Out of the Box – Weil wir wunderbar gemacht sind
Die Kolumne von Tom Laengner

Brauche ich neue Wege?

Unser westlicher Wohlstand wird durch die Armut von Menschen in der Dritten Welt erkauft. „Was tun?“, fragt sich Tom Laengner.

Jesus verdient aktuell etwa 221.000 Euro – nicht im Jahr sondern in der Woche. Für mich wäre das viel. Aktuell müsste ich bis ins nächste Jahrtausend meine Kolumne schreiben und hätte den Betrag immer noch nicht zusammen. Bei dem Jesus, von dem hier die Rede ist, sieht die Lage anders aus. Gabriel Jesus kickt für den FC Arsenal in London und schreibt nicht für ein christliches Onlineportal. Der 25-Jährige, der sich selbst als einen ganz normalen und bescheidenen Kerl bezeichnet, ist mit dem Namensvetter aus Nazareth weder verwandt noch verschwägert.

Den Ur-Jesus hätte wohl kein Verein für 75 Millionen kaufen können. Das ist laut Transfermarkt der aktuelle Marktwert des Mittelstürmers aus São Paulo. Der Mann aus Nazareth war so radikal anders! Dieses Fundament hält ihn bis heute im Bewusstsein der Menschheit.

Während ich zu den reichsten Menschen auf diesem Kontinent gehöre, hat sich Jesus nie richtig viel aus materiellem Besitz gemacht. Seine Worte, entweder Gott zu dienen oder dem Geld, empfinde ich heute als Warnung. Wenn ich zu Beginn des dritten Jahrtausends in Deutschland weiteres Wirtschaftswachstum erstrebe, könnte der Nazarener das vielleicht als Bullshit oder Irrsinn betrachten. Vielleicht lacht er sich über so viel Dummheit auch nur schlapp.

Die Menschen dort bringen Opfer, damit ich in Deutschland keine Opfer bringen muss.

Dafür sitzt er, theologisch biblisch betrachtet, immer an meiner Seite. Er war möglicherweise auch dabei, als ich jüngst bei ARTE eine Dokumentation gesehen habe. Da bekam ich richtig heiße Ohren. ‚Kobalt, die dunkle Seite der Energiewende‘ hieß der Film. Kobalt ist wichtig für die Akkus unserer emissionsfreien E-Mobilität. Diese Erze kommen überwiegend aus Minen im Kongo. Das führt in Ostafrika zu massiven Umweltschäden. Und: Lebenslange Armut ist den lokalen Arbeitern garantiert. Tageslöhne im Werte einer Mahlzeit an Bohnen, Reis oder Maniok lassen keine großen Sprünge zu. Für die Kinder, die dort arbeiten, sind im schlimmsten Falle Prügel und eine Banane am Tag drin. Die Menschen dort bringen Opfer, damit ich in Deutschland keine Opfer bringen muss. Ist es so, dass die Grundlage meines Wohlstandes weniger Segen Gottes ist sondern schreiende Ignoranz? Spätestens jetzt hatte ich den Eindruck, dass Jesus, der ja auch jetzt noch neben mir saß, mir feste vors Schienbein trat. Ich täte gut daran, mir das zu verdeutlichen.

Und jetzt? Mich lässt der Film etwas ratlos zurück. Aber ich muss einen falschen Weg nicht unbedingt weiter gehen, nur weil ich dort in großer Vertrautheit schon so lange unterwegs war. Doch da fällt mir etwas ein.

Einmal war ich in der Schweiz bei einem Festival. Es war kalt, windig und der Regen schwemmte Zelte und Zuversicht weg. Da hatte die Tochter eines Freundes eine Idee. „Papa“, sagte sie, „wir machen jetzt mal richtig Stimmung!“ Na, da waren wir aber gespannt. „Also“, fuhr sie fort, „wir sollten jetzt mal in der Bibel lesen. Aber sofort!“ Vielleicht ist das ein wirkungsvoller erster Schritt auf einem brandneuen Weg.

Out of the box - weil wir wunderbar gemacht sind

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Tom Laengner

Tom Laengner ist ein Kind des Ruhrgebiets. Nach 20 Jahren im Schuldienst arbeitet er journalistisch freiberuflich und bereist gerne afrikanische Länder. Darüber hinaus arbeitet er als Sprecher für Lebensfragen und Globales Lernen.

In seiner Kolumne „Out of the Box – Weil wir wunderbar gemacht sind" schreibt er alle 14 Tage über Lebensfragen, die ihn bewegen.

