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„Doctor Angelicus“: Vor 750 Jahren starb Thomas von Aquin

Der mittelalterliche Theologe Thomas von Aquin gilt als größter katholischer Glaubenslehrer. Unter dem Einfluss der Werke von Aristoteles versuchte er, Glaube, Vernunft, Philosophie und Theologie zu verbinden.

Zum 750. Todestag des Theologen Thomas von Aquin (7. März 1274) erinnert der Dominikanerorden an den berühmten Kirchenlehrer. Bis zur Zeit des Thomas stand die Theologie unter dem Einfluss der von Plato beeinflussten Tradition des Augustinus. Thomas ließ sich vom wiederentdeckten Philosophen Aristoteles beeindrucken und versuchte, die christliche Lehre in seinen Denkkategorien auszudrücken. Thomas wurde so zum Meister der Scholastik, dem schulmäßigen und systematischen Ordnen der Lehre der Kirche in einem strengen System.

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Der Theologieprofessor und Sozialethiker Thomas Eggensperger erklärt im Interview mit dem Evangelischen Pressedienst (epd), warum er Thomas von Aquin inspirierend findet. Der Theologieprofessor ist Schriftleiter der „Deutschen Thomas-Ausgabe“, einer kommentierten Übersetzung des Hauptwerks des Thomas von Aquin, der „Summa Theologiae“.

epd: Herr Eggensperger, wie gut lässt sich die Theologie des Thomas von Aquin mit modernem Denken vereinen?

Eggensperger: Thomas ist ein Theologe des Mittelalters, diese Kluft können wir nicht einfach überspringen. Dennoch ist sein Verständnis von der menschlichen Vernunft [lateinisch: ratio] von der autonomen Vernunft eines Immanuel Kant gar nicht so weit entfernt. Das erklärt, warum Thomas in der Zeit der Aufklärung wieder plausibel wurde. Tatsächlich lesen sich manche Stellen so, als hätte Kant sich von Thomas inspirieren lassen.

Gilt Kant nicht gerade als Zertrümmerer der Gottesbeweise, wie sie Thomas gelehrt hat?

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Erst Kant sprach von „Gottesbeweisen“. Thomas hat keine Beweise vorlegen wollen. Er spricht vielmehr von „Wegen“. Mit seinen „fünf Wegen“ zeigt er fünf Möglichkeiten auf, durch vernünftige Rückschlüsse von der Erfahrung der sinnlich wahrnehmbaren Dinge auf die Existenz Gottes zu kommen. Dabei fragt er beispielsweise nach dem ersten Beweger oder nach der ersten Ursache. Alles wird durch etwas bewegt, und alles hat eine Ursache. Aber denkt man dies weiter, fragt man sich, ob es nicht etwas gibt, das bewegt, nicht aber selbst wieder von etwas bewegt wird, das verursacht, aber selbst auf keine andere Ursache zurückführbar ist. Der Erstbeweger oder die Erstursache wird dann Gott genannt. Ich finde es sehr spannend, diese Denkrichtung zu studieren und mir methodisch anzueignen.

Noch immer leidet Thomas‘ Ruf darunter, dass katholische Theologen ihn Ende des 19. Jahrhunderts gegen die Moderne in Stellung gebracht haben, allen voran Papst Leo XIII. Zu Recht?

Der Neu-Thomismus war der Versuch, mit der Moderne umzugehen. Thomas‘ Theologie räumt der Vernunft einen hohen Rang ein. Sie eignet sich daher, christliches Denken ins Gespräch mit der nichtchristlichen Philosophie und Geisteswissenschaften zu bringen – viel mehr als eine Theologie, die den Glauben oder die Offenbarung ins Zentrum rückt. Aus heutiger Sicht mutet das Verfahren der Neu-Thomisten recht apologetisch an. Sie haben oftmals versucht, in Absetzung zu allen möglichen Zeitströmungen die Wahrheit ihrer theologischen Positionen zu beweisen. Thomas wäre erstaunt gewesen, wenn er gesehen hätte, wie er von einigen zum Maßstab der Wahrheit gemacht wurde.

