Ankerzellen.de: Das steckt hinter dem geistlichen Format für digitale Kleingruppen

In der Pandemie ist eine digitale Plattform für geistliche Gruppen entstanden: Ankerzellen.de. Pastor Jens Stangenberg erklärt, was die Zellen so wertvoll macht, warum 40 Minuten für ein Treffen reichen und wie Menschen in digitalen Treffen geistliche Erfahrungen machen können.

Du hast eine Community für digitale Hauskreise gegründet. Welche Idee steckt dahinter?

Es geht weniger darum, analoge Hauskreise jetzt digital durchzuführen, vielmehr bieten die Ankerzellen eine geistliche Unterbrechung des Alltags. Ich habe nach einem Format gesucht, bei dem die Vorteile des Digitalen voll zur Geltung kommen. Das ist nicht nur als eine Überbrückungslösung gedacht.

Was ist das Besondere an den Ankerzellen und warum heißen sie so?

Der Begriff „Anker“ ergab sich aus dem Wunsch, sich inmitten des Pandemiesturms unserer Verankerung in Christus bewusst zu werden. Eine Ankerzelle ist eine geistliche Gruppe, in der ich mich mit anderen Christ:innen für kurze Zeit online verabrede, um mich auf Gottes Wahrheiten zu fokussieren.

Wie viele gibt es im Moment?

Ankerzellen bestehen aus vier bis sieben Personen. Aktuell gibt es 19 Gruppen. Die frühesten Ankerzellen treffen sich um 5.50 Uhr. Insgesamt sind bereits über 100 Personen verbindlich dabei.

Ihr beschränkt euch auf die Zeit, die einem bei Zoom ohne Premiumaccount bleibt: 40 Minuten.

Ursprünglich war Zoom nur ein Videokonferenz-Tool von vielen. Inzwischen hat sich Zoom aber wegen der leichten Handhabung so verbreitet, dass es sich zu einer Art Kulturtechnik entwickelt hat. Daraus ergab sich die Frage: Wie können wir im Rahmen eines kostenlosen Zoom-Accounts ein Format entwickeln, das sich multiplizieren lässt? Zu Anfang war nicht klar, ob in einer Kernzeit von 35 Minuten überhaupt intensive geistliche Prozesse ablaufen würden. Inzwischen gibt es aber viele Rückmeldungen, die genau das bestätigen.

Wie kommt es, dass das tatsächlich in dieser kurzen Zeit funktioniert?

Es gibt einen schönen Nebeneffekt bei diesem Zeitlimit: Alle Teilnehmenden kommen pünktlich, halten ihre Redebeiträge kompakt und übernehmen damit Verantwortung für den Verlauf des Treffens. Und: 10 Minuten vor Schluss blendet Zoom die Nachricht ein, dass die Zeit bald abgelaufen ist. Spätestens dann wechselt die Gruppe in eine gemeinsame Gebetszeit. Gerade die Zeitbegrenzung hat dazu geführt, dass eine Reihe von Personen mitmachen, die beruflich in leitender Verantwortung stehen. Sie schätzen, dass das Ende des Treffens klar definiert ist.

Eurer Homepage entnehme ich, dass Ankerzellen „radikal offen“ sind. Ich kann mich selbst einer Ankerzelle mit freien Plätzen zuordnen.

Als die Idee mit den Ankerzellen losging, hatte ich überlegt, ob ich vorab die Teilnehmenden um Verbindlichkeit bitten müsste. Das hat sich aber als überflüssig herausgestellt. Denn dadurch, dass die Gruppen klein sind, wird man sofort voll wahrgenommen und verlässt seinen Beobachterstatus. Im Verlauf eines Ankertreffens gibt es zwölf Möglichkeiten, sich zu beteiligen. Man ist also sofort „drin im Geschehen“. Wer so eine gelungene Anfangserfahrung gemacht hat, möchte das nicht mehr missen. Einzelne beschreiben dann, wie sehr sie sich auf das nächste Treffen freuen. Das begeistert mich. Die meisten Ankerzellen sind auf natürliche Weise stabil.

Und trotzdem ist genug Offenheit da?

Sie werden nicht zu klebrigen Cliquen, denn es kann jederzeit sein, dass jemand die Gruppe wechselt, weil es zeitlich nicht mehr passt, und damit einen Platz für Neue frei macht. Natürlich führen neue Gruppen auch zu freien Plätzen. „Radikal offen“ gefällt mir wirklich gut: Jede:r ist in jeder Gruppe willkommen, solange diese noch nicht sieben Personen umfasst. Man muss nicht um Erlaubnis fragen oder einen Aufnahmeantrag stellen. Genauso stelle ich mir die Atmosphäre einer jesusgemäßen Gemeinschaft vor.