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5 Kommentare

  1. Ich habe den Artikel interessiert gelesen. Ich fand es schade, dass am Ende nur der Lösungsansatz kam, hey wir sollten mal in der Bibel lesen. Ich hatte mir mal einige Gedanken gewünscht, was wir hier in Deutschland konkret tun können, um der weltweite Ungerechtigkeit wie zb. die Situation der Kobaldarbeiter im Kongo zu begegnen. Ich gebe zu, ich weiß mir daraufhin auch wenig Rat. Ich finde es für mich wichtig, etwas mit der Zeit zu gehen und da gehört für mich ein Smartphone z.b. dazu. Weil ich die Vorteile genieße und ich nicht zu denen gehören möchte, die z.b. nur ein kleines Tastenhandy besitzen und das jahrelang benutzen, weil ich einfach die Vorteile des Smartphones genieße. Und da diese Smartphones leider meist so konzipiert sind dass sie nach ca. 2-3 Jahren schon Malessen haben, sehe ich es auch als Vorteil an, mit einem neuen Vertrag auch ein neues Gerät zu kaufen. Klar mir tun die Menschen im Kongo leid, aber was können wir hier dagegen tun, außer halt auf die Dinge verzichten? Da muß es doch auch noch andere Ansätze geben. Ich versuche halt in meinem Umfeld Gutes zu tun und zur Verbesserung der Situation von Menschen beizutragen und versuche so Jesus zu dienen. Aber so ein globales Problem wie dass der Konsum hier im Westen verantwortlich ist für die Ausbeutung von Schwellenländern da hab ich eher das Gefühl das ist ein Problem dass über meine Verfügbarkeit hinausgeht. Was also kann man tun? Zeichen setzen, demonstrieren, kleine Parteien wählen, die vielleicht ohnehin keine Chance auf Regierungsbildung haben, teure Fair trade Produkte kaufen (was mir in erweiterten Maße nicht möglich ist), vielleicht einfach nur beten, dass Gott denen die richtigen Gedanken und Entscheidungen zeigt, die in Verantwortung stehen oder einfach nur warten und hoffen, dass Jesus bald wiederkommt und die weltweiten Nöte beenden wird. Wie gesagt, ich hätte mir aufgrund der Überschrift des Artikels ein paar gute Gedanken gewünscht, die sind aber ausgeblieben. Ich glaube dass es wichtig ist dass wir als Christen auf den heiligen Geist und auf Gottes Führung hören, wo wir konkret helfen können, wo unsere Gaben und Möglichkeiten liegen, anderen zu dienen und zu mehr Gerechtigkeit auf dieser Welt beizutragen.

    • Sich engagieren

      Lieber Fabian Schreyer: Ich habe mit einem Kommentar so viel wirkliche Lösung dieser oder anderer Probleme auch nicht geäußert. Für mich persönlich ist völlig unzweifelhaft, dass das Evangelium – und auch unser Auftrag – auch eine politische Komponente hat (siehe z. B. die immer aktuelle Bergpredigt). Da kann man dann u.U. auch nicht anders als sich in die Politik als Christ einzumischen, vielleicht sogar sich (in einer Partei) zu engagieren, oder ganz einfach dem Petitionsausschuss im Bundestag z. B. Eingaben zu liefern. Es gibt viele Möglichkeiten, aber es gibt keine Weltformel die alles löst. Bis Jesus wiederkommt, für mich spätestens wenn ich sterbe, erwartet er vielleicht doch, dass wir – wenn es geht – auch einige Lichter in der Welt anzünden. Leider, leider, leben wir in einer komplizierten Welt. Nur die Sekten meinen, dass man die einfach zu lösen sind.

  2. Es stimmt einfach nicht! „Unser westlicher Wohlstand wird durch die Armut von Menschen in der Dritten Welt erkauft. “ ist falsch.

    Die Gründe sind andere. Korruption zum Beispiel ist so ein Grund, aber auch Mentalität, Regierungsform etc…

    Man hilft den Menschen in der 3. Welt nicht damit, wenn man sie nicht in die Verantwortung nimmt.

