Vor 125 Jahren wurde Gustav Heinemann geboren. Er war ein politischer Mensch, doch auch sein christlicher Glaube prägte sein Leben.
Von Johannes Schwarz
Gustav Walter Heinemann kam am 23. Juli 1899 im nordrhein-westfälischen Schwelm zur Welt. Er wuchs in einer Familie auf, die keiner Kirche angehörte. Und so zeigte der junge Heinemann zunächst kein größeres Interesse am christlichen Glauben. Dagegen wusste er schon früh, dass er Rechtsanwalt werden wollte. Ab 1919 studiere er an den Universitäten Münster, Marburg, München, Göttingen und Berlin Rechtswissenschaften, Volkswirtschaftslehre und Geschichte und erwarb dabei zwei Doktortitel. Nach seinem Studium war er zunächst in Essen als Rechtsanwalt tätig.
Vom Religionsskeptiker zum Christen
Im Jahr 1926 heiratet Gustav Hilda Ordemann, eine überzeugte Christin. Aus ihrer Ehe gingen vier Kinder hervor. Hilda Heinemann studierte evangelische Theologie. Sie weckte in Gustav das Interesse für den christlichen Glauben. Nach einiger Zeit begleitete Heinemann seine Frau in die Kirchengemeinde Essen-Altstadt. Der dortige Pfarrer, Friedrich Graeber, spielte ebenfalls eine große Rolle bei Heinemanns Hinwendung zum christlichen Glauben. 1933 wurde der frühere Religionsskeptiker Gustav Heinemann schließlich Presbyter.
Während der NS-Zeit engagierte er sich im Führungskreis der Bekennenden Kirche (BK), die sich im Widerstand gegen die Kirchenpolitik der Nationalsozialisten sah. Er verteidigte Pfarrer, die verhaftet worden waren und druckte illegale Flugblätter, wurde aber nicht einmal festgenommen, obwohl er bereits im November 1933 einen kritischen Brief an Adolf Hitler persönlich schrieb. 1938 legte er seine Ämter in der Bekennenden Kirche nieder, da ihm deren Aktionen als „zu harmlos“ erschienen. Stattdessen fokussierte er sich auf die Mitarbeit in seiner Essener Kirchengemeinde, ohne innerlich mit der BK zu brechen. Außerdem beteiligte er sich an der Beschaffung von Lebensmitteln für verfolgte Jüdinnen und Juden.
Synodenpräses und EKD-Ratsmitglied
Auch nach dem Zweiten Weltkriegs engagierte sich Heinemann kirchlich. Bis 1950 blieb er Vorsitzender des CVJM Essen (seit 1937). Im Oktober 1945 unterzeichnete Heinemann das Stuttgarter Schuldbekenntnis mit, mit dem die evangelische Kirche ihre Mitverantwortung an den Verbrechen des NS-Staates bekannte und sich anklagte.
Gustav Heinemann prägte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) mit. 1948 war er Präsident der verfassungsgebenden EKD-Kirchenversammlung in Eisenach. Von 1949 bis 1962 war er Mitglied der Leitung des Evangelischen Kirche im Rheinland. Zudem war er von 1949 bis 1955 Präses der Synode der EKD und auch an den Kirchentagen beteiligt. Dem Rat der EKD gehörte er bis 1967 an (ab 1945).
Dritter Bundespräsident
Neben seinem kirchlichen Engagement war Heinemann auch politisch aktiv. 1945 gründete er die Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU) mit. Die Briten setzten Heinemann als Bürgermeister von Essen ein, wo er 1946 auch zum Oberbürgermeister gewählt wurde. Zudem wurde er, wenn auch widerwillig, Justizminister in NRW (1947 bis 1948).
Nach der Wahl von Konrad Adenauer (CDU) zum ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik ernannte dieser Heinemann zum Bundesinnenminister. Nach Konflikten mit Adenauer trat er jedoch nach nur einem Jahr im Oktober 1950 zurück – und wegen der Pläne zur Wiederbewaffnung Deutschlands 1952 auch aus der CDU aus.
