Königsberg, Preußen, Altroßgärtner Kirche: Am 2. Advent 1623 kann die damals noch als Kapelle geplante Kirche endlich eingeweiht werden. Am Sonntag darauf folgt die Amtseinführung des für den Stadtteil neu berufenen Pfarrers, den Kirchenliederdichter Georg Weissel (1590-1635). Der verfasst höchstpersönlich für beide Anlässe je ein Lied, beide bis heute bekannt. Das bekanntere von beiden: Das Adventslied „Macht hoch die Tür“.
- Macht hoch die Tür, die Tor macht weit;
Es kommt der Herr der Herrlichkeit,
Ein König aller Königreich,
Ein Heiland aller Welt zugleich,
Der Heil und Leben mit sich bringt;
Derhalben jauchzt, mit Freuden singt:
Gelobet sei mein Gott,
Mein Schöpfer reich von Rat. - Er ist gerecht, ein Helfer wert;
Sanftmütigkeit ist sein Gefährt,
Sein Königskron ist Heiligkeit,
Sein Zepter ist Barmherzigkeit;
All unsre Not zum End er bringt,
Derhalben jauchzt, mit Freuden singt:
Gelobet sei mein Gott,
Mein Heiland groß von Tat. - O wohl dem Land, o wohl der Stadt,
So diesen König bei sich hat.
Wohl allen Herzen insgemein,
Da dieser König ziehet ein.
Er ist die rechte Freudensonn,
Bringt mit sich lauter Freud und Wonn.
Gelobet sei mein Gott,
Mein Tröster früh und spat. - Macht hoch die Tür, die Tor macht weit,
Eu’r Herz zum Tempel zubereit‘.
Die Zweiglein der Gottseligkeit
Steckt auf mit Andacht, Lust und Freud;
So kommt der König auch zu euch,
Ja, Heil und Leben mit zugleich.
Gelobet sei mein Gott,
Voll Rat, voll Tat, voll Gnad. - Komm, o mein Heiland Jesu Christ,
Meins Herzens Tür dir offen ist.
Ach zieh mit deiner Gnade ein;
Dein Freundlichkeit auch uns erschein.
Dein Heilger Geist uns führ und leit
Den Weg zur ewgen Seligkeit.
Dem Namen dein, o Herr,
Sei ewig Preis und Ehr.
Georg Weissel
Besuch von höchster Stelle!
Gleich mehrfach kommt der Anfang des Stadtnamens in dem Lied vor – wohl kein Zufall. Wenn man aber die fünf Strophen von „Macht hoch die Tür“ betrachtet, hat es etwas viel Wichtigeres zu verkünden.
Mit Hilfe mehrerer Bibeltexte wird der singenden Gemeinde in den Mund gelegt, wen und was es nun zu feiern gibt: Nicht die Ankunft eines regionalen Fürsten, sondern des Herren aller Welt. Der hat es verdient, mit lautem Jubel willkommen geheißen zu werden! Zumal er – anders als viele der
damaligen (und heutigen) Herrscher – als gerechter und barmherziger Helfer zu den Menschen kommt, wie ihn schon der Prophet Sacharja sah. Einer, der letztlich alle Not beenden wird.
Für den Text bediente sich Georg Weissel bei den biblischen Psalmen – genau Psalm 24,7-10. Man hört im Hintergrund des Liedes die Lutherübersetzung: „Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch, dass der König der Ehre einziehe!“
Die neue revidierte Ausgabe von 2017 weist uns aber in einer Fußnote zu Recht darauf hin, dass Luther den Text nicht wortgetreu wiedergegeben hat. Bei ihm werden Menschen aufgefordert, mit einer bestimmten Aktivität für den Einzug des Herrn, des Königs, des Heilands Raum zu schaffen. Im hebräischen Urtext aber sind die Pforten selbst die Adressaten.
„Meins Herzens Tür dir offen ist …“
Die Zielrichtung von „Macht hoch die Tür“ bleibt aber theologisch korrekt, nicht zuletzt auch dank der trinitarischen Gliederung des variierten Lobpreises am Schluss der Strophen 1 bis 3 (Mein Schöpfer, mein Heiland, mein Tröster – gebündelt auch in Strophe 4). Und dann – man hört den Prediger und Seelsorger – kommt die Anwendung für Menschen hier und heute, auffordernd (Strophe 4 – Eu’r Herz zum Tempel zubereit‘.) und betend (Strophe 5 – „Meins Herzens Tür dir offen ist“), bittend: Möge der Heiland mit dem Heiligen Geist zum Lobe des Ewigen einziehen in unser andächtiges Herz.
Text: Günter Balders