Wie lässt sich Migration unter unvollkommenen Bedingungen so gestalten, dass man der Würde des Menschen gerecht wird? Das neue ökumenische Migrationswort soll diese Frage beantworten.
Die beiden großen christlichen Kirchen fordern in ihrer ökumenischen Schrift eine gerechtere und humanere Migrationspolitik in Deutschland und Europa. Es sei „skandalös und zutiefst beschämend“, dass die Würde und die Rechte von Geflüchteten an vielen Orten weltweit missachtet und verletzt würden, so auch an den Außengrenzen der EU, auf dem Mittelmeer und derzeit an der polnisch-belarussischen Grenze, sagte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, bei der Vorstellung des Gemeinsamen Wortes der EKD und der katholischen Deutschen Bischofskonferenz (DBK) am Donnerstag. Der Text steht unter dem Leitgedanken „Migration menschenwürdig gestalten“.
Rassismus verleugnet Menschenwürde
Der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Franz-Josef Bode, betonte, dass die Kirchen mit ihrem Text ein deutliches Zeichen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und gegen jede Form von Menschenfeindlichkeit setzen wollten: „Wenn jüdische und muslimische Gotteshäuser geschändet werden, darf uns das als Kirchen nicht kaltlassen. Wenn Menschen wegen ihrer Hautfarbe oder Weltanschauung bedrängt und verletzt werden, ist unser Platz an ihrer Seite.“ Die Kirchen stellten unmissverständlich klar, dass sie allen menschenfeindlichen Strömungen entgegentreten. Bode weiter: „Rassismus verleugnet die von Gott gegebene Würde jedes Menschen.“
Es ist bereits das zweite Gemeinsame Wort der Kirchen zum Thema Migration. Das erste erschien 1997. „Das seelsorgliche, karitative und anwaltschaftliche Engagement für und mit Migrantinnen und Migranten gehört zum Kern des kirchlichen Auftrags“, schreiben die Autorinnen und Autoren im aktuellen Text. Die Kirchen wirkten selbst aktiv an der Gestaltung der Migrationsgesellschaft mit.
Migration betrifft alle Menschen
Der 214 Seiten lange Text wurde in Kooperation mit der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) verfasst. In sieben Kapiteln ordnen die Autorinnen und Autoren der ökumenischen Arbeitsgruppe die aktuelle Situation in der Migrations- und Integrationspolitik ein und definieren Aufgabenstellungen für die Kirche. Vorsitzende der Arbeitsgruppe waren der Hamburger katholische Bischof Stefan Heße und der im Frühjahr in den Ruhestand verabschiedete Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, der zugleich Vorsitzender der EKD-Kammer für Migration und Integration ist.
„Migration betrifft alle Menschen: diejenigen, die sich freiwillig auf den Weg machen oder unter Zwang ihr Zuhause verlassen müssen, ebenso wie diejenigen, die die Erfahrung eines Lebens in der Fremde selbst nie gemacht haben“, betonten die leitenden Geistlichen der christlichen Kirchen, der DBK-Vorsitzende Georg Bätzing, der EKD-Ratsvorsitzende Bedford-Strohm und der Vorsitzende der ACK, Erzpriester Radu Constantin Miron, in ihrem Geleitwort. Migration sei eine „Bewegungskonstante“ in der Geschichte der Menschheit.
Im letzten Kapitel fordern die Autorinnen und Autoren die Kirchen dazu auf, sich weiterhin besonders gegen Menschenhandel, für zivile Seenotrettung, die Rechte von geflüchteten Frauen und Minderjährigen und das Recht auf Bildung und medizinische Versorgung von Menschen ohne Papiere einzusetzen. Auch das Kirchenasyl als letzter Ausweg sei legitim.