Nachdem er zunächst an der Gründung der Gesamtdeutschen Volkspartei (GVP) beteiligt war, trat er 1957 zur SPD über. Er wurde Abgeordneter des Deutschen Bundestags und arbeitete inhaltlich im SPD-Parteivorstand mit. Unter Kanzler Willy Brandt (SPD) wurde Gustav Heinemann 1966 Bundesminister der Justiz.
Den Höhepunkt seiner politischen Karriere erlebte Heinemann als Bundespräsident (1969 bis 1974). Sein Fokus lag darauf, ein „Bürgerpräsident“ zu sein – kein Staatspräsident. Eine zweite Amtszeit lehnte er aus Rücksicht auf seine Frau und seine Gesundheit ab.
„Ich liebe meine Frau“
Zwei Jahre nach Ende seiner Amtszeit als Bundespräsident starb Gustav Heinemann am 7. Juli 1976 im Alter von 76 Jahren in Essen. Der Nachlass Gustav Heinemanns befindet sich im Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Sowohl politisch als auch religiös war Gustav Heinemann ein Mann, der sich bewusst in den Dienst stellte. Von Heinemann stammt der Satz: „Ein halber Christ ist ein ganzer Unsinn.“ Für ihn war klar, dass sein christlicher Glaube ihn in Verantwortung sieht. Ein anderer Satz, der ihn als Politiker und Menschen charakterisiert, war die Antwort auf die Frage eines Reporters, ob er den Staat liebe. Heinemann sagte: „Ach was, ich liebe keine Staaten, ich liebe meine Frau.”
Eintrag für Gustav Heinemann auf der Seite des Bundespräsidialamtes.
Der Ulmer Arzt Siegfried Ernst (Mitbegründer der CDU in Ulm 1946) beschreibt in „Alarm um die Abtreibung“ ( Hänssler Verlag 1979), wie er 1974 den „frommen“ Bundespräsidenten in Bonn ziemlich verzweifelt bat, seine Unterschrift nicht unter die von der sozialliberalen Koalition beschlossene Fristenlösung zu setzen. Damit wäre das Töten der Ungeborenen nicht freigegeben worden. (Alarm um die Abtreibung, , Telos Dokumentation I, Seite 369)Das Originalzitat lautet: “ Er aber weigerte sich, mich zu sehen, obwohl er durchaus 5 Minuten Zeit gehabt hätte. Antwort kam auf diesen Brief keine. Er unterschrieb das Todesurteil für Hundertausende….“
Warum wird ein solcher Mann seit 50 Jahren als Lichtgestalt verkauft?
Empfindest du seine Darstellung wirklich sls Lichtgestalt?
Er folgte seiner Überzeugung, auch wenn es unüblich und gegen den Mainstream, gerade politisch, war.
Das werden in vielen Fällen viele für falsch gehalten haben.
Ich finde, dass er da gute Aussagen getätigt hat, gerade wenn man seine Zeit berücksichtigt.
Dazu gehört für mich auch die gesetzliche Regelung der Abtreibung, obwohl ich diese aus heutiger Sicht für falsch halte. Damals war sie ein wegweisenden politischer Kompromiss.
Man sieht ja die Mutlosigkeit der heutigen Politik, die es nicht schafft, hier jetzt konsequent weiter zu gehen.
