Die Autorin Jana Schmidt beschreibt in ihrem Buch „Sie predigten Wasser und tranken Wein – Mein Weg aus religiösem Missbrauch in die Freiheit“ biografisch ihren Weg hinein in eine toxische, christliche Gemeinschaft, den religiösen Missbrauch, den sie dort erlebte und ihren Kampf um Freiheit. Ihre Erfahrungen werden von der Co-Autorin Dr. Martina Kessler fachlich eingeordnet und erklärt.
Die Atmosphäre des Buches wirkt düster und beklemmend. Die Schilderungen von Jana Schmidt sind packend, graben sich ein – man spürt die Verletzungen und ihr Gefühlschaos. Dafür braucht es noch nicht einmal die Erklärungen der Co-Autorin, die vereinzelt nur eine Phrasierung und Zusammenfassung des bereits Gesagten sind. Mehr und ausführlichere Erklärungen, die noch mehr in die Tiefe gehen, wären durchaus wünschenswert – nicht nur, um die Mechanismen, die hinter dem Missbrauch stecken, besser verstehen zu können, sondern auch, um zwischendurch einen inneren Abstand zu der aufwühlenden Autobiografie gewinnen zu können. Gleichzeitig wäre es gerade für kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hilfreich zu wissen, wie religiösem Missbrauch im eigenen kirchlichen System, zum Beispiel in der Ortsgemeinde oder in der Institution, für die man arbeitet, vorgebeugt werden kann.
Der Schreibstil ist flüssig, die Geschichte ist gut geschrieben. Als Leser wird man in die Geschichte mit hineingenommen. Der Missbrauch wird sehr ausführlich dargestellt, dadurch bleibt die „Jetzt-Situation“ etwas auf der Strecke. Es wird zwar geschildert, wie sich die Autorin aus dem Missbrauch befreien kann, aber wie es ihr heute geht, dazu bietet das Buch etwas wenig. Wie steht sie zu Religion und Glaube, was ist mit ihrem Gottesbild etc.? Die Geschichte wirft Fragen auf, wenn man bedenkt, dass die Autorin das Buch (trotz allem) in einem christlichen Verlag veröffentlicht hat.
Ein paar persönliche Worte zum Schluss. Auch wenn ich schon einiges zum Thema religiöser Missbrauch gelesen habe, hat mich dieses Buch kalt erwischt und zutiefst betroffen gemacht. Trigger-Warnung! So etwas darf im Namen Gottes nicht geschehen.
Von Kirsi Müller