Die Ampel-Koalition hält am Ziel fest, den Rahmen für eine Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen zu setzen. Die Länder sind dagegen, müssten einem Gesetz aber wohl nicht einmal zustimmen.
Die Religionspolitiker der Ampel-Fraktionen von SPD, Grünen und FDP wollen bald ein Gesetz zur Ablösung der Staatsleistungen auf den Weg bringen. Wie die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (Freitag) berichtet, soll der für den Herbst geplante Gesetzentwurf so gestaltet werden, dass der Bundesrat nicht zustimmen muss. Ländervertreter, die das Vorhaben ohnehin ablehnen, kritisieren das. Kirchenrechtler sehen das Vorgehen aber juristisch gedeckt. Die evangelische Kirche hofft auf Einvernehmen aller Seiten.
Die Ampel-Koalition hatte 2021 im Koalitionsvertrag vereinbart, dazu ein Grundsätzegesetz vorzulegen. Fachpolitiker arbeiten an einem Gesetzentwurf für den Rahmen der Ablösung, der vom Bund kommen muss, während die Länder anschließend die konkreten Details verhandeln müssten, weil sie die Leistungen zahlen.
Der religionspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Lars Castellucci, sagte der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung»: «Ich bin klar dagegen, das Grundsätzegesetz zustimmungspflichtig auszugestalten.» Dem Bericht zufolge sollen die Vorgaben zur Ablösung der Staatsleistungen vage bleiben. «Es wird sicher kein Text, der Ländern abschließend die Form der Ablösung vorschreiben wird», sagte Castellucci. Die Länder sollten selbst wählen, ob sie den Kirchen Geld zahlen wollen, oder ihnen Grundstücke, Wald oder Wertpapiere übertrügen.
Kirchenrechtler: Zustimmungspflicht ausschließen
Nach Worten des Kirchenrechtsexperten Stefan Korioth ist das so möglich. «Wenn dieses Gesetz sich auf die Grundsätze beschränkt und den Ländern verschiedene Ablösungswege offen hält, ist das nicht zustimmungspflichtig», sagte der Münchner Professor für Öffenliches und Kirchenrecht dem Evangelischen Pressedienst (epd). Unabhängig davon rät er aber zu Verhandlungen mit den Ländern. «Auch wenn es keiner förmlichen Zustimmung bedarf, wäre es der richtige Weg, sich mit den Ländern abzustimmen», sagte er.
Der Kirchenrechtler Hans Michael Heinig findet sogar, dass die Zustimmungspflicht ausgeschlossen werden muss. «Der Bund ist hier als ‚ehrlicher Makler‘ in der Pflicht, weil die Länder ihrerseits als Schuldner der Staatsleistungen Partei sind», sagte der Jura-Professor dem epd. Bei einem zustimmungspflichtigen Gesetz würde der Bund den Ländern eine «nicht vorgesehene Veto-Position» zugestehen, sagte Heinig, der auch zur Leitung des Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) gehört.
Die Bevollmächtigte der EKD in Berlin, Anne Gidion, wiederum hofft auf Gespräche zwischen Bund und Ländern. «Aus Perspektiven der Kirchen besteht großes Interesse daran, mit den Ländern einvernehmliche Lösungen zu finden», sagte sie. Das Gesetz müsse die berechtigten Anliegen aller Seiten in produktiven Einklang bringen. «Sonst führt es zu keiner guten Lösung», sagte sie.
CDU-Politiker gegen Alleingang des Bundes
Der Chef der Staatskanzlei in Sachsen-Anhalt, Rainer Robra (CDU), warnte vor einem Alleingang auf Bundesebene. «Es wäre dem deutschen Staatsaufbau angemessener, ein zustimmungspflichtiges Gesetz vorzulegen», sagte Robra der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». Die Länder würden die Zustimmungspflichtigkeit prüfen und gegebenenfalls rügen.
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) sagte der «Neuen Osnabrücker Zeitung»: «Ich kann nur dazu raten, diese Pläne nicht weiterzuverfolgen.» Die Haushaltslage in vielen Bundesländern sei «so angespannt, dass Ablösezahlungen an die Kirchen in absehbarer Zeit finanziell schlichtweg nicht darstellbar sind».
Aus der CDU kommt laut «Frankfurter Allgemeiner Zeitung» noch ein anderer Vorschlag. Günter Krings (CDU), der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, möchte demnach nicht die Staatsleistungen streichen, sondern den Passus über deren Ablösung im Grundgesetz. «Das Staat-Kirche-Verhältnis hat sich seit 1919 auch ohne Ablösung der Staatsleistungen gut eingespielt», sagte Krings der Zeitung. Daher stelle sich die Frage, ob sich der Verfassungsauftrag nicht überlebt habe.
