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Pass auf, kleiner Mitarbeiter, was du singst!

Christliche Kinderlieder verwenden häufig Begriffe, die Kinder nicht verstehen – und die ihnen niemand erklärt. Kinderreferent Harry Voß findet: Das muss sich ändern.

„Wofür können wir Gott denn danken?“, fragte einer unserer Kinderreferenten beim letzten Bibel-Action-Tag die anwesenden dreihundert Kinder von der Bühne herab. Wir waren gerade dabei, ein niederschwelliges Lied für Kinder zu singen: „Danke, Gott, für alles, was ich hab.“ Und er sammelte Vorschläge zum Danken von den Kindern. Die Antwort eines gut konditionierten Kindes aus dem Publikum lautete: „Dass Jesus für uns gestorben ist!“ Ein weniger christlich sozialisiertes Kind, das in der Nähe stand, fragte entsetzt eine Mitarbeiterin: „Was? Wer ist gestorben?“

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„Jesus“, gab die schnell zurück, um nicht den Anschluss an das Geschehen auf der Bühne zu verlieren. Das erschrockene Kind war noch nicht zu Ende mit seinen Fragen: „Hä? Und wieso danken wir dafür?“ „Ist doch logisch“, hätte sie jetzt antworten können. „Jesus ist stellvertretend für uns und unsere Sünden, für die wir den ewigen Tod verdient hätten, am Kreuz gestorben, darum sind wir vor dem ewigen Verderben gerettet. Klar?“

Nein. Für 95 Prozent der Kinder ist das überhaupt nicht klar. Nicht mehr. Und von den verbliebenen fünf Prozent (grob geschätzte Zahl), die bei dem Vorschlag, für den Tod von Jesus zu danken, nicht zusammengezuckt sind, wissen die meisten trotzdem nicht, was genau der Tod von Jesus mit uns zu tun hat. Dessen ungeachtet singen wir in unseren Kindergruppen ganz locker: „Wenn ich dran denk, dass du für mich gestorben bist, will ich nie mehr von dir weg, weg, weg!“ Und: „Starb er für mich? Ja, ja, ja! Er starb für dich, sonnenklar!“ Ja, sonnenklar. Hier ist vom Tod die Rede. Jemand ist offenbar gestorben, und wir singen dazu ein schmissiges Lied und malen fröhlich dazu ein unsichtbares Kreuz in die Luft.

Wovor muss uns Jesus retten?

Hand aufs Herz: Wann hast du den Kindern in deiner Kindergruppe zum letzten Mal in zwei Sätzen erklärt, was das mit dem Kreuz und der Schuld auf sich hat? Und zwar so, dass auch ein Kind, das nicht mit der Bibel in der Hand zur Welt gekommen ist, das nachvollziehen kann? Und wo es nicht zuerst einen Sprachkurs in Bibel-Gemeinde-Geheimsprache absolvieren muss?

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Gar nicht so einfach, oder? „Ja, das kann man nicht so kurz zusammengefasst erklären“, willst du mir jetzt vielleicht erwidern, „dazu ist das Themenfeld viel zu komplex.“ Das stimmt. Aber bei Liedern finden wir es anscheinend völlig in Ordnung, dass da in ein bis zwei Zeilen lapidar zusammengefasst wird: „Weil Jesus zu mir kam, die Sünden von mir nahm, bin ich von innen, außen, oben, unten glücklich allezeit.“

Die Liedzeile „Jesus kam für uns als Retter und Herr“ lässt unvorbereitete Kinder schon mal verwundert aufhorchen, wieso Jesus als Retter kommt. Wovor muss er uns denn retten? Die Antwort kommt in der Strophe: „Für die Schuld der ganzen Welt machte er sich auf den Weg, starb am Kreuz, damit wir leben.“ Ach so, klar. Ja, jetzt müssten es alle verstanden haben. „Es schadet den Kindern ja nichts, auch mal was zu singen, das sie nicht gleich verstehen“, wenden an dieser Stelle immer wieder Mitarbeitende ein. „Ich hab als Kind auch nicht alles verstanden, und es hat mir nichts geschadet.“

„Frag mal herum bei all den Tausenden von Kindern, denen das damals sehr wohl geschadet hat und die heute noch als Erwachsene mit einem Gottesbild zu kämpfen haben, das ihnen mit diesem und ähnlichen Liedern ins Herz gehämmert wurde.“

Ja. Tolle Argumentation. Früher wurde auch gesungen: „Pass auf, kleines Auge, was du siehst, denn der Vater in dem Himmel schaut herab auf dich, drum pass auf, kleines Auge, was du siehst.“ Das ist mittlerweile aus den meisten Kindergottesdiensten verbannt worden, weil man meinte, das kann man heute nicht mehr singen. Finde ich auch. Mitarbeitende von heute scheinen sich also doch Gedanken darüber zu machen, ob man alles, was man früher einfach hingenommen hat, heute noch genauso ungefiltert den Kindern weitergeben kann. Und ich sage: „Leg die Messlatte von dem, was man heute noch singen kann, ruhig mal bei deinem kompletten Liedgut an. Ich wette, da wandern noch mehr Lieder auf die ‚rote Liste‘.“

