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Homiletik: So bereitest du eine gute Predigt vor

Predigen ist ein Handwerk, das man lernen kann, sagt der Theologe Felix Eiffler. Im Interview erklärt er, welche Schritte er bis zur fertigen Predigt durchgeht und wie lange eine Predigt dauern sollte.

Wie steht es um die Predigt im Jahr 2022?

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Felix Eiffler: Ich glaube, es gibt schon jetzt viele inspirierende Predigten, die sehr gut vorbereitet sind. Klar ist: Predigen ist ein Handwerk und da haben wir alle noch Luft nach oben. Dazu gehört auch, dass man wach für die Kultur ist und wahrnimmt, wie Menschen kommunizieren. In der Berliner Innenstadt muss man anders predigen als auf einem schwäbischen Dorf.

Wie gelingt diese Kultursensibilität?

Ich lese bzw. höre Romane, weil es mich sprachlich bildet, von begabten Menschen zu lesen und zu lernen, wie sie mir Bilder vor Augen malen. Auch Musik hilft mir sehr. Ich nehme Songtexte gerne zielgruppenspezifisch in Predigten auf.

Musik ist ein Schlüssel, um Gefühle zu wecken, aber auch Fragen zu transportieren. Bei Filmen und Serien ist es genauso. Sie sind Diskurs- und Narrativträger unserer Kultur.

Was kann man vom ostdeutschen Kontext homiletisch [Homiletik ist die Predigtlehre; Anm. d. Red.] lernen?

Ich kann wenig bis nichts inhaltlich voraussetzen. Deshalb sollte ich niederschwellig und sehr plausibilisierend predigen. Ich kann nicht voraussetzen, dass Besucher im christlichen Welt- und Menschenbild zu Hause sind.

Predigtvorbereitung im säkularen Kontext lässt mich genau hinschauen: Wie voraussetzungsreich ist meine Predigt? Ist das argumentativ schlüssig? Ist es nur für mich logisch?

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Ich werde wacher für mögliche Anfragen, Kritik, Einwände. Deshalb tut es einer Predigt gut, wenn man mögliche Einwände formuliert und in der Predigt aufnimmt. Der ostdeutsche Kontext als nachchristlicher Kontext macht dafür sensibel und zeigt mir, dass man mit einfachen Antworten nicht allzu weit kommt.

Wie geht das konkret: Welche Tipps haben Sie, um Begriffe wie Gnade oder das Evangelium „zu übersetzen“?

Es hilft, wenn man säkulare Vergleiche aus der Kultur, in der wir leben, findet, um das zu beschreiben: „Gnade ist wie …“ Oder man findet eine kleine Story, die ausgedacht oder echt ist. Wenn man Leuten eine Geschichte erzählt, ist es oft einfacher.

Bei der Serie „Tatortreiniger“ gibt es eine schöne Szene, wo Schotty gefragt wird, ob er Kinder hat. Er verneint das, sagt aber zugleich sinngemäß: „Wenn ich ein Kind hätte, dann wäre das so, als ob in mir eine Kiste voller Energie ist, die nur für ein Kind reserviert ist und nur von einem Kind geöffnet werden könnte. Das wäre dann eine Energie, die sich niemals erschöpft.“

Das ist doch ein cooles Bild, um Gnade zu beschreiben! Da ist etwas in mir, das nur Gott öffnen kann. Wenn Gott in mein Leben tritt, dann schafft er in mir etwas, was ich selbst nicht kann.

Hand aufs Herz: Wie bereiten Sie eine Predigt vor?

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Ich gehe die Schritte des Exerzitiums [das „Greifswalder Exerzitium“ ist ein Arbeitsbuch, das in neun Schritten zur Erarbeitung einer Predigt führt; Anm. d. Red.] im Wesentlichen durch. Jeder Schritt spielt seine Rolle, aber manche bekommen mehr Raum. Verschiedene Predigten, Texte oder Zeiten erfordern verschiedene Tools.

Ich frage mich immer: Was sagte dieser Text, so wie er mir vorliegt, in seiner Zeit, und was bedeutet er heute? Manchmal habe ich dann direkt Begegnungen aus dem Alltag oder etwas anderes Konkretes vor Augen, das mir hilft, den Text auszulegen. Besonders die Exegese hilft mir, den Text selbst erst mal gründlich zu verstehen, was dann wiederum neue Ideen eröffnet.