Kirchenrechtler Korioth überzeugt das nicht. Das sei im Wege einer Verfassungsänderung möglich, «aber sehr merkwürdig», sagte er. Seit 105 Jahren bestehe der Auftrag, die Leistungen abzulösen: «Wenn man jetzt dazu überginge, die Staatsleistungen zu perpetuieren, wäre dies eigentümlich.»
Die Staatsleistungen sind nicht zu verwechseln mit der Kirchensteuer oder staatlichen Geldern für die kirchliche Wohlfahrts- oder Bildungsarbeit. Staatsleistungen erhalten die Kirchen als Entschädigung für die Enteignung kirchlicher Güter und Grundstücke im Zuge der Säkularisierung vor allem Anfang des 19. Jahrhunderts. Sie machen beispielsweise im Fall der EKD rund 2,2 Prozent der jährlichen Einnahmen aus (EKD-Angabe). Die anzustrebende Ablösung der Staatsleistungen stand im Artikel 138 der Weimarer Reichsverfassung von 1919 und wurde ins Grundgesetz übernommen.
Weiterlesen:
Staatsleistungen sind finanzielle Zuwendungen des Staates an die Kirchen, die zum Ausgleich für die
weitreichende Enteignung von Ländereien und anderem kirchlichem Eigentum Anfang des 19. Jahrhunderts erbracht werden.
Diese Entschädigungszahlungen für entgangene Pacht werden noch heute an die beiden großen Amtskirchen gezahlt.
Insgesamt liegen diese Staatsleistungen im gesamten Bundesgebiet gegenwärtig bei rund 480 Mio. Euro jährlich.
Sollte der Staat bez. die Länder keine Pacht mehr zahlen wollen, sollten die damals widerrechtlich enteigneten Ländereien und Immobilien den Kirchen wiedergegeben werden.
Zu diesem Zweck sollte eine Kommission beim Bundesministerium der Finanzen eingerichtet werden, die in einer Art Eröff-
nungsbilanz die 1803 verstaatlichen Kirchengüter benennt und anderseits die Angemessenheit der jährlichen Pachtzahlungen an die Kirchen bewertet. Sollten einzelne ehemalige Kirchengüter nicht zurückgegeben werden können (z.B. wegen Bebauung), müßte die Kommission eine angemessene andere Kompensation vorschlagen.
wieso will die Kirche eigentlich so viel Geld, wo doch Reiche durchs Nadelöhr in den Himmel müssen?
Schon merkwürdig, diese Prioritäten. Aber eigentlich auch offensichtlich.
Ich denke, der Staat sollte das nicht mehr mitmachen. Er (und damit die Bürger) sind lange genutzt (aus)genutzt worden.
Deine Rechnung ist fern jeder Realität, auch jeder juristischen. Sie ist schlicht maßlos.
Übrigens: Hamburg hat 1965 die Staatsleistungen an die Kirchen durch Zahlung des 18fachen Jahresbetrag abgelöst. Im Einvernehmen mit den Kirchen. Hamburg ist heute eines der beiden Bundesländer (das andere ist Bremen) ohne derartige Staatsleistungen. Geht also.
Ich finde es sehr gut, dass der Bund hier jetzt endlich durchgreift. Die CDU soll sich da nicht so anstellen.
Diese Staatsaufwendungen sollten gestrichen werden. in 100 Jahren haben sie sich längst erledigt, zumal die Kirchen steuerlich begünstigt sind.
Die staatsnähe ist nicht gut und führt zu einer Versorgungsmentalität die für Pfarrer, Pastoren und Bischöfe von den Menschen entfernt hat.
Dass sämtliche Bischofs- und Pfarrstellen, die 1806 bestanden haben, bis heute noch vom Staat bezahlt werden, das ist den Bürgern und Bürgerinnen schwer zu vermitteln. Deshalb wird es ja auch von allen Seiten tunlichst verschwiegen.
Und wenn man bedenkt, wie die Kirche jahrhundertelang auf Kosten der Leute ihre Güter aufgehäuft hat (Z. B. wenn du deine Güter der Kirche vermachst, kommst du in den Himmel!), dann wäre die Enteignung zu Napoleons Zeiten moralisch schon rechtmäßig gewesen.
