Out of the Box – Weil wir wunderbar gemacht sind
Die Kolumne von Tom Laengner

Gehts auch anders?

Zu Besuch bei Tom Laengner schneidet eine Frau aus den USA ihre Brötchen komplett falsch. Diese Geschichte ermutigt ihn, Neues auszuprobieren.

Mit dem neuen Gebrauchten nach Münster fahren ging nicht: Die Gurke hatte sich mit seiner Sehnsucht nach Werkstatt durchgesetzt. Wie ein Kind in der Trotzphase! So entschloss ich mich, ein Bild zu malen.

Wenige Minuten später verbreitete sich der Duft von Leinöl und erste Spuren von Farbe zeigten sich unter meinen Fingernägeln. Das war ein großer Spaß. Dann knarzte das Türschloss, meine Frau trat ein, sagte etwas Lebensfrohes und heftete ihren Blick auf meinen Malgrund: „Ah, alles gelb, wie immer.“

Missliebiger Kommentar

Genauso unbekümmert, wie sie das sagte, verschwand sie auch wieder. Sie wollte mich nicht stören. Sie wollte nicht bewerten. Aber: Gelb, wie immer? Dieser Kommentar gefiel mir wirklich nicht, auch wenn er die Sache auf den Punkt gebracht hatte.

Ich möchte weder dem Zwang unterliegen, jedes Mal etwas total anderes zu machen, noch in meinen künstlerischen Aussagen so vorhersehbar sein wie ein Politiker bei seinen TV-Interviews am Wahlabend. Nun, meine Frau hatte das schon richtig gesehen. Die Bilder für die offenen Ateliers im Sommer waren ziemlich gelb und zwei Auftragsarbeiten der letzten Monate auch. Es ist eben gar nicht so einfach, die Dinge anders zu gestalten, neue Wege zu gehen und betretene Pfade zu verlassen. Leinwand und Leben tun sich dabei nicht so viel.

Eine Frau aus Georgia

Kaum war sie raus, übermalte ich wieselflink mein geliebtes brillantgelb. Das war dann nicht mehr gelb, sondern erst einmal furchtbar. Worauf hatte ich mich da eingelassen! Während ich dann lichtechte Pigmente mit weißer Acrylfarbe mischte, verlor sich meine Hektik und ich musste an eine Frau aus Atlanta in Georgia denken.

Der Tag, an dem Amy Holland aus den Südstaaten auf unserer Terrasse gefrühstückt hatte, war lauwarm, aber so trübe. Meiner Erinnerung nach haben sogar die Vögel den „Feelin‘- Bad-Blues“ gepfiffen. Aber das mag eine Einbildung sein. Ich weiß nicht mehr, wie diese Mittelschullehrerin aussah und ich weiß nicht mehr, was sie sagte. Aber ich weiß noch ganz genau, wie sie ihr Brötchen geschnitten hat. Und diese eigentlich belanglose Szene begleitet mich seither.

So schneidet man doch keine Brötchen!?

Wie alle Welt weiß, schneidet man sein Brötchen von rechts nach links. Oder von links nach rechts. Aber auf jeden Fall und bis in alle Ewigkeit will ein Brötchen horizontal aufgeschnitten werden. Denn schließlich sollen Käse- oder Wurstscheiben es bequem haben.

Unser Gast hatte von alledem nicht die geringste Ahnung. Als habe sie noch nie ein Brötchen gesehen, schnitt sie es vertikal. Von oben nach unten, mittendurch. Mein allererster Gedanke war damals: Jetzt hat sie es kaputt gemacht!

Die fröhliche Familienfrau quasselte fröhlich weiter und bemerkte meine Ratlosigkeit nicht. Aber ist es nicht wunderbar, dass Dinge, von denen ich genau weiß, wie sie zu funktionieren haben, auch ganz anders gehen können? Und, halleluja, das gilt nicht nur für das Schneiden eines Brötchens!

Gott der Meisterschöpfer

So wandte ich mich frisch ermutigt meinem Malgrund zu, pustete ein paar Pigmente in die Unsichtbarkeit und freute mich darauf, wie ich mich bei meiner Farb- und Formgestaltung würde überraschen können. Der Meister aller Klassen, wenn es um schöpferisches Handeln geht, ist für mich Gott selbst. Wie er das gemacht hat? Aus dem Nichts heraus zu schaffen, einer dunklen Leere, die vielleicht auch silberhell war!

Das Nachsinnen über ein Nichts und die Ewigkeit verschaffen meinem Magen ein flaues Gefühl. Es übersteigt nicht nur meine Vorstellungskraft und meinen Verstand. Ich glaube, das ist eine Dimension, die jenseits des Menschlichen liegt. Macht aber nix. Staunen kann ich darüber trotzdem. Er hat doch beständig alles anders gemacht. Dinge, auf die ich als normaler Mensch nie gekommen wäre.