Ein Element des Exerzitiums habe ich in meine eigene Predigtvorbereitung seit dem Homiletikseminar in Greifswald integriert: den Predigttisch …

Ja, der Predigttisch ist ein fiktives Gespräch mit dem Text und drei bis vier potenziellen, exemplarischen Hörerinnen und Hörern in der Gemeinde. Wir führen uns ihre Lebenssituation vor Augen und versuchen ihre spezifischen Anfragen an den Text zu formulieren.

Im zweiten Schritt überlegen wir, was der Text ihnen dazu antworten könnte. Es geht also darum, die Botschaft des Textes mit einem spezifischen Leben zu verbinden und diese miteinander ins Gespräch zu bringen. Einer der Teilnehmer des Predigttisches sollte einen nichtchristlichen Hintergrund haben. Das wird mit Blick auf die gesamtgesellschaftliche Situation immer wichtiger, um mit der Predigt nicht selbstreferenziell im Binnenkontext zu bleiben.

Kann es sein, dass man sich in landeskirchlichen Predigten um unbequeme Themen herummogelt? Das Böse, die Endzeit, das Gericht sind doch selten Thema auf der Kanzel?

Die Themen sind trotzdem von Interesse und Menschen fragen danach. Wenn die Kirche sie im Regen stehen lässt und nichts zu sagen hat, dann suchen sie sich die Antworten woanders. Es ist unsere Aufgabe, differenziert, nüchtern, biblisch-fundiert Aussagen zu treffen, ohne uns darin zu verlieren.

Die Zeit am Ende des Kirchenjahres hat genau diese Themen. Ich finde, das Thema Schuld kommt gesellschaftlich kaum noch vor, hat jedoch in der Liturgie seinen angestammten Platz. Das Böse, Tod und Gericht sollten ebenso einen Ort haben. Das sind genuin christliche Themen, die uns in der Bibel regelmäßig begegnen – und letztlich allesamt eine christliche Hoffnungsperspektive beinhalten.

Ich finde Predigten dann spannend, wenn ich merke: Das geht mich etwas an und es konfrontiert mich mit wichtigen Fragen, die ich anderswo nicht gestellt bekomme.

Welchen Beitrag leistet die Predigt für das lebendig-mündige Christsein?

Wenn ich regelmäßig eine gute Predigt höre, die mich herausfordert, wachrüttelt, begeistert, überführt, dann hat sie auch immer eine Bildungskomponente. Wenn Hörerinnen und Hörer einen Gedanken bekommen, den sie weiterverfolgen oder der Reifungsprozesse im Glauben auslöst, dann ist dies ein wichtiger Beitrag zu lebendigem und mündigem Christsein.

„12 bis 15 Minuten sind in einer normalen Dorfgemeinde vermutlich ausreichend.“

Was sagt der praktische Theologe: Wie lang geht die optimale Predigt?

12 bis 15 Minuten sind in einer normalen Dorfgemeinde vermutlich ausreichend. Mir gibt es Freiheit, wenn ich etwas kürzer predige. Es hilft mir dabei, Dinge wegzulassen. Was nicht so gut ist, lasse ich weg. Die verbleibende Zeit ist dafür inhaltlich stärker gefüllt. Bei längeren Predigten besteht die Gefahr, dass nicht alle Details hochwertig vorbereitet sind.

Sie sind Mitherausgeber des Buches „Evangelium kommunizieren“. Ist diese Lektüre eine Art „Vermächtnis“ vom Homiletisch-Liturgischen Seminar in Greifswald?

In das Buch sind 25 Jahre Erfahrung meiner Kollegen Michael Herbst und Matthias Schneider und meine – vergleichsweise bescheidenen – 5 Jahre eingeflossen. Inhaltlich ist es ein Vermächtnis. Der Vorgänger ist über 20 Jahre alt. Seither ist viel passiert – sowohl im akademischen Diskurs als auch durch das Seminar und die vielen praktischen Erfahrungen, die gesammelt worden sind.

Wen wollen Sie mit dem Buch erreichen?