Bitte nicht unbarmherzig sein
Lieber Herr Krien: Sie verkennen die Problematik, die der Schwangerschaftskonfliktberatung immanent ist. Es ging zunächst politisch darum, die leider nicht vermeidbare Abtreibung in eine Richtung zu lenken, in der sowohl noch eine Beratungspflicht greift und damit sich einerseits noch die eine oder andere Frau sich umorientiert – und andererseits damit einen auch schwer gefundenen politischen Kompromiss zu ermöglichen. Die Beratungspflicht hat, auch durch den Einsatz von Geldern der Stiftungen, hier vorallem durch die sogenannte Geissler-Stiftung, aber ebenfalls sehr
deutliche finanzielle Hilfen ermöglicht. Damit wurde vielfach werdendes Leben gerettet. Denn betroffene Frauen und Partner sind wirklich in einer Konfliktsituation und bedürfen sowohl Beratung und Hilfe. Solche schwierigen Punkte im Leben können sich oft anfühlen wie ein fast niemals auflösbarer Konflikt und damit in einer Entscheidungen zu sein zwischen Pest und Colera. In einem ganz anderen Bereich des Lebensschutzes habe ich – nunmehr im Rentenalter – eingesehen, dass ich (gemäß meiner damaligen Entscheidung der Wehrdienstverweigerung) zwar als Individuum den Wehrdienst verweigern darf, aber dies kann der Staat an meiner Stelle derzeit leider (noch) nicht tun. Idealen kann man sich auch als Christ sich nur selten vollständig annähern und es gibt hier häufig keine perfekten Lösungen. Daher bedeutet fromm zu sein, nicht mit dem Kopf durch die Wand zu rennen, was zu keinem Erfolg führt und rationale vernünftige Wege abzulehnen. Deshalb bleibt, wofür der ehemalige Bundespräsident Gustav Heinemann immer stand, dass man nämlich nicht ein halber Christ sein kann, sondern mit Leib und Seele. Aber trotzdem sind Leute auch mit Leidenschaft nicht kompromisslos, sondern sie berücksichtigen dass ihre Mittel endlich sind. Ich ganz persönlich würde einen Schwangerschaftsabbruch kathegorisch ablehnen, eben weil das Leben eben Leben von Anfang an ist. Aber ich bin nicht in dieser Situation einer Frau in einer schlimmen Konfliktsituation und ich bin auch keine Frau. Man sollte sich auch sehr davor hüten, hier völlig unbarmherzig zu fühlen.
Ein kurzes Wort zu Chey: Sollte Heinemann in Richtung Allversöhnung gedacht und geglaubt haben, macht mir ihn sympathisch. Die Wahrheit ist, dass man die Vergebung für alle Menschen durch das Kreuz von Golgatha überhaupt nicht anders und widerspruchsfrei denken kann, als eben dadurch, dass am Ende für alle Menschen alles gut wird. Dass dies gegenüber den Bösen dieser Welt ungerecht erscheint, macht eben das Kreuz zu einem Ärgernis und dies darf es auch sein. Denn warum sollte Gott, der doch fordert seine Feinde zu lieben, es nicht ebenfalls tut.
Ich habe nichts gegen den Gedanken der Allversöhnung.
Er hat eben nur nichts mit dem christlichen Glauben und der Bibel zu tun.
Antwort an Chey zur Allversöhnung
Faktisch ist die Allversöhnung fast vollständig die Überzeugung auch der Theologen. Aber es offen zu sagen, wäre wohl sehr inopportun. Aber ich bin kein Theologe. Ich sage was ich denke und ich glaube, dass Gott mir dies auch nicht übel nehmen wird.
Weil nach dem christlichen Glauben, definitiv von der Bibel so formuliert, Jesus für alle Menschen dieser Welt gestorben ist. Wir haben uns vor 50 Jahren auch darum bitter gestritten, wobei wir uns im Prinzip aber einig waren. Das Kreuz des Christentums ist daher wirklich ein Ärgernis, weil Jesus für seine Feinde stirbt, die nicht mehr seine Feinde sind. Unmissverständlich glaubten die biblischen Autoren auch, daß sich am Ende aller Zeiten dann wirklich alle Knie vor Jesus beugen werden. Dies bedeutet, alle Menschen entscheiden sich spätestens im Himmel freiwillig für Jesus und damit Gott. Wenn es anders wäre, eine halbe Erlösung, oder eine Erlösung für extrem wenige Menschen, dann wäre die Erlösung ad aburdum geführt. Dies würde zwangsläufig auch dazu führen ohne weiteres behaupten zu müssen, Gott sei – entweder gescheitert – oder hat sich schlicht in seinen Möglichkeiten überschätzt. Die Bibel