Die Abschaffung der Staatsleistungen ist nicht nur durch den Erfolg kirchlicher Lobbyisten in allen Parteien schwierig und an der Abschaffung der Kirchensteuern wird die Politik auch kein Interesse haben. Nicht nur, weil der Staat finanziell vom Kirchensteuereinzug profitiert – der Wegfall der vollen Abzugsfähigkeit würde diese Ausfälle und auch die caritativen Leistungen der Kirchen an die Gesellschaft dicke kompensieren.
Ein Blick ins europäische Ausland ohne Kirchensteuern zeigt, dass, auch wenn der Staat die Kirchen, egal wie, direkt finanziert (z.b. Italien oder Spanien) oder gar nicht (Frankreich), müssen die Kirchen mit weitaus weniger finanzieller Ausstattung leben – da bietet unser „Zwangs“System den Kirchen deutlich mehr finanziellen Spielraum. Und damit sind die Kirchen in DE allein aufgrund der Größenordnung der Kirchensteuern und der Staatsleistungen einfach „too big to fail“; der Staat kann es sich einfach nicht erlauben, Knall auf Fall dieses System zu ändern.
Den größte Posten machen Pfarrergehälter, Pensionslasten und andere, rein kircheninterne Jobs aus. Ein Wegfall der Kirchensteuer würde den Arbeitsmarkt mit kircheninternen Berufsbildern massiv belasten. Pfarrer unterliegen zudem dem Beamtenrecht. Man kann hier etwas boshaft auch von einer verkappten Arbeitsbeschaffungsmaßnahme sprechen. Sollen die alle frühverrentet/pensioniert werden?
Der zweitgrößte Posten ist der Gebäudeunterhalt – siehe auch den Artikel „Probleme beim Erhalt von Kirchengebäuden“ hier vom 20.08. Aufgrund des speziellen Gebäudetyps und Denkmalschutzes sind Kirchen teuer in Errichtung und Unterhalt; für eine Nachnutzung sind Kirchen aber praktisch wertlos. So viele Kletterhallen (Mönchengladbach), Buchhandlungen (Maastricht) oder Restaurants (Bielefeld) werden einfach nicht gebraucht. In der Regel würden massive Unterhaltskosten auf die Kommunen zukommen.
In beiden Fällen müsste der Staat eingreifen, um nicht selbst in Schwierigkeiten zu geraten – der Staat hat somit kein Druckmittel gegenüber den Kirchen.
Was bei der Debatte fehlt ist etwas Kreativität. Z.B. könnte die Ablösung/Entschädigung über einen längeren Zeitraum erfolgen (z.B. eine Generation, 30 Jahre – nach den 100 Jahren kommt es auf ein paar Jahre mehr oder weniger nicht mehr an). Damit wären die zusätzlichen jährlichen Kosten überschaubar un die Kirchen hätten genug Zeit, sich unzustellen. Gleichzeitig könnten die Staatsleistungen an den (abnehmenden) Anteil der Kirchenmitglieder an der Gesellschaft gekoppelt werden und nicht mehr automatisch steigen. Norbert Lammert hat im Interview auf kath.ch mal darauf hingewiesen, dass Kirchenmitgliedschaft auch verfassungsrechtlich „nicht mehr normal ist“, wenn weniger als 50% einer Kirche angehören – allein darüber sind diese Staatsleistungen und der Anstieg mittlerweile nicht mehr zu rechtfertigen. Womit alle Argumente der in dem Artikel aufgeführten Politiker und (Staatskirchen-) Rechtler auch immer fragwürdiger erscheinen.
Und genau das sollte für die Kirchen und kirchennahen Politikern eigentlich der Grund sein, schnellstmöglich mit an einer Lösung zu arbeiten und eventuell auch freiwillig Abstriche zu machen. Denn, wenn sich dise Entwicklung so weiter fortsetzt, und das wird sie wahrscheinlich, wird die nichtkirchliche Mehrheit irgendwann die Bedingungen diktieren können.
Insofern bin ich auch ein Freund der Kirchensteuer. Nichts anderes treibt kirchenferne effektiver aus den Kirchen und sorgt für klare Verhältnisse.
Den Auftrag an die Regierung, do ein Gesetz vorzulegen, gibt es seit mehr als 100 Jahren.
Daran kann man sehen, wie stark der Widerstand der Kirchen und ihrer Vertreter in den Parteien war und ist.
Die Kirchen haben 100 Jahre lang jährlich Leistungen erhalten, die eigentlich beendet werden müssten. Ich denke, das sollte bei den Ablösezahlungen berücksichtigt werden, sprich diese sollten möglichst klein ausfallen.