Primär besteht die Zielgruppe natürlich aus Theologiestudierenden, aber auch aus homiletisch interessierten Praktikern: Pfarrerinnen und Prädikanten, die sich weiterbilden oder ihr Wissen vertiefen wollen.

Es ist kein Lehrbuch der Homiletik, sondern ein Arbeitsbuch mit der Besonderheit, homiletisch und liturgisch zugleich zu sein. Im Vergleich zum Buch „… wir predigen nicht uns selbst“ sind 90 Prozent komplett neu geschrieben worden.

Die Corona-Pandemie, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine bewegen auch die Pfarrerinnen und Pfarrer: Wie politisch darf eine Predigt nach Ihrem Geschmack sein?

Es gab Zeiten, wo es gar nicht anders möglich war, als politisch zu predigen. Im Dritten Reich war klar, dass das Evangelium nicht für den Faschismus sein kann. Politische Predigt muss sehr differenziert sein und die Frage stellen: Ist es vom Evangelium her angemessen?

„Unsere Aufgabe ist, das Evangelium zu kommunizieren und nicht die Tagespolitik zu kommentieren.“

Wenn vom Evangelium her eine Zeitansage nötig ist, also ein kritischer Blick auf aktuelle Geschehnisse, dann hat es eine aktuelle Berechtigung. Unsere Aufgabe ist, das Evangelium zu kommunizieren und nicht die Tagespolitik zu kommentieren. Zugleich hat die Predigt eine mahnende Funktion und kann Menschen ins Gebet führen. Das ist unsere ureigenste Aufgabe als Christen und Christinnen.

Was wünschen Sie sich für die Feier von Gottesdiensten in zehn Jahren?

Der mit der Pandemie verbundene Digitalisierungsschub ist ein großer Segen. Das wird die Qualität von analogen Gottesdiensten weiter steigern, weil Menschen verwöhnt sind. Zudem ermöglichen hybride Gottesdienste es Familien und Kranken, teilzunehmen – ohne vor Ort zu sein.

Allerdings funktioniert es nicht, den Gottesdienst nur abzufilmen und zu streamen. Man muss die Logik digitaler Kommunikation berücksichtigen. Im Blick auf Interaktion und Beteiligung der Gemeinde ist manchmal noch Luft nach oben.

Mit aufgezeichneten Gottesdiensten, die ich später sehe, tue ich mich persönlich schwer: Wenn wir als Gemeinde zusammenkommen, rufen wir in dem Moment Gott an, loben ihn und feiern Abendmahl. Das geht nicht zeitversetzt. Die Fotos anderer anzusehen, ersetzt ja auch nicht meinen eigenen Urlaub.

Aufgezeichnete Gottesdienste begünstigen zudem, dass ich einfach vorspule, wenn mir ein Lied oder die Predigt nicht passt. Der Gottesdienst der Zukunft wird vermutlich hybrider und pluraler in der musikalischen und sprachlichen Gestaltung sein.

Vielen Dank für das Gespräch!

Die Fragen stellte Andreas Schmierer.

Felix Eiffler (Jg. 1984) ist stellvertretender Direktor des Instituts zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung (IEEG) in Greifswald. Seine Dissertation schrieb er zum Thema: „Kirche für die Stadt. Pluriforme urbane Gemeindeentwicklung unter den Bedingungen sozialer Segregation.“

Er ist Mitautor des Buches „Mündig! – Lebendiges Christsein voller Klarheit“ (SCM Hänssler) und des Kleingruppenmaterials „Mündig! – Gemeinsam glauben voller Klarheit“ (SCM Hänssler).

Weiterlesen: Michael Herbst, Matthias Schneider und Felix Eiffler „Evangelium kommunizieren – Greifswalder Arbeitsbuch für Predigt und Gottesdienst. In 9 Schritten zum Gottesdienst“ (Neukirchener Verlag)


Ausgabe 2/22

Dieser Artikel ist in der Zeitschrift 3E erschienen. 3E wird vom SCM Bundes-Verlag herausgegeben, zu dem auch Jesus.de gehört.