muss man als ein ganz normaler Christ, wenn man nicht gerade Fundamentalist ist, auslegen. Ausgelegt wird die ganze Bibel am Neuen Testament und an Jesus Christus. Ich sehe durchaus, dass dieses jüdischen Menschen nicht unbedingt genehm ist, weil da beide Lehren sehr kräftig auseinanderklaffen. Aber wir haben mit jüdischen Menschen im Prinzip den gleichen Messias, nur dass er für uns als Christen bereits gekommen ist und für Israel noch kommt. Darin sehe ich nicht einen wirklichen Widerspruch. Von dem auch für Christinnen und Christen wiederkommenden Christus wird vorausgesagt dass er wirklich als Friedefürst kommt und die Völker mit milder Hand regiert. Sonst würden auch die Waffen nicht zu Pflugscharen und ebenfalls der Krieg nicht geächtet. In Gott eher eine Machtinstanz zu sehen, ähnlich den brutalen Alleinherrscher des Alterstums, hat sich als menschliche Meinung in die Bibel eingeschlichen. Jedenfalls ist schon nach Martin Luther die Bibel auszulegen und sie ist nicht vom Himmel gefallen, oder von Engel geschrieben worden. Daher muss man sie in einem roten Faden des Zusammenhangs lesen. Selbst die Evangelikalen haben mit unterzeichnet, dass die Bibel immer Gottwort durch Menschenwort ist. Zu deutsch: Menschliche Meinung und Vorurteil ist mit überliefert. Es muss sich niemand wundern, dass da nicht wenig auch Polemik dem Judentum gegenüber transportiert wurde. Obwohl Jesus doch selbst Glaubenslehrer – Rabbi – war. Oder des Apostel Paulus Vorurteil gegen Frauen, hat er doch eindeutig gesagt „die Frau aber schweige in der Gemeinde“. Ich weiß nicht ob es abwegig ist, auch in der Überlieferung (dieser Laune) des Paulus eine gewisse Absicht zu sehen, indirekt seinen Affront gegen die Frauen zu überliefern. Immerhin waren die Frauen die ersten Zeugen der Auferstehung. Es muss also doch ein wenig Feminismus auch schon zu biblischen Seiten gegeben haben, der folglich in das Neue Testament eingeflossen ist. Jesus hatte auch Jüngerinnen, allerdings nicht in seiner Kernmannschaft. Die Bibel ist vorwiegend die Überlieferung der Glaubens- und Gotteserfahrung. Aber sie hat auch – im Alten Testament – viel religiöse Propaganda zu bieten.
Viele Punkte, die du da ansprichst.
Der Messias des Christentums und des Judentums haben kaum etwas gemeinsam. Kannst ja mal googlen, was der Messias im Judentum ist und woran man ihn erkennen wird. Die einzige Voraussetzung, die Jesus erfüllt, ist, daß er Jude ist. Selbst die in der Bibel beschriebenen Abstammung, so sie denn stimmt, hat einen Fehler. Die anderen Voraussetzung werden nicht erfüllt. Oder habe ich z.b. irgendwie das 1000jährige Friedensreich übersehen? Und nichts, dass das noch kommt. Der Messias wird daran erkannt, dass er es erschafft, nicht das er es verspricht.
Und darüber hinaus lehnt das Judentum eine Vergöttlichung eines Menschen strikt als Verstoß gegen den Monotheidmus ab. Da hilft auch der Trick mit der Trinität nicht.
Allversöhnung wird meines Wissens von den meisten Theologen abgelehnt. Sie ist eben unbiblisch. Man müsste vom christlichen Testament wohl 95 % streichen, um die zu vertreten. Ja, die Bibel muss man auslegen, aber das bedeutet doch nicht, dass man den Inhalt ins Gegenteil verkehrt, wie es einem halt passt .
Heinemann war ein bisschen vor meiner Zeit, wenn auch nicht viel. Bisher habe ich ihn eher mit den Briefmarken in Verbindung gebracht, die zu meiner jugendlichen Sammlerzeit allgegenwärtig waren. Ansonsten sagte er mir wenig.
Ich habe sein Leben jetzt mal bei wikipedia nachgelesen. Welch ein interessanter und im Denken seiner Zeit vorauseilender Mann!
Seine Glaubensüberzeugungen sind auch interessant in Bezug auf die RAF-Terroristin Ulrike Meinhof, die er persönlich kannte. Geht so ein bisschen in Richtung Allversöhnung.
https://de.wikipedia.org/wiki/Gustav_Heinemann
Er scheint häufiger gegen den Strom geschwommen zu sein. Im besten Sinne. Solche Politiker bräuchte es mal wieder mehr.
Solche Christenmenschen braucht es mehr. Solche die Vernunft und Liebe zusammenbringen.
Also: Let’s go!