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Der Mond ist aufgegangen

Über 90 Prozent der Deutschen kennen das Lied „Der Mond ist aufgegangen“. Der Dichter Matthias Claudius tadelt darin die Alleswisser. Er empfiehlt kindliches Vertrauen.

  1. Der Mond ist aufgegangen,
    die goldnen Sternlein prangen
    am Himmel hell und klar.
    Der Wald steht schwarz und schweiget,
    und aus den Wiesen steiget
    der weiße Nebel wunderbar.
  2. Wie ist die Welt so stille
    und in der Dämm’rung Hülle
    so traulich und so hold
    als eine stille Kammer,
    wo ihr des Tages Jammer
    verschlafen und vergessen sollt.
  3. Seht ihr den Mond dort stehen?
    Er ist nur halb zu sehen
    und ist doch rund und schön.
    So sind wohl manche Sachen,
    die wir getrost belachen,
    weil unsre Augen sie nicht sehn.
  4. Wir stolzen Menschenkinder
    sind eitel arme Sünder
    und wissen gar nicht viel.
    Wir spinnen Luftgespinste
    und suchen viele Künste
    und kommen weiter von dem Ziel.
  5. Gott, lass dein Heil uns schauen,
    auf nichts Vergänglichs trauen,
    nicht Eitelkeit uns freun;
    lass uns einfältig werden
    und vor dir hier auf Erden
    wie Kinder fromm und fröhlich sein.
  6. Wollst endlich sonder Grämen
    aus dieser Welt uns nehmen
    durch einen sanften Tod;
    und wenn du uns genommen,
    lass uns in‘ Himmel kommen,
    du unser Herr und unser Gott.
  7. So legt euch denn, ihr Brüder,
    in Gottes Namen nieder;
    kalt ist der Abendhauch.
    Verschon uns, Gott, mit Strafen
    und lass uns ruhig schlafen.
    Und unsern kranken Nachbarn auch!

Matthias Claudius (1779)


Das Lied „Der Mond ist aufgegangen“ aus dem Liederschatz-Projekt von Albert Frey und Lothar Kosse.

Über 90 Prozent der Deutschen kennen das Lied

Die Hansestadt Lüneburg ist sehr stolz auf einen ihrer dort geborenen Komponisten, Johann Abraham Peter Schulz. Täglich dreimal hört man vom Rathausturm jeweils eines seiner Lieder – außer in der kalten Jahreszeit, denn da müssen die Porzellanglocken in den Winterschlaf. Das Lied um 18.00 Uhr ist immer das gleiche: „Der Mond ist aufgegangen“. Es ist ja auch das berühmteste. Eine Umfrage ergab: 91,4 Prozent hierzulande kennen es! „Ich (…) wünschte, ein Liedermann des Volkes genennet zu werden“ – dieser Wunsch von Schulz hat sich erfüllt.

Es gibt noch einen zweiten Grund, warum dieses Lied in jener Stadt so geschätzt wird. Auf dem Rathausplatz steht ein alter Brunnen und in dessen Mitte die römische Göttin Luna [Mondgöttin; Anm. d. Red.]. Früher hat man den Namen der Stadt so zu erklären versucht, irrtümlicherweise. Aber mit unserem Lied hat dieser Name etwas zu tun.

Dichter tadelt Alleswisser

Hier beschreibt der Dichter Matthias Claudius eine alltägliche Situation: das Aufgehen des Mondes. Oder doch nicht? Dem Kalender nach passt – streng genommen – die dritte Strophe nur ein- bis zweimal monatlich. Ansonsten hat Claudius aber die ganze Welt im Blick, den Himmel, die Erde und nicht zuletzt uns Menschen. Wir werden allerdings auch ermahnt, weil manche unserer Sichtweisen das Ziel verfehlen. Das Wichtigste ist nämlich, Gottes Heilsangebot nicht aus dem Blick zu verlieren. Sein Heil!

Leider hat man im Evangelischen Gesangbuch in der fünften Strophe die Reihenfolge dreier Wörter geändert und so den Akzent verschoben, um den es im Originaltext geht. Der Dichter mahnt, nicht immer wieder nach vergänglichen Dingen zu streben, und tadelt ziemlich deutlich die Alleswisser. Damit grenzt er sich auch von manchen Tendenzen der zeitgenössischen „Aufklärung“ ab. Er empfiehlt uns allen in diesem Lied kindliches Vertrauen.

In der vorletzten Strophe geht es um das Ende des irdischen Lebens. War am Anfang schon vom sichtbaren Himmel die Rede, im Englischen würde man dazu „sky“ sagen, ist damit nun die ewige Herrlichkeit gemeint: „heaven“.

Bekanntes Vorbild

Das Lied „Der Mond ist aufgegangen“ schließt mit einem Abschiedsgruß. Der Text ist zum Kummer der Verfechter gendergerechter Sprache hier nicht gerade geschlechtsneutral verfasst. Man darf aber nicht aus dem Blick verlieren, dass der Dichter ansonsten ja alle „Menschenkinder“ meint. Dass hier nun „Brüder“ angesprochen werden, hat schlicht damit zu tun, dass unser Dichter Mitglied einer Freimaurerloge war. Für diesen Männerclub hat er auch Abschiedslieder verfasst. Eines endet wie das unsere mit einer Bitte und einer Fürbitte – für andere.

Unser Lied wurde in Gesangbüchern lange einer älteren Melodie zugewiesen: „O Welt, ich muss dich lassen“. Diese wird immer noch zum Lied „Nun ruhen alle Wälder“ von Paul Gerhardt gesungen. Dessen Lied hat Claudius wohl im Kopf gehabt, es gibt nämlich thematische und auch sprachliche Parallelen. Dank der „neuen“ volkstümlichen Melodie des Lüneburger „Liedermannes“ Schulz ist das Lied nun schon seit langem ein Lied „des Volkes“, ein Volkslied.

In der ersten Phase der Coronapandemie wurde empfohlen, dieses Lied vom Balkon aus zu singen, für Einsame und Kranke. Vielleicht haben Sie das mitbekommen. Und eingestimmt.

Text: Günter Balders


Hier findest du gute Gedanken zu weiteren altbekannten Chorälen und christlichen Liedern.

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