Offenheit bedeutet auch konfessionell offen. Wen erreicht ihr tatsächlich mit dem Angebot?

Ich selbst arbeite im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden. Dort habe ich es bekannt gemacht. Aber von Anfang an waren auch landeskirchliche Pastor:innen dabei und haben in ihrem Umfeld geworben. Genauso auch Christ:innen aus den FeGs, dem Pfingstbund und aus ganz freien Gemeinden. Es sind auch eine Reihe von Personen dabei, die aus verschiedenen Gründen gar keine kirchliche Bindung mehr haben. Ich hoffe, dass sich diese Idee auch noch im katholischen Bereich und darüber hinaus verbreitet.

Der Ablauf einer Ankerzelle erinnert an Bibel-Teilen, eine Methode, die man ohne Vorbereitung auf jeden Bibeltext anwenden kann. Ist das ein Vorbild?

Ja, in gewisser Weise schon. Aber für Bibel-Teilen braucht es in der Regel mehr Zeit als nur 35 Minuten. Eine ganz andere Quelle der Inspiration ist die moderne Software-Entwicklung. Dort arbeiten agile Teams ohne eine klassische „Chef-Rolle“ zusammen. Jeder ist Akteur und bestimmt sein eigenes Level an Engagement.

Das heißt, Ankerzellen kommen ohne klassische Leitung aus?

Ja, es gibt keine Gruppenleitung im üblichen Sinne. Der Host eines Treffens ist eher Gastgeberin oder Gastgeber. Genau das ist ja auch die Übersetzung von Host. Ankerzellen werden durch die Prozessdynamik geleitet. Der Host hat „nur“ die Aufgabe, wie ein Moderator durch den Prozess zu leiten und ihn zu schützen, damit dieser nicht von Einzelpersonen torpediert wird.

Wer legt den Bibeltext fest?

Das entscheidet der jeweilige Host. In geübten Gruppen rotiert die Moderation des Treffens. In meinen Ankerzellen orientiere ich mich gerne an den Herrnhuter Losungen und verwende den Lehrtext im Zusammenhang. 15 bis 25 Verse sind eine gute Textlänge.

Ankerzellen wollen sich auf die „Kerndynamik und das Energiezentrum des geistlichen Lebens“ konzentrieren. Was bedeutet das?

Die Leitfrage lautet: Was baut den neuen Menschen auf? Die Antwort ist erstaunlich einfach:
1. Es braucht ein Christus-Wir, sodass sich der Auferstandene als mitten unter uns erweisen kann. 2. Wir lesen die biblische Botschaft mit einem hörenden Herzen. So wächst Glauben.
3. Und dann beten wir entlang des Textes. Dadurch verankert der Geist Gottes die Wahrheiten tief in unseren Herzen. Aus dieser Erfahrung heraus verändert sich unsere Wahrnehmung für unser Umfeld und wir bekommen Energie, unser Leben aktiv zu gestalten und andere zu segnen.

Inwieweit machen die Leute in einer digitalen Gruppe tatsächlich geistliche Erfahrungen?

Wenn Ankerzellen nur als Online-Bibellesegruppen wahrgenommen werden, wurde die innere Logik noch nicht verstanden. Vielmehr geht es um einen Resonanzraum des Geistes, in den wir gemeinsam eintreten. Jede:r hört dort für sich, wie der Auferstandene das eigene Herz berührt. Wenn wir das anschließend zusammentragen, leuchtet Gottes Präsenz wie durch ein spirituelles Kaleidoskop. Sehr geheimnisvoll.

Irgendwann wird es wieder möglich sein, sich in Wohnzimmern zu treffen. Werden die digitalen Ankerzellen weitermachen?

Ja, ich vermute schon. Das Format ist flexibel und integriert sich perfekt in den Alltag. Dadurch ist es bedeutsam auch jenseits der Pandemie. Wir werden sehen.

Links:
Digitale Plattform „Ankerzellen“


Diesen Artikel schrieb Jens Stangenberg zuerst für das Hauskreismagazin. Das Hauskreismagazin erscheint regelmäßig im SCM Bundes-Verlag, zu dem auch Jesus.de gehört.

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