    • So einfach ist das nicht

      EinFragender: Ich glaube nicht, dass man sich dies so einfach machen kann. Korruption, Mentalität oder Regierungsform sind sicherlich Gründe für Armut, aber bei weitem nicht megakausal. Es geht jeder kirchlichen Entwicklungshilfe niemals darum, Menschen aus der Verantwortung zu nehmen, sondern sie ist immer „Hilfe zur Selbsthilfe“. Gleiches gilt grundsätzlich für Sozialarbeit. Eine gerechte Weltwirtschaftsordnung, wie sie von den Kirchen schon seit Jahrzehnten gefordert wird, wäre dennoch dringend erforderlich. Dabei dient dies letztlich auch allen Menschen global. Denn jede Form von Armut lässt die Geburtenrate weltweit steigen. Die Folgeprobleme muss ich hier nicht einzeln aufzählen. Aber dies ist ja auch ein ganz alter Hut. Im übrigen tun die Kirchen schon sehr viel. Ich bin beispielsweise langjähriger Spender für katholische Kinder- und Familien-
      arbeit u. a. in Indien und Afrika, im Rahmen einer missionarischen Schwesternschaft (was früher mal eine Patenschaft für Kinder war). Diese Arbeit wird jetzt projektbezogen organisiert. Auch die Fortschritte sieht man deutlich: Durch Schulen, Ausbildung, Aufklärung auch über Verhütung, Gesundheitspflege und vieles andere. Für die Betroffenen – vor allem die Kinder und Jugendliche – ist dies vergleichsweise ein kleines Paradies – aber trotzdem nur einen Tropfen auf den heißen Stein. Das Faszinierende hierbei ist, dass Christinnen und Christen etwa in Indien und Afrika ihren Glauben exemplarisch leben. Aber weil der Glaube exemplarisch gelebt wird, nehmen sich dies andere Menschen dort vor allem als Vorbild.

  3. Würde Jesus die Tische im Bundestag umwerfen ?

    „Unser westlicher Wohlstand wird durch die Armut von Menschen in der Dritten Welt erkauft“! Die zweiwöchentliche Kolumne von Tom Laengner ist mit dieser Überschrift versehen. Das macht man aus gutem Grunde so in der Pressearbeit: Das wichtigste steht an Anfang – und ist man besten schon eine Zusammenfassung. Vielleicht ist auch der Schlussabschnitt der beste Abschluss in der Galaxis: „Wir sollten jetzt mal in der Bibel lesen“! Dies erinnert mich an die Bergpredigt in der Bibel, an die göttliche Gerechtigkeit, dass die Schwerter einst zu Pflugscharen werden, und auch der Krieg geächtet wird und alle Völker auf Gott hören. Oder an die Erzählung vom Brotwunder. Aber manchen fällt bei Letzterer auf, dass vielleicht das eigentliche Wunder nicht in der wundersamen Brotvermehrung besteht – sondern in dem Hintersinn des Textes – dass hier alle Menschen ihre mitgebrachten Lebensmittel geteilt haben. Damals waren die Menschen, die Jesus treffen wollten, viele Tage unterwegs. Da haben auch sehr arme Menschen alles Essbare mitgenommen. Aber wer in die Schule Jesu geht, der versteht bald, dass nicht Wunder unser Leben wirklich verändern, sondern wenn wir in unserem Leben ein Wunder geschehen lassen: Wenn etwa ein Mensch das Leben mit einem anderen Menschen teil. Oder wenn jemand Friedensstifter wird. Oft ist sogar nur ein sehr kleiner Schritt: Nicht zu praktizieren „so du mir – so ich dir“! Damit würde alles anders.

    Eine Weltwirtschaftsordnung, in der die reichen Länder die Güter der Erde mit den armen Ländern teilen, würden derzeit auch die demokratisch regierten Staaten der Welt ablehnen: Erstens wird nie eine Regierung mit einem solchen Regierungsprogramm gewählt. Oder wenn doch – dies wäre schon ein großes Wunder – würde jegliche Opposition dagegen Sturm laufen. Aber glauben wir denn an reale Utopien? Oder an das Reich Gottes, das kommt und irgendwann hier auf Erden schon vorgeschattet wird? Könnte es eine reale christliche Politik geben, die hier wenigstens Minimalziele verfolgt? Fragen, die auf Derzeitigkeit bezogen, schwierig oder auch gar nicht zu beantworten sind. Denn schon der Kobaltabbau im Kongo, der uns den Wohlstand und den Kanalarbeitern dort das Elend beschert, ist nur ein Skandal unter vielen, der nicht wahrgenommen wird, oder den wir nicht hören möchten. Aber ich denke, auch Jesus hat bisweilen grenzwertig agiert, da er notfalls die Gewalt gegen Sachen für richtig hielt: Er hat die Tische der Wechsler im Tempel umgeworfen. Es wäre wohl doch sehr spannend mal drüber nachzudenken, welche Möbel Jesus bei uns umkippen würde, weil sie dem Himmel ein Ärgernis sind. Oder welcher Partei im Bundestag er kräftig die Leviten lesen würde? Vielleicht würde man sich dann auch nicht mehr sogar im Bundestagsrestaurant Unflätigkeiten um die Ohren hauen. Oder wenigstens miteinander reden.

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