Dieses Trostlied von Paul Gerhardt redet nicht um den heißen Brei herum, sondern nennt Schmerz, Angst und Kummer beim Namen. Der Dichter findet Trost in Gottes Allmacht.
- Befiehl du deine Wege
und was dein Herze kränkt
der allertreusten Pflege
des, der den Himmel lenkt.
Der Wolken, Luft und Winden
gibt Wege, Lauf und Bahn
der wird auch Wege finden,
da dein Fuß gehen kann. - Dem Herren musst du trauen,
wenn dir’s soll wohlergehn;
auf sein Werk musst du schauen,
wenn dein Werk soll bestehn.
Mit Sorgen und mit Grämen
und mit selbsteigner Pein
lässt Gott sich gar nichts nehmen:
es muss erbeten sein. - Dein ewge Treu und Gnade,
o Vater, weiß und sieht,
was gut sei oder schade
dem sterblichen Geblüt;
und was du dann erlesen,
das treibst du, starker Held,
und bringst zum Stand und Wesen,
was deinem Rat gefällt. - Weg hast du allerwegen,
an Mitteln fehlt dir’s nicht;
dein Tun ist lauter Segen,
dein Gang ist lauter Licht.
Dein Werk kann niemand hindern,
dein Arbeit darf nicht ruhn,
wenn du, was deinen Kindern
ersprießlich ist, willst tun. - Und ob gleich alle Teufel
hier wollten widerstehn,
so wird doch ohne Zweifel
Gott nicht zurücke gehen;
was er sich vorgenommen
und was er haben will,
das muss doch endlich kommen
zu seinem Zweck und Ziel. - Hoff, o du arme Seele,
hoff und sei unverzagt!
Gott wird dich aus der Höhle,
da dich der Kummer plagt,
mit großen Gnaden rücken;
erwarte nur die Zeit,
so wirst du schon erblicken
die Sonn der schönsten Freud. - Auf, auf, gib deinem Schmerze
und Sorgen Gute Nacht!
Lass fahren, was das Herze
betrübt und traurig macht;
bist du doch nicht Regente,
der alles führen soll:
Gott sitzt im Regimente
und führet alles wohl. - Ihn, ihn lass tun und walten!
Er ist ein weiser Fürst
und wird sich so verhalten,
dass du dich wundern wirst,
wenn er, wie ihm gebühret,
mit wunderbarem Rat
das Werk hinausgeführet,
das dich bekümmert hat. - Er wird zwar eine Weile
mit seinem Trost verziehn
und tun an seinem Teile,
als hätt in seinem Sinn
er deiner sich begeben
und solltst du für und für
in Angst und Nöten schweben,
als frag er nicht nach dir. - Wirds aber sich befinden,
dass du ihm treu verbleibst,
so wird er dich entbinden,
da du’s am mindsten gläubst;
er wird dein Herze lösen
von der so schweren Last,
die du zu keinem Bösen
bisher getragen hast. - Wohl dir, du Kind der Treue!
Du hast und trägst davon
mit Ruhm und Dankgeschreie
den Sieg und Ehrenkron;
Gott gibt dir selbst die Palmen
in deine rechte Hand,
und du singst Freudenpsalmen dem,
der dein Leid gewandt. - Mach end, o Herr, mach Ende mit aller unsrer Not;
stärk unsre Füß und Hände
und lass bis in den Tod
und allzeit deiner Pflege
und Treu empfohlen sein,
so gehen unsre Wege gewiss zum Himmel ein.
Paul Gerhardt
Schmerz, Sorge, Angst und Kummer
Ja, im Lebenslauf gibt es Engpässe. Wir fragen uns, wie es weitergehen soll. Wir suchen einen neuen Weg. Oder auch nur einen Ausweg? Wie finde ich ein passendes Zuhause? Gibt es das überhaupt? Fragen über Fragen, die uns beschäftigen. Und dahinter – oder sogar im Vordergrund – Schmerzen, Sorgen, Angst, Kummer … Das sind nur ein paar Begriffe aus einer sehr langen Liste, die in „Befiehl du deine Wege“ die Probleme benennen, die Paul Gerhardt im Blick hat. Nicht zuletzt auch aus eigener Erfahrung. Als das Lied erschien, hatte er in schwierigen Zeiten endlich eine Arbeitsstelle vermittelt bekommen. Als Pfarrer. Oder – um vom Text des Liedes auszugehen – als Seelsorger, einem, der zugleich vom wunderbarem Eingreifen Gottes erzählen kann.
Das Leitmotiv seiner Ermunterung ist Psalm 37,5. Wir Menschen neigen manchmal dazu, eine Situation als ausweglos einzustufen. Gottes Wort aber ist ein Wegweiser! Für Gott, der weit über unseren irdischen Horizont hinaus alles im Griff hat, ist es ein Kleines, uns Perspektiven zu öffnen. Heraus aus den Engpässen, voran, Schritt für Schritt. Und das seelsorgerisch begleitet: Nach dem Hinweis auf den souveränen Gott folgt nicht von ungefähr ein Gebet, geprägt als dankbares Bekenntnis.
Aus dem Leid wird ein Lied
Die folgenden Strophen ermuntern dazu, bei allen Anfechtungen und Warteschleifen loszulassen und Gott zu vertrauen, das heißt: ihm die Treue halten. Die bisher getragene, nicht zu leugnende schwere Herzenslast gehört nicht in die Rubrik „das Böse“. Im Gegenteil: Wer Gott vertraut, ihm treu bleibt, wird zu denen gehören, die dann auf der Seite der Sieger Gott loben. Wir werden voller Dank auf das überwundene Leid zurückblicken und einstimmen in den Chor derer, die Gott die Ehre geben, mit Freudenpsalmen. Aus dem Leid wird ein Lied. Ein kräftiges Dankeschön! Dass Paul Gerhardt hier – grammatisch – die Gegenwartsform wählt, zeigt deutlich: Glaube und Hoffnung gehören zusammen.
Und dann, gegen Ende, eine kräftige Bitte. Noch sind ja viele Probleme präsent. Daher bitten wir nun gemeinsam Gott um sein Eingreifen. Salopp formuliert: „Bitte kümmere dich weiterhin um uns. Keiner ist so zuverlässig wie du!“
Bibel als Treppengeländer
Ja, in unserem Lebenslauf gibt es Engpässe und Fragen. Manchmal sind unsre Füß‘ und Hände kraftlos. Psalm 37,5 ist – bildlich gesprochen – eine Art Treppengeländer. Es bietet Halt beim Auf und Ab. Und so, wie es der Paul Gerhardt zitiert, hilft das Bibelwort zugleich, problemlos alle zwölf Strophen nacheinander anstimmen zu können …
Ansonsten kann ich mir gut vorstellen, dass unser Paul Gerhardt sich mit den Worten verabschiedet hätte: „Und nun – Gott befohlen!“
Text: Günter Balders