Thomas hat sowohl mit der Theologie als auch mit dem in seiner Zeit wiederentdeckten griechischen Philosophen Aristoteles das fruchtbare Wechselverhältnis von Glaube und Vernunft aufgezeigt. Damit hat er einseitigen Dogmatismus und Fundamentalismus entgegengewirkt. Auch deshalb, nicht nur, weil sein Werk im Laufe der Kirchengeschichte immer wieder in den Rang einer katholischen Lehrnorm gehoben wurde, kann man sagen, dass Thomas eigentlich nie aus der Mode gekommen ist.

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Außer bei den Protestanten. Warum sahen evangelische Theologen in Thomas lange ihren Hauptgegner?

Das theologische Konzept einer Rechtfertigung allein aus dem Glauben, wie sie Martin Luther verfocht, passte nicht zu Thomas, bei dem ein Glaube ohne Liebe, also ohne praktisches Handeln, zwar möglich, aber keine Tugend mehr ist. Auch lässt sich Luthers pessimistisch anmutende Sündentheologie nicht mit der harmonisierenden Konzeption des Thomas vereinbaren, bei dem Sünde in unterschiedlichen Graduierungen schlichtweg menschlich ist und das Ringen mit ihr zur menschlichen Natur gehört.

Bei allem Respekt gegenüber der thomasischen Theologie sah Martin Luther in dem Dominikaner schlussendlich den Repräsentanten einer klassischen „römischen“, das heißt päpstlichen Theologie, mit der er reformatorisch haderte. Dieses Feindbild verfestigte sich in der evangelischen Theologie weiter bis hin zum reformierten Theologen Karl Barth (1886-1968), der neuerlich versuchte, die Offenbarung über die Vernunft zu stellen. Das allerdings ist mit Thomas nicht zu machen.

Sie sind Sozialethiker. Welche Rolle spielt Thomas‘ Theologie auf diesem Gebiet?

Zur Zeit Luthers, an der Wende zum 16. Jahrhundert, war in Spanien und Italien eine große Thomas-Renaissance im Gange. Gleichzeitig forderte die spanische Krone eine ethische Debatte angesichts der Gräueltaten, die spanische Siedler an der indigenen Bevölkerung der neu eroberten Gebiete in Amerika verübten. Die Krone betrachtete «Westindien» als zusätzliche Provinz, die mit allen Rechten und Pflichten ausgestattet war wie in Europa. Die spanischen Siedler hingegen interessierten sich wenig für die Auflagen der Behörden. Die theologische „Schule von Salamanca“ forderte einen humanen Umgang mit den Ureinwohnern, unter Rückgriff auf thomasisches Denken. Ein Vertreter dieser Schule, Francisco de Vitoria, bezog sich dabei vor allem auf den Gerechtigkeitstraktat in der „Summa Theologiae“. Er gilt heute als Vater des modernen Völkerrechts. Auch Bartolomé de Las Casas, Vorkämpfer der Rechte der amerikanischen Ureinwohner und Bischof von Chiapas im heutigen Mexiko, bezieht sich in seinem Werk auf Thomas und dessen Klugheitskonzept.

Die Ethik des Thomas wirkte im 20. Jahrhundert auch in Debatten über das Verhältnis von Gemeinwohl und dem Wohl des Einzelnen nach.
Hier neigt Thomas deutlich dazu, die Gemeinschaft dem Individuum überzuordnen. Es erscheint, mit Abstand betrachtet, heute naheliegend, sowohl der Gemeinschaft als auch dem Einzelnen jeweils einen Platz einzuräumen und das Verhältnis nicht im Sinne einer Über- oder Unterordnung, sondern eher qualitativ korrelativ zu betrachten und ein Zusammenspiel der Wohle anzunehmen.

