unendliche Universum ausfüllende Wirklichkeit. Aber in Jesus hat uns Gott deutlich gezeigt, daß sein geschichtliches Eingreifen nicht durch Macht und Gewalt, also nicht durch kriegerische Engel, oder durch göttliches Handeln in Form von Kriegen geschieht. Sondern auf der Ebene des Schöpfers unsere Umgangsregeln dann ins pure Gegenteil verkehrt werden. Aus Hass wird Liebe, aus Feinden Freunde, aus Strafe wird Vergebung und der Schöpfer aller Menschen und Geschöpfe handelt nicht so mit uns, wie wir oft mit anderen Menschen handeln. Gott liebt seine Feinde. Es fällt kein Feuer vom Himmel und WIR betreiben die Hölle. Wäre es anders, dann gäbe es wie im Weltraummärchen auch eine dunkle Seite der Macht. Aber dies kann nicht sein. Gott ist im Wesen nur Liebe.
Aber es geschehen trotzdem immer wirkliche Wunder. Die Friedensbewegung in der DDR, in Verbindung mit dem tragischen Irrtum eines DDR-Funktionärs, ließ die Berliner Mauer fallen ohne große Gewalt. Damals wurde die Friedensbewegung im früheren Stadium von Christen dort eher argwöhnich auch als Trittbrettfahrer der Kirchen gesehen. Aber ich denke, Gott handelt auch durch friedensbewegte Menschen, die dafür nicht alle Christinnen und Christen werden. Er handelt vielleicht auch durch die neuen Herrscher in Syrien, die plötzlich recht menschlich wirken. Es könnte so sein und die Wahrheit wird sich herausstellen. Der Himmel teilt nicht unsere Vorurteile. Leider haben die biblischen Autoren die feste Überzeugung gehabt, Gott handele gerichtssitzend wie damalige Alleinherrscher: Bei Abwendung vom Herrscherwillen „Kopf ab“. Umgekehrt wird daraus Wahrheit: Jesus hat zugelassen, dass die Römer ihn in Verbindung mit den jüdischen Landsleuten, ihn an einem Kreuz zu Tode brachten. Ausgerechnet dies soll unsere Besserung bewirken. Also: Da zeigt Gott doch deutlich, dass seine Gedanken meist nicht unsere sind. Denn Gottes Art von Herrschaft ist nur die Herrschaft demütiger Liebe. Wie das genau funktioniert, wissen wir vollständig im Ewigen Leben. Jedenfalls manche Nahtod-Erfahrende berichten bisweilen auch von Lebensrückblicken, in denen sie ihr Gewissen harsch verurteilte und nicht Gott Gewalt anwendet. Nur dies hat solche Menschen für immer verändert. Und Gott wird auch unsere Wirklichkeit verändert, wenn die Schwerter Pflugscharen werden. Ich habe daher auch die Hoffnung, daß der Frieden nicht in unseren relativ gemäßigten Gegenden beginnt, sondern das Friedenswunder im Heiligen Land anfängt. Denn nur dann ist es wirklich ein Heiliges Land. Und da schließt sich der Kreis mit manchen ultra-orthodoxen Juden: Die erkennen den Staat Israel erst an, wenn der Messias gekommen ist.
Heute hab ich gelesen, es gibt eine Art „Philosemitismus“, der Welt-Chefredakteur Poschardt sei davon befallen. So jemand überhöht Israel und die Juden, ist nicht in der Lage berechtigte Kritik an Israel zu formulieren usw.
So etwas mag es geben, aber vermutlich betrifft es eine recht überschaubare Gruppe von Leuten.
Antisemitismus hingegen ist weit verbreitet, in der muslimischen Kommunity gehört es zum gängigen Narrativ.
Ich habe großen Respekt vor dieser Pädagogin die versucht muslimischen Kindern die Position Israels und der Juden verständlich zu machen und bestimmt gelingt es wenigen Fällen, auch wenn es einem Kampf gegen Windmühlen gleicht.
Und den Wert und Würde eines jeden Menschen zu betonen, findet doch allgemein Zustimmung!?
Natürlich gibt es viele rationale Argumente für den Zionismus, immerhin gab es über viele Jahrhunderte jüdisches Staatswesen in der Region, unser Messias hat vor 2000 Jahren das Gebiet durchwandert, die Jünger den jüdischen Tempel bewundert.
Die „Wiedergeburt“ Jerusalems ist ein Wunder vor unseren Augen, nach 2000 Jahren Diaspora bevölkern Juden ihre alte Heimat und dies gegen große Widerstände der arabischen Nachbarn. Bei all diesen Konflikten gab es immer wieder auch Ungerechtigkeiten gegen die Palästinenser, auch heute würde ich das nicht ausschließen wollen. Traurig aber wahr. Ein jüdischer Staat inmitten der arabischen Welt scheint ein Affront gegen Allah und seine Gefolgsleute. Leute mit etwas Bibelkenntnis entdecken hinter der rationalen Ebene noch eine geistliche, die alten Zusagen Gottes an die Patriarchen werden wieder lebendig, der alte Konflikt zwischen Ismael und Isaak dem Sohn der Verheißung flammt neu auf.
Ich vermute viele Leute haben ein Problem damit zu glauben, dass der Gott der Bibel aktiv und planmäßig in das Treiben der Menschen eingreift und sich den vielen verstrichenen Jahrhunderten zum Trotz an alte Versprechungungen zu erinnern vermag. Ein eher passives geistiges Wesen, mehr eine Art unpersönliche Energiequelle, ohne großen Drang zur Selbst-Offenbarung gefällt den Leuten besser. Das so meine ich, beschreibt die geistliche Verfassung der westlichen Welt einigermaßen, zumindest die religiöse. Für die muslimische Welt ist nur Allah real, die Vorliebe eines Gottes für dieses hergelaufene Volk der Juden mag man gar nicht akzeptieren und das ist die Krux, immerhin bezeichnet Gott Israel als seinen Augapfel. So werden vermutlich die Spannungen weiter ansteigen und irgendwann sprengt es das Band das alles zusammenhält, es wird zu einen Showdown kommen und es ist vorteilhaft auf der richtigen Seite zu stehen !