Manchmal höre ich sogar bei dem oben genannten Lied von dem „kleinen Auge“ und dem „Vater im Himmel“, der alles sieht, noch heute Mitarbeitende argumentieren: „Das hab ich früher auch gesungen, und es hat mir nicht geschadet.“ Ja, mag sein. Trotzdem sag ich: „Frag mal herum bei all den Tausenden von Kindern, denen das damals sehr wohl geschadet hat und die heute noch als Erwachsene mit einem Gottesbild zu kämpfen haben, das ihnen mit diesem und ähnlichen Liedern ins Herz gehämmert wurde. Und die aus diesen und ähnlichen Erfahrungen heraus mit Gott und Gemeinde nichts mehr anfangen können oder wollen.“

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Drum pass auf, kleiner Mitarbeiter, was du singst! Mit welchen Bildern, mit welchen Wörtern, mit welcher Geheimsprache begegnest du Kindern?

Was hat Güte mit Kaffee zu tun?

Interessant: Ärztinnen und Ärzten werfen wir es sofort energisch vor, wenn sie mit Fachbegriffen um sich werfen und uns nicht klipp und klar sagen, was für eine Krankheit wir haben. Politikerinnen und Politiker sollen gefälligst verständlich reden. Und mit Leuten von der Bank, vom Finanzamt, von der Versicherung unterhalten wir uns am liebsten gar nicht, wenn die nur Fachchinesisch sprechen.

Aber in der Gemeinde finden wir es nicht schlimm, wenn wir den Kindern, die ja den Glauben, die Bibel und das ganze Drumherum kennenlernen sollen, Vokabeln und Bilder um die Ohren hauen, die eigentlich eine Erklärung bräuchten. Das fängt schon bei so einfachen Wörtern wie „Halleluja“ an. Wenn ich das in Kindergruppen singe, ruft immer mindestens ein Kind: „In meiner Klasse heißt auch jemand Julia.“ Was heißt Halleluja auf Deutsch? Ganz einfach, das sagt ja schon ein weiteres Lied: „Hallelu-, Halleluja: Preiset den Herrn.“ Ach so. Jetzt weiß ich es.

Dummes Kind? Wohl kaum. Eher mit erklärungsbedürftigen Vokabeln allein gelassenes Kind, würde ich sagen.

In einer Gemeinde, in der ich zu Gast war, wurde mal gesungen: „Gottes Liebe ist so wunderbar“, und entsprechend dann auch die Strophe: „Gottes Güte ist so wunderbar.“ Ich wagte es, in die Kindergruppe zu fragen: „Wisst ihr denn, was Güte heißt?“ Nee, das wusste keiner. Nachgefragt hat aber auch niemand. Offensichtlich nehmen es die Kinder so hin, dass man mit ihnen Lieder singt, die man nicht versteht. „Hat keiner eine Idee?“, bohrte ich weiter. Ein Kind äußerte eine Vermutung: „Muss was mit Kaffee zu tun haben.“ Kaffee? Wie es denn darauf käme, fragte ich nach. „Na ja“, war die Antwort, „da steht doch auch immer was drauf von Gütesiegel.“

Dummes Kind? Wohl kaum. Eher mit erklärungsbedürftigen Vokabeln allein gelassenes Kind, würde ich sagen. Ein Kind, das gehörte Wörter unweigerlich mit dem verbindet, was es irgendwo vorher schon mal aufgeschnappt hat. Und dann hat „Güte“ natürlich was mit „Gütesiegel“ oder „Ach du meine Güte“ zu tun. Und „Segen“ etwas mit der Säge in Papas Werkzeugkeller. Und „Behüte uns, Gott“ mit Omas Hut.

Und das geht ja endlos so weiter: „Gott liebt dich, gib ihm die Ehre.“ – Bitte, was soll ich Gott geben? „Ich stehe fest auf dem Fels, auf Gottes Wort.“ Was? Ich dachte, das hier auf dem Gemeindehausboden sei Teppich und nicht Felsboden. Oder stehe ich doch eher auf Gottes Wort? Kann man auf einem Wort stehen? Und was ist das für ein Wort?

Ist Gott wirklich Supermann?

Manchmal sind es nicht die Wörter, die ich verwirrend finde, sondern der Sinnzusammenhang: „Wer ist der König des Dschungels?“, höre ich Kindergruppen immer wieder singen. Das ist eigentlich von den Vokabeln her verständlich. Alle Kinder wissen ja, wer der König des Dschungels ist: Simba, der König der Löwen. Oder, wenn es ein Mensch sein soll, dann Tarzan. Oder von mir aus Mogli. Die Antwort in dem Kinderlied lautet aber: „Jesus.“ Und schon sehe ich in Gedanken Jesus mit Lendenschurz von Liane zu Liane schwingen.