Die Fragen stellte Urs Mund (epd)

Thomas Eggensperger lehrt in Berlin am „Campus für Theologie und Spiritualität“ und leitet das theologische Forschungsinstitut der Dominikaner, Marie-Dominique Chenu in Berlin.

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1 Kommentar

  1. Gottesbeweise beweisen nichts

    Der mittelalterliche Theologe Thomas von Aquin gilt als größter katholischer Glaubenslehrer. Unter dem Einfluss der Werke von Aristoteles versuchte er, Glaube, Vernunft, Philosophie und Theologie zu verbinden. Ich lese gerne – soweit wie für mich als Laie absichtlich auch verständlich geschrieben wird – begeistert alles über das Universum, den Urknall, die Frage warum wir überhaupt hier sind und wie sich das derzeitige Weltbild mit unserer Vorstellung von Gott und dem Universum miteinander verbinden lässt.

    ZUM WELTBILD: Auch das heutige Weltbild gestaltet sich wie durch einen fast unendlicher Gang durch viele Verbindungstüren, hinter denen sich weder eine Weltformel noch eine umfassende Erklärung aller fundamentaler Dinge verstecken. Die Türen verraten uns, dass wir das Meiste leider eben nicht verstehen können: Wir kommen dem Rätsel „über alles was existiert“, nicht wirklich nahe. GOTTESBILD: Als Fundament des Glaubens an einen liebenden Gott als Urgrund allen Seins dient nur Jesu Zusammenfassung der vielen jüdischen Gebote und Verbote: GOTT ZU LIEBEN, DEN NÄCHTEN UND UNS SELBST. Mehr lässt sich über Gott nicht sagen. Nur: Dass die Welt und das gesamte Universum vergehen wird, nichts davon übrig bleibt und nur Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit ist. Sodann unsere HOFFNUNG AUF JESUS ALS RETTUNGSANKER: Wir sind wirklich gerettet. Glaube ist vernünftig, aber wie könnte ich jemand gegenüber beweisen, dass Unglaube unvernünftig ist. Er würde sagen: „Beweise es“! Beweise gibt es aber nicht. Die nicht wenigen Gottesbeweise sind, soweit ich sie verstehe, daher nicht tragfähig: Gott lässt sich nicht messen, der Schöpfer besitzt keinen Körper aus Fleisch und Blut mit biologischen Funktionen. Er ist nicht ein Wesen – er entzieht sich jedem objektiven Beweis – und auch keiner beweisbaren These. Sogar der neue Albert Einstein, also Stephen Hawking behauptete: Gott muss nicht das Unversum aus dem Nichts erschaffen haben, aus dem Nichts kann das Universum entstanden sein ohne Gott und durch puren Zufall. . Beweise und Gegenbeweise gibt es leider nicht. Wir können also nur – vielleicht ein weniger charismatischer wie der Ungläubige Thomas – dennoch glauben ohne zu sehen, im Sinne einer sehr großen Hoffnung und eines entsprechenden Vertrauens. Natürlich geht Gott als Heiliger Geist auch durch meine Seele, allerdings meine geistlichen diesbezüglichen Erlebnisse lassen sich nicht messen, fotografieren und mit einem bildgebenden Verfahren dokumentieren. Es sei denn, man würde die Gehirnaktivitäten messen und da gibt es auch eine Abteilung Religion/Glaube im Gehirn, allerdings diese sind vernetzt mit den Zuständigkeiten im Gefühl für Verliebsein, Fußballauregung und andere Emotionen. Denn jede Freude, Emotion und Empathie sind auch Realitäten. Und Gott ist alles im allem auch Freude, Emotion und Empathie in unendlicher Weise. Nur: Gottesbeweise beweisen nichts. Das einzige war wir beweisen könnten, dass wir Jesu Gebote gerne leben, nämlich das „Lieben“. Denn uns soll man angeblich an unserer Liebe erkennen. Oder besser: Man s o l l t e uns daran erkennen.

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