Ein gutes Druckmittel wäre die Beendigung des staatlichen Kirchensteuereinzuges Denn das würde die Kirchen deutlich mehr treffen.
Die Meinungen darüber, wie hoch eine Restzahlung wäre, gehen auseinander. Manche Experten gehen davon aus, dass eine Restzahlung in beträchtlicher Milliardenhöhe fällig wäre. Das ist einer der Gründe, warum es großen – und teils völlig unkirchlichen – Widerstand aus den Ländern gibt. Eine hohe Einmalzahlung wäre den Bürgerinnen und Bürgern kaum zu vermitteln.
Das Druckmittel taugt nichts, denn der Staat verdient am Kirchensteuereinzug gut. 2022 beliefen sich die Kirchensteuern auf ca. 13 Milliarden Euro. Der Staat lässt sich den Einzug der Kirchensteuern bezahlen. Setzt man hier den mittleren Schätzwert an (3 Prozent), wären das 2022 Einnahmen (kein „Gewinn“) in Höhe von rund 390 Millionen Euro gewesen. Für ein etabliertes, automatisiertes Verfahren. Der Staat wäre dumm, würde er darauf verzichten. Als Druckmittel taugt das also nichts. MfG, das JDE-Team
Das Druckmittel wäre super. Für den Staat ist ein Verzicht locker verkraftbar. Für die Kirchen nicht.
Sie wären dann nämlich auf die Ehrlichkeit ihrer Mitglieder angewiesen. Ich war mal Kassenwart in einer politischen Partei, die ebenfalls als Mitgliedsbeitrag einen Prozentsatz vom Gehalt hatte. Es war erstaunlich, wie viele Mitglieder mittleren und höheren Alters immer noch ein Lehrlingsgehalt hatten. Ich würde die Beitragsehrlichkeit auf unter 10 % der Mitglieder ansetzen.
Der Vorteil der Kirchen durch den automatischen staatlichen Einzug ist für diese viel wichtiger als die staatlichen Leistungen.
Und die Höhe der Entschädigung ist schlicht Verhandlungssache. Welche andere Organisation bekommt denn noch Entschädigung aus napolionischen Zeiten? Das ganze ist doch absurd.
Ich habe mich jetzt mal etwas eingelesen, welche Einmalzahlung fällig wäre.
Der maximale Wert wäre das 18,6 fache der jetzigen jährlichen Leistung. Der minimale wäre tatsächlich 0 Eur, weil alles durch die 100 Jahre bereits vielfach entschädigt wurde.
Auf was sich eurer ‚mehrheitlich ‚ bezieht, ist mir nicht klar. Rechtlich gehen die Meinungen weit auseinander, in der Bevölkerung dürfte mehrheitlich eine andere Meinung bestehen, die ständig wächst
Die Höhe der Entschädigung bezieht sich rechtlich nicht auf die heutigen Zahlungen sondern auf die Zahlungen 1919. Und die Einmalentschädigung muss rechtlich auch nicht voll entschädigen sondern nur angemessen.
Alles rechtlich sehr vage.
Für die Kirchen ist eine verfassungswidrig Beibehaltung des Status quo jedenfalls finanziell die beste Lösung, für den Staat die teuerste Lösung.
Und zum dritten:
Bei euch klingt das so, als wenn die 390 Millionen ein reiner Gewinn für den Staat wären. Dieses ist aber eine Erstattung der Verwaltungskosten. Und diese müssen per Gesetz verhältnismäßig zum Aufwand sein. Hier muss man also die Kosten für Berechnung, Einzug und ggf auch Inkasso abrechnen Da wird also deutlich weniger von über bleiben.
Natürlich sind die 390 Millionen Euro kein „Gewinn“. Aber eine Einnahme, auf die der Staat nicht gerne verzichten würde. Wir werden die Formulierung anpassen. MfG, das JDE-Team
Der Staat ist kein auf Gewinn ausgerichtetes Unternehmen. Er ist an Recht und Gesetz gebunden.
Seit über 100 Jahren wird hier Recht ignoriert.
Und es gibt klare gesetzliche Vorschriften, dass der ‚Gewinn‘ hier für den Staat gar nicht groß sein darf.
Ich denke daher, dass das hier eine ähnliche Übertreibung in der gesellschaftlichen Diskussion ist wie viele angeblichen sozialen Leistungen der Kirchen, die oft eben größtenteils oder gar ganz vom Staat finanziert werden.
Amen!
Und nicht zu vergessen, welche Entbürokratisierung (hochaktuelles Thema!) es für die Finanzämter, Arbeitgeber und Banken bedeuten würde …