„Wer ist der König des Meers?“, fragt das Lied weiter. Hm. Neptun? Jack Sparrow? Die Titanic? Nein: Jesus. Klar. Hätte ich ja gleich drauf kommen können. Jesus ist im christlichen Kontext immer eine gute Antwort. Sicher ist Jesus auch König von Bayern. Und von England. Und in einem anderen Lied wird mir sogar plastisch gezeigt, wie ich mir Gott vorstellen kann: „Gott ist groß, Gott ist stark, Gott ist stärker noch als Supermann!“ Aha. Gott kann also nicht nur Eisen verbiegen und mit einer Hand einen Zug aufhalten, er kann bestimmt auch Raketen im Flug auffangen oder … Wow, da geht meine Fantasie direkt auf Abenteuerreise!

Mein Problem an solchen Vergleichen ist das Bild, das dabei in die Köpfe gesetzt wird: Ist Gott der Supermann, der im letzten Augenblick mit wehendem Mantel angeflogen kommt und mit Muskelkraft meinen Gegner außer Gefecht setzt?

Ja, ich weiß: Weil Jesus König über die ganze Welt ist, ist er logischerweise auch König über den Dschungel und über das Meer. Und Gott ist stark und mächtig, das steht ja so in der Bibel. Mein Problem an solchen Vergleichen ist das Bild, das dabei in die Köpfe gesetzt wird: Ist Gott der Supermann, der im letzten Augenblick mit wehendem Mantel angeflogen kommt und mit Muskelkraft meinen Gegner außer Gefecht setzt?

„Rechts, links, oben und unten, du bist überall“, wird in einem Lied Gott zugesungen. Ja. Das kann ich zu hundert Prozent unterschreiben. Weiter geht’s: „Rechts, links, oben und unten – selbst im freien Fall!“ Halt, Kind, bitte nicht ausprobieren! Auch wenn Gott überall ist, solltest du das Lied trotzdem nicht zu wörtlich nehmen und testweise vom Schuldach runterspringen! Hier hat das Lied sicher nur einen originellen Reim gebraucht …!

Wörter mit Bedeutung füllen

Übertreibe ich? Bin ich zu kritisch mit unserem Liedgut? Vielleicht. Mein Anliegen ist es, mit Kindern verständlich über den Glauben zu reden. Ja, und da dürfen auch Wörter wie „Halleluja“, „Sünde“ und „Gnade“ vorkommen. Aber ich finde, dann müssen sie mit Bedeutung gefüllt werden. Und ja, ich will erklären, warum Jesus für uns gestorben ist. Auch wenn es komplex und kompliziert ist. Aber dann möchte ich von uns Gemeindemitarbeitenden erwarten, dass wir uns die Mühe machen, nach guten und verständlichen Worten, Bildern, Modellen zu suchen, um den wichtigsten Sachverhalt unseres Glaubens nachvollziehbar rüberzubringen! Das ist viel Arbeit, ja! Aber das sollten uns unsere Kinder doch wert sein, oder?

Ja, und schließlich singe ich auch schon mal Lieder mit Fachbegriffen. Neue Begriffe darf man kennenlernen! Logisch! Wir haben ja auch einen Bildungsauftrag! Aber dann führe ich diese Begriffe mit einer Erklärung ein. So wie man auch in der Schule immer wieder neue Wörter wie Präteritum, Addition oder Aggregatzustand einführt und erklärt. Nur weil ich selbst als Kind nicht alles verstanden habe, was ich gesungen habe, heißt das doch nicht, dass das damals ein guter Umgang war und ich einfach in diesem Strom weiterschwimme!

In einer Zeit, in der sich Menschen immer weniger in der Bibel und deren Sprache auskennen, finde ich es umso wichtiger, dass wir das, was wir glauben, erklären. Ich möchte nicht, dass die Kinder in unseren Kindergruppen mit der Einstellung aufwachsen: „Ach, wenn es um Gott, Glaube, Bibel geht, dann gehört es offensichtlich dazu, dass ich nicht alles verstehe.“ Wen wundert es, wenn sie später die Lust an einem Lebensthema verlieren, bei dem man sich intellektuell ständig überfordert fühlt? Nachzufragen trauen sich nur die wenigsten. Also sollten wir es ungefragt erklären. Lieber einmal zu viel als einmal zu wenig. Also: Auf und wag es frisch! Freude und Sieg ist dein Lohn!

Harry Voß leitet beim Bibellesebund den Bereich Arbeit mit Kindern und ist unter anderem Autor der erfolgreichen Kinderserie „Der Schlunz“. Dieser Artikel ist zuerst in seinem Blog www.harrysblog.de erschienen.

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