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2 Kommentare

  1. Ich bin der Meinung, dass Predigen einer der wichtigsten Praktiken sind um die Menschen in Verbindung mit Gott dem Herrn zu bringen. Dabei spielt der Pfarrer sowie eine wohl geprobt und geplante Predigt eine Schlüsselrolle! 😉

  2. Gemeinde bitte nicht unterfordern

    „Ich kann wenig bis nichts inhaltlich voraussetzen. Deshalb sollte ich niederschwellig und sehr plausibilisierend predigen. Ich kann nicht voraussetzen, dass Besucher im christlichen Welt- und Menschenbild zu Hause sind“! Was Pfarrer Eiffler in diesen Sätzen sagt ist absolut richtig, zugleich aber auch eine Gefahr. Nämlich dann, wenn ich als Zuhörer einer gewünschten guten Predigt geistig-geistlich unterfordert werden. Ich schreibe dies als engagierter landeskirchlicher Christ, der auch aufgrund langer Mitarbeit in der Gemeindeleitung vor Ort zeitlebens alle Formen von Predigtereignissen manchmal schwer verdauen musste. Alles was nicht nur gepredigt, sondern im Dialog mit anderen Menschen geäußert wird, muss auch plausibel sein. Nun soll aus der Sicht eines/einer Prediger*in der Predigtinhalt unbedingt plausibel sein, für den Zuhörer kann dieses Ziel aber total verfehlt werden. Als theologisch interessierter Mensch habe ich mich nämlich oft geärgert, wenn der Mann oder die Frau im Talar die Klippen im Text gekonnt umschiffte mit der Überzeugung, es merke niemand. Etwa bei der Noah-Erzählung von der Sintflut hätte ich gerne sinnstiftendes gehört zu der Frage, wie dieser Text von Neuen Testament her ausgelegt werden sollte. Stattdessen deutete unser damaliger lieber Pfarrer in einem Familiengottesdienstes anlässlich eines Gemeindefestes den Text so, in dem er fast genüsslich erzählte, wie in unserem engen Tal die Menschen alle elendig ertrinken. Das Wasser reichte bei Noah (und an der Lahn gedacht) bis in die hohen Berge. Es hätte mich mit dieser Geschichte versöhnt, hätte er erwähnt, dass man Noahs und seiner Familie Rettung, auch der vielen Tiere, als eine Überlebensgeschichte verstehen darf. Es ist auch nicht plausibel, Gott gewissermaßen sich nicht nur massenmordend vorzustellen, sondern auch als jemand, den es gereute, die Menschen ausgelöscht zu haben. Ein irrender sündiger Gott ? Das Brotvermehrungswunder hat mir ein guter Predigtredner endlich besser zu verstehen gelehrt, nämlich dass es hier nicht um ein Zauberkunststück geht, sondern dass eigentliche Wunder eher darin bestand dass alle das Wenige teilen und es dann für alle reicht. Schlimm sind die lustlosen, inhaltsarmen und solche Altaransprachen, wo mir ein roter Faden bis zum Amen am Ende nicht erkennbar wird. Einmal wurde ich gebeten einen Zeitungsartikel über eine Predigt zu veröffentlichen, da ein großes Fest gefeiert wurde. Der Einfachheit halber habe ich mir den Text geben lassen. Beim Lesen wunderte mich dann nicht mehr, warum ich sowenig von der Rede des Predigers im Gedächtnis hatte: Der Text war gespickt mit christlichen Worthülsen. Die rethorisch gute Ansprache täuschte einen hier nur angedeuteten Inhalt vor. Vielleicht ist es wie bei einem guten Buch, bei dem es dann trotzdem schwer wäre, sich über Tausend Seiten durchzuarbeiten. Eine gute Predigt sollte nicht länger wie 15 Minuten dauern, sie darf die Gemeinde nicht geistig-geistlich unterfordern, sollte das Gefühl ansprechen, theologische Informationen liefern und Deutungen für den eigenen Alltag ermöglichen. Dabei geht es nicht um Perfektion, aber um das Evangelium und damit um die Liebe, Aber bitte nicht zu pathetisch, sondern möglichst in guter Alltagssprache. Denn auch die Gleichnisse Jesu sind für den (damaligen) Alltag gedacht. Schöne Musik dazu ist immer gut. Die wichtigste Aufgabe eines Theologen ist gut zu predigen und theologische Erkenntnisse sind kein Tabu.

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