Allerdings habe ich mir über die Jahre ein paar wirklich gute Dinge abgeguckt. Die haben mich noch stärker geprägt als die Sache mit dem Brötchen. Ich könnte jetzt Chinacridonrosa auf den Pinsel bringen. Das ist so wie Schweinchenrosa, bloß mit einer feinen Brombeernote. Aber das klassische Rosa knallt mehr. Beides ist nicht gelb und es ist nicht besser. Also, frisch gewagt? Da war mir, als würde Gott mir aus seinem himmlischen Atelier zuzwinkern.

Out of the box - weil wir wunderbar gemacht sind

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Tom Laengner

Tom Laengner ist ein Kind des Ruhrgebiets. Nach 20 Jahren im Schuldienst arbeitet er journalistisch freiberuflich und bereist gerne afrikanische Länder. Darüber hinaus arbeitet er als Sprecher für Lebensfragen und Globales Lernen.

In seiner Kolumne „Out of the Box – Weil wir wunderbar gemacht sind" schreibt er alle 14 Tage über Lebensfragen, die ihn bewegen.

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1 Kommentar

  1. Alle Menschen haben Ecken und Kanten

    Es geht auch ganz anders: Etwa Brötchen völlig alternativ aufzuschneiden. Oder das Bild nicht gelb zu malen. Andersfarbig ist die Alternative. Was darf ich hieraus an Lebensweisheit entnehmen? Vielleicht erst einmal was zu sagen zu den Vorurteilen, Gott würde sie mit uns teilen und wie nach dem Gesetz der Meder und Perser müsse alles in der Welt akurat nach immer gleichen Regeln ablaufen. Nein: Eben nicht. Selbst die Bäume im Wald wurden vom Schöpfer nicht wie in einer Fabrik hergestellt, sie sind krumm, schief und individuell. In meiner seit mehr als 50 Jahren bereits lange vergangenen Jugendzeit sagte mir ein Mitmensch etwas, was mich völlig umdenken ließ – sowohl mir selbst gegenüber als auch gegenüber Mitmenschen: „Du hast vielen Ecken und Kanten. Andere haben die auch, aber die können sie besser verstecken“! Diese Erkenntnis erschließt sich den meisten Leuten, wenn sie jemand näher kennenlernen: Auch der liebevollste Mensch, anscheinend vollkommen, friedfertig, vergebungsbereit, mit Kommunikation auf Augenhöhe und extrem selten zornig: Auch er – oder sie – hat gutversteckte Ecken und Kanten. Wir sind überhaupt nicht vollkommen. Vollkommenheitswahn wird jede und jeden völlig überfordern. Uns selbst lieben zu dürfen, ist eines der ganz großen Geschenke des Himmels – wohlgemerkt in Verlängerung des Gebotes der Gottes- und Nächstenliebe. Ich darf in den Spiegel schauen, muss vor meinem Gesicht weder am Morgen noch am Abend Angst haben und auch die Schönheit liegt immer im Auge des Betrachters. Also: Lasst den anderen Menschen doch den anderen Menschen sein, mit seinen Macken und Besonderheiten, und vor allem: Wenn ich im anderen Menschen auch meine eigenen schlechten oder ungünstigen Angewohnheiten sehe, die ich auch bei mir erkenne: Dann bin ich auf dem Wege etwas zu lernen. Denn ich glaube fest daran, dass wir nicht nur hier auf Erden sind um Gott zu finden – das Wichtigste dennoch – sondern auch um etwas zu lernen. Dies funktioniert aber nur etwas einfacher, wenn wir an andere Menschen die gleichen Maßstäbe anlegen wie an uns selbst. Schreibt doch Tom Laengner ganz am Schluß: „Er (Gott) hat doch beständig alles anders gemacht. Dinge, auf die ich als normaler Mensch nie gekommen wäre“! Gott als Verkörperung von Ewigkeit und Unendlichkeit ist das Kleinste und Hilfloseste geworden was es auf Erden gibt: Ein kleines Baby, einer 13jährigen Mutter, noch dazu in einer wirklichen Notunterkunft in der Fremde. Gott hat sogar völlig alternative Ideen und eine extrem kreative Liebe. Und er kennt alle unsere Unebenheiten. Wie heißt es so schön: „Richtet über niemand“! Mit anderen Menschen barmherzig umzugehen, wenn sie uns auf den Geist gehen, ist eine so große Aufgabe, dass man sich ihr eher wie einem Ideal annähern muss. Gott lieben jeden Menschen trotz Ecken und Kanten.

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